Wie wichtig sind negative Resultate?

17. Juni 2016 von Laborjournal

Wie oft hat man zuletzt angesichts der Abneigung vieler Forschungsblätter, negative Resultate zu veröffentlichen, sinngemäß den folgenden Satz gehört oder gelesen:

Negative oder Null-Resultate sind schlichtweg Resultate — und tragen daher im gleichen Maße zum Erkenntnisprozess bei wie positive Resultate.

Hmm. Der erste Teil stimmt zweifelsohne, beim zweiten Teil wird’s jedoch schwierig.

ErnstNegNatürlich sind Null-Resultate gerade dann besonders wichtig, wenn sie eine bis dato starke Hypothese widerlegen. Man nehme etwa nur die Arbeit kanadischer Forscher, die 2012 mit neuester 3D-In-vivo-Mikroskopie in den Zellkernen intakter Mäusezellen partout keine 30nm-Chromatinfasern aufspüren konnten — und diese damit wohl hauptsächlich als Artefakte der gängigen Chromatin-Präparation entlarvten (siehe unsere Beiträge hier und hier).

Genauso viel Gewicht haben beispielsweise „negative“ Ergebnisse, die klar machen, dass ein zuvor dringend verdächtiges Bakterium eine gewisse Krankheit nicht verursacht. Oder dass der eigentlich naheliegende Signalweg X doch kein bisschen beim untersuchten Effekt mitspielt. In all diesen Fällen ist es sehr wichtig, dass man das weiß — nicht zuletzt, damit niemand sich weiterhin an den falschen Verdächtigen die Forscherzähne ausbeißt.

Gehen wir die Frage aber noch ein bisschen abstrakter an. Wenn jemand sagt, er habe in hundert Patientenproben immer dasselbe Bakterium Y gefunden, dann ist diese positive Beobachtung ein ziemlich starker Hinweis darauf, dass Y etwas mit dem Entstehen der Krankheit zu tun hat. Mache ich stattdessen aber die negative Beobachtung, dass in keiner Patientenprobe Bakterium Y vorkam, dann ist dieses Ergebnis lediglich so gut wie meine Proben und Methoden. Denn womöglich lässt sich Bakterium Y nur in einem sehr frühen Krankheitsstadium aufspüren, und/oder die Art der Probenentnahme war ungeeignet, und/oder die Nachweistechnik ebenfalls. Es gibt also viele Gründe, weshalb man ein gewisses Ergebnis in einem Experiment nicht bekommt. Und unzulängliche Methodik ist nur einer davon.

Es ist diese inhärente Vielzahl an potentiellen Erklärungsmöglichkeiten, die negative Resultate in den allermeisten Fällen klar schwächer machen als positive. Und ganz abgesehen davon: Klingt „Wir haben keine Bakterien Y bei Krankheit Z beobachtet“ nach einem ähnlich starken Erkenntnisbeitrag wie „Bakterium Y verursacht Krankheit Z“?

Wie gesagt, negative Ergebnisse können in Einzelfällen genauso wichtige Beiträge leisten wie positive. Aber dass sie ganz allgemein und in der Summe genauso wichtig sind wie positive, das darf doch stark bezweifelt werden.

Zitat des Monats (17)

14. Dezember 2012 von Laborjournal

Die Zellbiologin und Autorin Jennifer Rohn beschreibt auf ihrem Blog Mind the Gap in dem Beitrag „In which we excavate the Tubes that Time Forgot“ das Szenario, als sie eine alte Labor-Tiefkühltruhe ausräumen musste. Angesichts der Menge längst vergessener und verlassener Proben, denen sie dabei begegenete, wird sie am Ende ein wenig sentimental:

Der Gedanke ist irgendwie traurig, dass all diese Schachteln mal jemandes Experiment waren. Jemand musste gedacht haben, es sei wichtig genug, ermüdende Stunden nur damit zu verbringen, jedes Röhrchen zu kennzeichnen und sie mit diesem oder jenem zu füllen. All dies zweifellos im festen Glauben, irgendwann zu ihnen zurückzukehren — oder dass wenigstens jemand anders im Labor die Fackel der damit verbundenen Ideen weitertragen würde. So viele Pläne und Träume, so viele teure Gefäße und Reagenzien — alle letztlich dazu bestimmt, um am Ende in einem schäbigen Abfalleimer zu landen.

[Frei aus dem Englischen übersetzt]

(Ein umfangreiches Interview mit Jennifer Rohn über ihre Rolle als Autorin von Wissenschaftsromanen erschien in Lab Times 4-2010 unter dem Titel „Biology’s ‚Lady of Letters'“)

2011 wird besser!

5. Januar 2011 von Laborjournal

Noch ist es Zeit für die üblichen guten Vorsätze, was man im neuen Jahr alles besser machen will. Doch seien wir ehrlich, oftmals sind es die immergleichen Dinge, die man sich schon im Jahr davor vorgenommen hatte — wie auch im Jahr davor, und im Jahr davor

Interessanterweise drehen sich die Vorsätze meist um Ordnung im Labor und Strukturierung der Arbeit. Jeden Tag Laborbuch zu führen etwa, statt immer weiter krakelige Notizzettel, Ausdrucke, getrocknete Gele und weißichwas aufeinander zu stapeln — bis man eruptiv und völlig genervt in einem wahren Schreibmarathon die gesamten letzten zwei Monate nachträgt. (Und natürlich kann man sich beim Gel, auf dem mit Edding  „24.5.“ markiert ist, ums Verrecken nicht mehr erinnern, was für ein Experiment das nochmal war.)

Höchste Zeit zum Entsorgen!

Einer meiner Vorsätze zu nahezu jedem Jahreswechsel war, die Proben umgehend aus dem Szintillationszähler zu entsorgen, nachdem sie durchgelaufen waren. Schließlich zählte ich darin Tritium-markierte Moleküle — und auch wenn das Zeug nur sehr geringe Strahlungsenergie und -weite hat, so gehört es doch baldigst in den radioaktiven Abfall. Wie oft stand ich jedoch trotz aller Vorsätze am Drucker unseres Zählers um festzustellen, dass meine Proben von vor zwei Wochen immer noch im Gerät rochierten und mittlerweile zweistellige Zählrunden hinter sich hatten? Und die Proben der zwei Wochen davor standen demonstrativ in einem Ständer auf dem Zähler. Hatten wohl irgendeinen Kollegen ziemlich genervt. Diesen Beitrag weiterlesen »