„Da war doch mal was…?“

5. Juni 2014 von Laborjournal

Als Laborjournalist hat man immer wieder seinen Spaß mit Pressemitteilungen.

Zum Beispiel die Meldung „Professur in Adipositas-Chirurgie wieder besetzt“, die die Universität Leipzig am 20. Mai 2014 veröffentlichte. Darin liest man:

Im Mai hat die Universität Leipzig Prof. Dr. Arne Dietrich die Professur für Bariatrische Chirurgie am Integrierten Forschungs- und Behandlungszentrum (IFB) AdipositasErkrankungen […das schreiben die tatsächlich ohne Leerzeichen zusammen…] übertragen. Der 48-jährige Sachse leitet bereits die Sektion für Bariatrische Chirurgie am Universitätsklinikum Leipzig. Zusammen mit der im Januar 2014 verliehenen Zertifizierung als Kompetenzzentrum für Adipositaschirurgie ist die Neubesetzung eine weitere Profilierung der Adipositas-Chirurgie in der Universitätsmedizin Leipzig. Die Professur für bariatrische Chirurgie am IFB wurde bereits 2010 als die deutschlandweit erste geschaffen.

Beim letzten Satz mussten wir endgültig schmunzeln. Die Uni Leipzig vergisst also nicht, die Einrichtung einer Professur für bariatrische Chirurgie als eigene Pioniertat zu rühmen und sich somit gleichsam mit der Aura des weitsichtigen Vorreiters zu umgeben. Was sie jedoch geflissentlich weglässt, ist, dass sie damals jemanden auf die „Pionier-Professur“ berief, der sich kurze Zeit später als schamloser Betrüger entpuppte: Edward Shang.

In nahezu allen Pressemeldungen vergleichbaren Inhalts folgt irgendwann der Standardsatz: „Er tritt damit die Nachfolge von Professor XY an, der…“ Hier jedoch nichts dergleichen. Holen wir es also nach:

„Dietrich tritt damit die Nachfolge von Edward Shang an, der 2012 überführt wurde, dass er bereits während seiner Anstellung am Universitätsklinikum Mannheim der Uni Heidelberg etliche Studiendaten frei erfunden hatte. Konsequenterweise wurden einige von Shangs Artikeln zurückgezogen, die Universität Leipzig trennte sich bereits im Mai 2012 wieder von ihm, und die Universität Heidelberg entzog ihm die Lehrbefugnis.“

(Shang arbeitet heute übrigens an der Chirurgischen Klinik Dr. Rinecker in München.)

Die Uni Leipzig hat damals nichts falsch gemacht und in der „Shang-Panne“ auch ungewohnt zügig gehandelt. Umso weniger sollte sie den Fall heute derart selektiv verschweigen müssen und gleichsam darauf hoffen, dass sich keiner mehr richtig an Shang erinnert — den Mann, den dieselbe Pressestelle bei Amtsantritt 2010 noch augenzwinkernd als „Professor der dicken Bäuche“ vorstellte.

Gewichtiger Rückzug

8. Mai 2012 von Laborjournal

Edward Shang mit der Ernennungsurkunde zum International Fellow der American Society for Metabolic and Bariatric Surgery

(mit Updates zum weiteren Fortgang in den Kommentaren!)

Unser Lab Times-Kolumnist Ivan Oransky berichtet gerade in seinem Blog Retraction Watch über die Ereignisse rund um den frischen Rückzug einer Veröffentlichung des Leipzigers Edward Shang (hier und hier). Seit 2010 leitet Shang dort die Sektion für Adipositas Chirurgie in der Klinik und Poliklinik für Viszeral-, Transplantations-, Thorax- und Gefäßchirurgie. Kurz zuvor hatte er noch unter seiner Adresse an der Mannheimer Uniklinik als Erstautor (!) das Paper “Aerobic endurance training improves weight loss, body composition, and co-morbidities in patients after laparoscopic Roux-en-Y gastric bypass” in Surgery for Obesity and Related Diseases (Vol. 6(3): 260-6) veröffentlicht. Dieses wurde jetzt vom Chief Editor Harvey Sugerman zurückgezogen.

In der Retraction Notice schreibt er:

This article has been retracted at the request of the Editor-in-Chief.

This article has been retracted as the senior author, Dr. Edward Shang, claimed that 60 patients had undergone gastric bypass whereas only 21 patients had undergone surgery during this time period. Dr. Shang was unable to provide the raw data for the study, the name of a single patient, or a witness to patient entrance into the trial. Dr. Shang has agreed to withdraw this manuscript from publication.

Shang hat also offiziell niemals 60 Patienten der entsprechenden Magenbypass-Operation unterzogen, sondern höchstens 21. Und manche befürchten gar, dass er gleich alle 60 Patienten „erfunden“ habe. Diesen Beitrag weiterlesen »