Schluss mit ‚Null Bock‘

19. März 2010 von Laborjournal

Wissen Sie, wie so mancher Feierabend einiger Laborjournal-Redakteure aussieht? Kurz ein paar wichtige Dinge mit der Familie klären, Abendessen vorbereiten, essen und dann, wenn’s eigentlich gemütlich werden könnte… — mit dem Nachwuchs auf irgendwelche Klassenarbeiten lernen. Das kommt besonders gut, wenn besagter Redakteur bereits den ganzen Tag lang Texte hochkomplexen Inhalts gelesen, bearbeitet oder selbst verfasst hat. Aber wie Kollege H. immer sagt: „Dem Redaktör ist nix zu schwör“ — also zusammenreißen und unverdrossen ran an die Entstehung der Zünfte, die Brechungsgesetze, ‚backshift of tenses in reported speech‘,….

Wie schnell dem LJ-Redakteur jedoch diese mühsam aufgesetzte, pseudofröhliche „Lernen macht Spaß“-Fassade wieder aus dem Gesicht fällt, sobald ihn sein pubertierender Nachwuchs nur mit supercoolem „Null Bock“-Blick mustert und dessen erste Äußerungen eigentlich nur  nach „Leck mich doch am Arsch“ klingen — das im Detail zu beschreiben, erspart er sich hier. Worauf er lieber aufmerksam machen will, ist eine neue Science-Studie zum Thema, über die er unter anderem folgende Nachricht las:

Mit dem Beginn der Pubertät ist die optimale Zeit für das Lernen vorbei. Schuld daran sind US-Forschern zufolge unter anderem Veränderungen im Hippocampus des Gehirns, die dessen Erregbarkeit bremsen und die Lern- und Gedächtnisleistung der Heranwachsenden verringern. Zumindest bei Mäusen lässt sich die pubertäre Lernschwäche mit Hilfe eines Stresshormons allerdings aufheben, berichten die Wissenschaftler im Fachblatt «Science» (Bd. 327, S. 1515).

Wow, tatsächlich? Okay, in der Originalstudie geht es um pubertierende Mäuse, aber immerhin:

In ihren Versuchen zeigten Sheryl Smith von der State University New York und ihre Mitarbeiter, dass mit Beginn der Pubertät im Hippocampus ein bestimmter Rezeptortyp, genannt GABAA, vermehrt gebildet wird. Die Bildung dieses Rezeptortyps beeinträchtige dann […] die sogenannte Langzeit-Potenzierung im Hippocampus. Bei diesem Vorgang werden gewöhnlich die Signalübertragungen zwischen Nervenzellen eine Zeit lang verstärkt und somit neue Gedächtnisinhalte gespeichert.

Als Folge der Gehirnveränderungen schnitten pubertierende Mäuse in einem Lerntest deutlich schlechter ab als vorpubertäre Artgenossen. Verabreichten die Wissenschaftler den Versuchstieren allerdings das Stresshormon THP (Allopregnanolon), lernten die Mäuse in der Pubertät genauso gut wie zuvor. Bei Tieren vor oder nach der Pubertät hatte das Hormon genau den gegenteiligen Effekt ­ ihre Lernleistung ließ unter THP-Einfluss deutlich nach. Dieses Ergebnis deckt sich mit der bisherigen Erkenntnis, dass THP für die verringerte Lern- und Gedächtnisleistung im höheren Alter verantwortlich ist.

«Unsere Untersuchungen zeigen, dass spezifische Gehirnmechanismen das Lernen während der Pubertät verändern, und dass leichter Stress womöglich das nachlassende Lernvermögen im Teenagealter umkehren kann», fasst Smith in einer Pressemitteilung der State University New York die Ergebnisse zusammen. Denkbar sei, dass Heranwachsende in der Schule spezielle Lern- und Motivationsstrategien benötigten. Zudem läge es im Bereich des Möglichen, ein Medikament zu entwickeln, dass das Lernvermögen verbessert.

Ah ja. Interessant. THP ist nix anderes als Tetrahydroprogesteron — und das gibt’s doch bei Sigma. Und steht morgen abend nicht das Periodensystem der Elemente mit „Kid Bocklos“ an? Mhmmm………

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3 Gedanken zu „Schluss mit ‚Null Bock‘“

  1. BadBoyBoogie sagt:

    „Ein Medikament, das das Lernvermögen verbessert“???

    Na klar, volldröhnen die widerborstigen Kids mit Drogen, damit sie noch früher fürs Bruttosozialprodukt malochen können, und hurtig zurück in prä-bismarckinische Zeiten!!! Her mit der 48-Stunden-Woche für die immer weniger Arbeitstätigen!! – und bald wird dann wohl auch das G7 eingeführt.

    Bin ich froh, dass ich noch zu Zeiten großwerden durfte, als das Gymnasium noch 9 Jahre umfasste und die Schüler noch nicht als künftige Produktionsroboter betrachtet wurden. Komisch, dass wir 19-jährigen Abiturienten später alle einen Job gekriegt haben… naja, das waren ja auch GAAANZ ANDERE ZEITEN, gelle?!!!

    BBB

  2. Angela West sagt:

    Ähmm – hab ich da jetzt was falsch mitgekriegt? Man will den Teenies THP verabreichen (so wie den Mäusen) und gleichzeitig liest man auf der Seite von Gehirn und Geist folgendes:“Dass Jugendliche unter Stess eher ängstlich reagieren als Erwachsene, könnte an einem bestimmten Hormon im Gehirn der Heranwachsenden liegen: Die Substanz Allopregnanolon (THP) – die eigentlich beruhigend wirkt – fördert bei jugendlichen Mäusen Angstzustände, haben US-amerikansche Forscher herausgefunden.“ „http://www.gehirn-und-geist.de/artikel/868187&_z=798884
    *wonder* Also erst das Mittel für’s bessere Lernen, dann die Psychopharmaka gegen die Angst…. die Pharmaindustrie kann sich mal wieder freuen!
    Ange

  3. Ralf Neumann sagt:

    @Bad Boy: Lernen erleichtern ist als Ziel grundsätzlich erst einmal nicht schlecht — die moralische Wertung kommt erst durch den Zweck, wofür man die „Lernhilfen“ einsetzt, hinzu. Ist wie mit der Wissenschaft im allgemeinen: Wissen allein kann nicht schlecht sein — es kommt immer darauf an, was man damit anfängt.

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