Sind Exzellenzcluster zwingend exzellent?

28. September 2018 von Laborjournal

Arrgh, unser Mail-Postfach quillt gerade über vor lauter Erfolgsmeldungen der einzelnen Uni­ver­si­täten, dass sie im Rahmen der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder irgendwie „gewonnen haben“.

Wundern tut uns das allerdings nicht. Schließlich hat gerade ein Entscheidungsgremium aus Wissenschaft und Politik zum Ende eines wahren Wettbewerb-Marathons verkündet, ganze 57 sogenannte Exzellenzcluster an insgesamt 34 deutschen Universitäten zu fördern. (Für die gesamte Förderlinie stehen ab Januar 2019 sieben Jahre lang jeweils 385 Millionen Euro Steuergelder zur Verfügung, macht also im Schnitt rund 47 Millionen Euro pro Cluster — wobei die Unterschiede im einzelnen recht groß sind, beispielsweise zwischen Geräte-intensiven und „Geräte-freien“ Disziplinen. Im Detail kann man die Liste der „Sieger“ hier studieren.)

Nun ist das insgesamt eine derartige Masse an „exzellenten“ Projekten, dass man sich unwillkürlich fragen muss, ob es denn auch noch „normale“ Forschung gibt in Deutschland. Und schon merken wir: „Exzellenz“ ist relativ. Ein Begriff, den man nahezu beliebig mit Inhalt füllen kann — so, wie man es gerade braucht. Entsprechend kommentierte etwa die Bremer Wissenschaftssenatorin und stellvertretende Vorsitzende der Gemeinsamen Wissen­schafts­kon­fe­renz (GWK) Eva Quante-Brandt das Ergebnis mit: „Die Spitze liegt in der Breite“. Aha…!? Und Bundeswissenschaftsministerin Anja Karliczek ergänzte: „Wir haben Exzellenz an vielen deutschen Hochschulen. Das ist die Stärke und die internationale Attraktivität unseres Systems.“

Hm? Sollte „Exzellenz“ per definitionem nicht immer und ausschließlich die absolute Spitze einer Pyramide darstellen? Und wird so gesehen „Exzellenz“ nicht eher abgewertet, wenn sie immer mehr in die Breite geht? Wird auf diese Weise nicht heute exzellent, was es gestern noch nicht war — schlichtweg durch Evaluation und Wettbewerbs-Sieg?

Wie gesagt, Exzellenz ist immer relativ. Es ist noch gar nicht lange her, da galt beispielsweise vielen das gesamte wissenschaftliche Tun per se als exzellent. Klar, wenn man es mit reiner Fabrik- oder Verwaltungsarbeit verglich. Wenn die Wissenschaft jedoch als Bezugsgröße nur bei sich selber bleibt, dann zitieren wir hier hierzu gerne nochmals den folgenden Absatz aus dem letztjährigen Laborjournal-Essay des alten Konstanzer Wissenschaftstheoretikers Jürgen Mittel­straß:

Damit Exzellenz wirklich werden kann, muss viel Qualität gegeben sein; und damit Qualität wirklich werden kann, muss viel Mittelmaß gegeben sein. Allein Exzellenz und nichts anderes zu wollen, wäre nicht nur wirklichkeitsfremd, sondern für die Entstehungsbedingungen von Exzellenz vermutlich fatal — sie verlöre die wissenschaftliche Artenvielfalt, aus der sie wächst. Und darum eben auch: Nicht nur Erbarmen mit Durchschnittlichkeit und Mittelmaß, sondern zufriedene Unzufriedenheit mit diesen. Es ist das breite Mittelmaß, das auch in der Wissenschaft das Gewohnte ist, und es ist die breite Qualität, die aus dem Mittelmaß wächst, die uns in der Wissenschaft am Ende auch die Exzellenz beschert — mit oder ohne angestrengte Evaluierung.

Was gleichsam bedeutet, dass man Exzellenz nicht durch Wettbewerbe „erzwingen“ kann. Wohl aber herbeireden.

Doch das ist wieder ein anderes Thema, das unter anderem der Schweizer Ökonom Martin Bins­wanger vor zwei Jahren ebenfalls in einem Laborjournal-Essay sezierte…

Ralf Neumann

Illustr.: iStock / Akindo

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