Wie funktionieren Forscher?

26. September 2014 von Laborjournal

Watson und Crick haben Spaß mit ihrem Spielzeug.

Seit mindestens zwei Jahrzehnten scheint die Wissenschaftspolitiker in unserer ökonomisierten Welt vor allem eine Frage umzutreiben: Wie kriegen wir am meisten raus aus unseren Forschern?

Und tatsächlich versuchten sie ja so auch einiges an den Drehschrauben des „Systems“. „Mehr Wettbewerb“ war beispielsweise eine Formel — und man schuf damit… mehr Bürokratie.

„Stärkere Vernetzung“ war eine weitere. Was man bekam, war jedoch, dass die Brillanten mit vielen Mittelmäßigen gleichgeschaltet wurden und ihre Zeit und Energie in unzähligen ergebnisarmen Koordinationstreffen vertrödeln mussten.

„Stärkere Konzentration auf Zukunftsthemen“ war auch ein beliebtes Rezept. Was man bekam, waren Schlagworte und Um-Etikettierungen. Der Wurm-Genetiker machte plötzlich „Molekulare Medizin“; und der Membranbiochemiker studierte weiterhin denselben Bindekomplex, nur nannte er es jetzt „Proteomik“.

Und sogar die Architektur wurde bisweilen bemüht, weil doch angeblich in hellen und luftigen Labors die Gedanken besonders hoch fliegen.

Doch hat sich bei alledem eigentlich mal jemand gefragt, wie gute Forscher als Menschen sind und was sie wirklich am meisten wollen. Sicher, man kann sie kaum über einen Kamm scheren — aber wenigstens zeigt die Wissenschaftsgeschichte doch einige Tendenzen:

Gute Forscher sind getrieben von einer bohrenden Neugierde, die sich trotz aller analytischen Sachlichkeit oftmals mit nahezu naiver Fröhlichkeit und ungehemmtem — ja, man kann sagen — Spieltrieb Bahn bricht. Was über die notwendigsten Bedürfnisse des täglichen Lebens hinausgeht, steht dahinter klar zurück — weshalb der Forscher in aller Regel zur anspruchslosesten Subspezies des Homo sapiens überhaupt gehört.

Für sich selbst braucht der Forscher folglich kaum Geld (wohl aber für die Realisierung der Projekte zur Befriedigung seiner Neugier). Weitaus wichtiger ist ihnen hingegen ihre Unabhängigkeit, gewürzt mit einer ordentlichen Prise Humor — Albert Einstein, Francis Crick oder Sydney Brenner sind gute Beispiele. Und wie oft umgibt ihre brillanten Ideen eine Aura von Leichtigkeit — beispielsweise die Modellbasteleien von Watson und Crick, oder Kary Mullis’ PCR-Geistesblitz während einer langen Autofahrt durch grandiose Landschaften.

Fröhliche Neugier, Unabhängigkeit, Spieltrieb, Humor, Spaß und Leichtigkeit also. Man hat den Eindruck, dass die Verdrehungen des Systems den Forschern zuletzt all dies eher genommen haben.

Die zwei Welten der Genetik und der Biochemie

25. April 2014 von Laborjournal

Es soll ja vorkommen, dass hin und wieder ein eingefleischter Biochemiker im Vortrag eines dezidierten Genetikers sitzt. Oft genug sitzt er dann da, hört zu, denkt mit — und wartet vergeblich auf den Clou.

So trug etwa kürzlich ein Genetiker vor, wie er in Fliegen mit auffälligen Verhaltensstörungen eine Chromosomenregion kartiert hatte, in dem offenbar ein Gen liegt, dessen Ausfall den Defekt direkt mitverantwortet. Fünfzehn Vortragsminuten später hatte er das Gen identifiziert, fünf Minuten darauf hatte er es sequenziert — und in den restlichen zehn Minuten beschrieb er, wie er durch gezielte Mutationen in eben jenem Gen verschieden starke Ausprägungen der Verhaltensstörung induzieren konnte — und wie er die „schlimmsten“ Verhaltensmutanten durch Einbringen des „gesunden“ Gens retten konnte. Klar, dass am Ende des Vortrags der Genetiker sein Publikum glücklich und zufrieden ob dieser runden Story anstrahlte.

Dann meldete sich der Biochemiker und fragte: „Okay, Sie wissen jetzt, dass das Gen für das gesunde Verhalten notwendig ist. Aber wie steuert nun das Genprodukt das Verhalten? Was tut es in der Zelle? Wo und wie entfaltet es welche Funktion? Welcher Mechanismus steckt dahinter?“ Der Genetiker hob die Schultern, raunte leise, dass er dazu keine Hinweise habe — und grinste nunmehr leicht blöde weiter ins Publikum.

Da waren sie also wieder mal aufeinander geprallt — die beiden Welten der Genetik und der Biochemie. Und der konzeptionelle Kernunterschied zwischen beiden wurde erneut mehr als deutlich: Der grundlegende Ansatz des Genetikers ist zu studieren, wie ein System variiert oder ausfällt, wenn einzelne Komponenten gestört oder defekt sind — um dann daraus zu schließen, welche Komponenten bei welchen Prozessen mitspielen. Im Gegensatz dazu versucht der Biochemiker zu entschlüsseln, wie die Komponenten eines Systems zusammengehören und wie die daraus resultierenden Interaktionen die Funktion des Systems bewerkstelligen.

Beides komplementäre experimentelle Ansätze, um komplexe Systeme zu entschlüsseln. Und natürlich umso effektiver, je besser man sich versteht.

(Foto: pholidito / Fotolia)