Schriftsteller-Bingo im Fake-Journal

4. Januar 2023 von Laborjournal

Auf den ersten Blick kann es scheinen, dass dem British Journal of Research Sensationelles gelungen ist. Jedenfalls wenn man erstmal nur die Autoren wahrnimmt, die in dessen Nummer 9 vom 28. September des letzten Jahres schrieben: Charlotte Brontë, Hermann Hesse, Rainer Maria Rilke, Walt Whitman und William Faulkner. Hat die Zeitschrift womöglich bis dato verschollene Manuskripte dieser Giganten der Weltliteratur veröffentlichen dürfen?

Mitnichten!

Gleich beim zweiten Blick wird klar: Wir haben ein ganz besonders skurriles Fake-Journal aufgeschlagen. Da schreibt etwa der Literatur-Nobelpreisträger Hermann Hesse ein „Opinion Piece“ mit dem Titel Execution of the Qa Instrument to Decide the Recurrence of Radiographic Mistakes on Sidelong Radiographs. Unter der Dienstadresse „Department of Basic Sciences, University of Cologne, Germany“. Und via Mail erreichbar sei Herr Hesse unter Herman46@gmail.com.

Ja, sicher!

 

Rainer Maria Rilke schrieb 1902 über den Panther,
aber 2022 über Boden-Mikroben …?

 

Ähnlich sieht es beim Lyriker Rainer Maria Rilke aus. Zwar lobte ihn vor 120 Jahren der große Zoologe Jakob Johann von Uexkül auch fachlich für sein berühmtes Gedicht „Der Panther“, doch dass man jetzt ein Werk aus seiner Feder mit dem Titel Watery Living Spaces and Carbon Inputs Shape the Microscale Topography and Communication Scopes of Soil Microorganisms ausgegraben haben will …? Und dieses dann mit angeblicher Dienstadresse „Department of Basic Sciences, Free University of Berlin, Germany, E-Mail: Rainer75@gmail.com“ von Rilke publiziert?    Diesen Beitrag weiterlesen »

Zum Tod von Carl Djerassi

3. Februar 2015 von Laborjournal

Jeder Wissenschaftsjournalist blickt auf besondere Momente in seinem Schaffen zurück. Einen meiner Highlight-Momente erlebte ich Ende 2000 mit Carl Djerassi, dem „Erfinder“ der Antibabypille und späteren Autor von Romanen und Theaterstücken, die sich als sogenannte „Science-in-Fiction“ bevorzugt um den Wissenschaftsbetrieb drehten.

Carl Djerassi war damals von einem größeren Freiburger Verlagshaus zu einer Lesung aus seinem neusten Theaterstück angekündigt — und Kollege Köppelle und ich hatten natürlich im Vorfeld ein anschließendes Interview mit ihm verabredet. So saßen wir dann mit Djerassi um einen kleinen Tisch mitten im Verkaufsraum, und er plauderte sich aufgeräumt durch alle angesprochenen Themen. Irgendwann kam sichtlich ungeduldig seine Agentin vorbei, um ihn an den nächsten Termin zu erinnern. Worauf er sich nur kurz zu ihr umdrehte und sagte: „Meine Liebe, es wird noch etwas dauern — es macht Spaß, die Herren stellen gute Fragen.“ Sowas vergessen Jung-Redakteure nicht mehr.

Kurz darauf verriet uns Djerassi noch eines seiner großen Ziele für den Rest seines Lebens: „Ich will als erster 100-jähriger Professor überhaupt noch Mitglied einer großen Chemie-Fakultät sein.“ [Stanford University in seinem Fall.]

Leider hat er das nicht geschafft — der gebürtige Österreicher starb am letzten Wochenende 91-jährig an den Folgen einer Krebserkrankung. Daher jetzt nochmals als Erinnerung an unseren „besonderen Moment“ mit Carl Djerassi das „alte“ Interview, das schließlich in Laborjournal 11/2000 erschien:

 ———————–

Carl Djerassi, der „Vater der Antibabypille“, im Gespräch

„Mehr Dialog bitte, meine Herren Naturwissenschaftler!“

Der grauhaarige Chemiker wurde in Freiburg bewacht wie ein Staatsgast. Die Dame vom Buchladen wollte nichts sagen, das Hotel durfte nicht. Doch wenn Carl Djerassi, weltberühmter Chemiker und wichtigster Protagonist von „Science-in-Fiction“, zu einer Lesung angekündigt ist, dann werden Laborjournal-Redakteure zu hartnäckig recherchierenden Meisterdetektiven.

Der gebürtige Wiener Carl Djerassi ist einer von ganz wenigen Naturwissenschaftlern, deren Namen auch Otto Normalverbraucher schon mal irgendwo gehört haben. Nicht zu Unrecht, denn an die fünfzig Prozent der deutschen Bevölkerung hatte schon mal Kontakt mit der Erfindung, die ihn bekannt machte: der Anti-Baby-Pille. Djerassi, der gerne damit kokettiert, eher die „Mutter“ denn der „Vater“ der modernen Empfängnisverhütung zu sein, war und ist neben seiner langen wissenschaftlichen Karriere noch auf zwei weiteren Gebieten erfolgreich. Er ist begeisterter Kunstsammler (unter anderem besitzt er die bedeutendste Sammlung an Werken Paul Klees), und schreibt als Belletristik-Autor seit 1987 „Science-in-Fiction“-Romane und Theaterstücke.

Der inzwischen 77-jährige ist mittlerweile umtriebiger denn je und hastet von einem Kongress hier zur nächsten Tagung dort. Zudem schreibt er — nach eigener Aussage bis zu acht Stunden täglich — an neuen Theaterstücken; zudem unterstützt er mit seiner „Djerassi Resident Artists“-Stiftung in den Bergen von San Francisco junge Künstler. Wir trafen den kontaktfreudigen Naturwissenschaftler, der zum Schriftsteller und Stückeschreiber wurde, bei einer Lesung in Freiburg.

Herr Djerassi, der Beginn Ihrer zweiten Karriere, nämlich als Schriftsteller, hat etwas von einem klassischen Fehlstart…

Djerassi: Ich habe ja erst etwa 1985 damit begonnen, Romane zu schreiben, Diesen Beitrag weiterlesen »