Von verdienten aber verschwiegenen Co-Autoren

4. Dezember 2018 von Laborjournal

Schau mal an! Wieder eine E-Mail eines… — nun ja, verärgerten Nachwuchsforschers. Be­schwert sich, dass er nicht als Co-Autor mit auf das jüngste Paper seiner Gruppe genommen wurde. Totaler Skandal, weil er das natürlich klar verdient gehabt hätte — mehr noch als der konkrete Zweitautor. Ob wir das nicht öffentlich machen könnten. Solches Unrecht gehöre schließlich mal an den Pranger gestellt. Und nein — ihm selbst könne nix mehr passieren, da er inzwischen die Gruppe gewechselt habe. Aber sauer sei er natürlich immer noch…

Etwa ein Dutzend solcher E-Mails bekommen wir im Jahr. Einige Male haben wir tatsächlich nachgefragt. Und stets war „der Fall“ kaum objektiv darstellbar. Bisweilen schien es sogar ziemlich plausibel, warum der „Kläger“ letztlich nicht mit auf dem besagten Paper stand.

Dabei werden offenbar tatsächlich die Nachwuchsforscher vom Postdoc bis zum Master-Studenten mit am ehesten aus den Autorenlisten draußen gelassen. Zumindest war dies eines der Ergebnisse einer Umfrage der beiden US-Soziologen John Walsh und Sahra Jabbehdari aus dem Jahr 2017. Und die hatten dazu in den USA einige Leute mehr befragt als wir hier: Am Ende konnten sie die Angaben von 2.300 Forschern zu deren eigenen Publikationen auswerten (Sci. Technol. Human Values 42(5): 872-900).

Machen wir’s kurz:

» Nach Walsh und Jabbehdari listete ein Drittel der Artikel aus Biologie, Physik und Sozialwissenschaften mindestens einen „Gastautor“ mit auf, dessen Beitrag die Anforderungen für eine Co-Autorenschaft eigentlich nicht erfüllte. Angesichts von Ehren- und Gefälligkeits-Autorschaften wie auch ganzen Co-Autor-Kartellen war ein solch hoher Anteil womöglich zu erwarten.

» Viel erstaunlicher dagegen mutet jedoch der noch höhere Anteil an Artikeln an, auf denen ein oder mehrere Co-Autoren verschwiegen wurden, die wegen ihres Beitrags zur Studie eigentlich mit aufgelistet gehört hätten. Die befragten Forscher gaben an, dass hinter ganzen 55 Prozent ihrer Artikel noch mindestens ein weiterer „Geister-Autor“ gestanden hätte. Biologie und Medizin lagen genau in diesem Schnitt, während Ingenieurs-, Umwelt- und Agrarwissenschaften noch deutlich höher lagen. Den niedrigsten Anteil an „Geister-Autoren“ ermittelten die Verfasser mit 40 Prozent für die Mathematik und Computerwissenschaften.

» Und wer wurde hierbei bevorzugt „verschwiegen“? Neben Technischen Angestellten interes­san­ter­wei­se eher Postdocs als „Graduate Students“, also Doktoranden und Master-Studenten. In der Medizin lag der Anteil der Postdocs unter den „Verschwiegenen“ etwa bei 28 Prozent gegenüber 16 Prozent „Graduate Students“; in der Biologie betrug dasselbe Verhältnis 21 gegenüber 15 Prozent.

In der Summe heißt das also, dass in den Autorenzeilen jeder fünften Veröffentlichung aus den Medizin- und Biowissenschaften mindestens ein Nachwuchsforscher fehlt, der die Nennung eigentlich verdient gehabt hätte. Sicher lässt sich einwerfen, dass die gleiche Befragung in Europa womöglich andere Zahlen liefern würde. Aber würden Sie, liebe Leser, eine Voraussage wagen, in welche Richtung sich die geschilderten US-Verhältnisse dann verschieben könnten?

Wir meinen, angesichts der Bedeutung, die Co-Autorenschaften heutzutage für wissenschaftliche Karrieren haben, liefern bereits die US-Zahlen alleine ziemlich verstörende Erkenntnisse. Und für uns daher ein Grund mehr, um E-Mails wie der oben erwähnten tatsächlich nachzugehen.

Ralf Neumann

Zeichnung: Rafael Florés

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2 Gedanken zu „Von verdienten aber verschwiegenen Co-Autoren“

  1. Hans sagt:

    Dass Autoren übergangen werden, ist sicher ein reales Problem.

    Die im Einzelfall schwierige Frage ist allerdings, ab wann eine Autorenschaft gerechtfertigt ist. Die Richtlinien des ICMJE z.B. verlangen ausdrücklich einen intellektuell bedeutsamen Beitrag zur Arbeit, und das ist halt Auslegungssache und führt schnell zu Streit.

    Rein technische Hilfe bei der Laborarbeit, egal wie zeitaufwändig die gewesen sein mag, ist z.B. laut ICMJE kein Grund für eine Autorenschaft und gehört in die Acknowledgments. Das sollte man am besten besprechen, bevor man eine Mitarbeit zusagt, und dann ausmachen, dass man sich auch am eigentlichen Schreiben des Papers beteiligt.

    Falls von Interesse: Ich habe zusammen mit den Kollegen vom Editorteam des Fachjournals GigaScience kürzlich ein Editorial zum Thema „Autorenschaft“ veröffentlicht, um mal die Probleme auf den Tisch zu legen, die wir in unserer Arbeit beobachten.

    https://doi.org/10.1093/gigascience/giy122

  2. bombjack sagt:

    Böse Frage:

    Ab wann wird aus einer rein technischen Hilfe ein intellektuell bedeutsamer Beitrag zur Arbeit?

    Z.B. habe ich Hawaii für „meinen“ Postdoc auf sein Problem, dass die von käuflich erworbenen Injektoren (um Peptide in die Hirnventrikel zu injizieren) sich verbiegen und zum Teil immer noch zu groß sind, dann Injektoren aus Nitinol gemacht und später auch Injektoren die 0.1 mm Außen-Durchmesser hatten, wobei diese dann elektro-chemisch geätzt wurden.
    Okay….abgebrochenes Chemiestudium, Werkzeugmacher-Ausbildung und naturwissenschaftlich begeistertes Spielkind (mit Heimlabor) haben sich da dann ausgezahlt….ist das nun (reine) technische Hilfe oder doch schon ein (intellektuell) bedeutsamer Beitrag?

    bombjack

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