Nicht so schnell mit dem Abfall!

4. Januar 2024 von Laborjournal

„Abfall“ – wie oft haben Forschende Dinge, die sie während ihrer experimentellen Prozeduren vermeintlich nebenbei erhielten, allzu schnell als solchen verworfen. Und lagen damit falsch.

Wie war das etwa mit den kleinen regulativen RNAs? Schon lange dürften die Spezialisten in ihren RNA-Gelen immer wieder „komische Signale“ nahe der Lauffront gesehen haben. Und immer wieder war deren Diagnose: Unspezifische Abbau-Produkte. Experimenteller Abfall also, der durch die Prozedur entsteht und demnach keinerlei biologische Funktion hat. Schließlich ist RNA deutlich instabiler als DNA, und RNAsen lauern auch quasi überall. Und so dachten sie nicht weiter darüber nach – auch wenn „kleine RNAs“ im nächsten und übernächsten Gel wieder vorneweg liefen.

Wer weiß, wie viele von ihnen sich letztlich mit der Hand kräftig vor die Stirn klatschten, als Ende der Neunzigerjahre klar wurde, dass viele Zellen ganz gezielt solche kleinen RNAs produzieren – als Regulatormoleküle, um damit die Expression ihrer Gene feinzusteuern?

 

Extrazelluläre Vesikel: Unbedeutender Abfall? – Nicht wirklich!

 

Ähnlich dürfte es gerade denjenigen Kolleginnen und Kollegen gehen, die lange Zeit extrazelluläre Vesikel als unbedeutenden Zellabfall abqualifiziert haben. Diese kleinen Membrankügelchen werden zwar sicher nicht derart gezielt und systematisch von Zelloberflächen abgeschnürt wie kleine RNAs gebildet werden – aber reiner Abfall ohne jeglichen biologischen Einfluss sind sie keineswegs. Ganz im Gegenteil, stellen sie doch offenbar ein Hauptvehikel für den horizontalen Gentransfer zwischen Meeresorganismen dar, wie ein Team um Susanne Erdmann vom Bremer Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie in ISME Communications (Vol. 3: 112) beschreibt.

Mittels gereinigter DNA-Datensätze aus Nordsee-Proben fanden Erstautor Dominik Lücking et al., dass ein Großteil der DNA eben nicht „klassisch“ nach Infektion über Viren oder Virus-ähnliche Partikel von einem Organismus in andere transferiert wurde, sondern vielmehr über ins Meerwasser abgeschnürte extrazelluläre Vesikel (EV). Ihr generelles Fazit daher:

Wir haben neuartige und weit verbreitete EV-Produzenten identifiziert sowie quantitative Belege dafür gefunden, dass der EV-vermittelte Gentransfer eine bedeutende Rolle beim horizontalen Gentransfer (HGT) in den Weltmeeren spielt.

Womit erneut ein Beispiel dafür geliefert wäre, dass der Begriff „Abfall“ in der experimentellen Bioforschung nur mit großer Vorsicht verwendet werden sollte. Und dass es sich durchaus lohnen kann, bereits deklarierte Abfälle nochmals zu durchwühlen.

Ralf Neumann

(Illustr.: Thermo Fisher)

ExRNAs fangen gerade erst an

31. Januar 2014 von Laborjournal

ExRNA. Als wir das lasen, dachten wir zunächst an eine RNA, die einmal eine RNA war – und jetzt nicht mehr. Wie bei Ex-Profi oder Ex-Ehefrau.

Dies aber nur kurz, denn nach den nächsten Worten war klar: Es geht hier um eine weitere Klasse von zellulär aktiven RNAs — konkret um solche, die die Zelle in Vesikel verpackt und ausschleust, damit die Körperflüssigkeit sie zu ganz anderen Zellen mitnimmt, die sie wiederum aufnehmen. „Ex“ steht also für „extrazellulär“ (siehe Video).

Dieser Mechanismus kann kein Zufall sein, argwöhnte jetzt unter anderem Francis Collins, der Direktor der US-amerikanischen National Institutes of Health (NIH). Das müsse etwas mit der Kommunikation zwischen Zellen zu tun haben. Und tatsächlich Diesen Beitrag weiterlesen »