Wohin mit dem Riesen-Virus?

19. Juli 2013 von Laborjournal

So sehen sie also aus, die „Kolosse“ der neuen Gattung Pandoravirus, die gerade für so viel Aufregung sorgen:

(Elektronenmikroskopische Aufnahme: Chantal Abergel and Jean-Michel Claverie)

Gefunden wurde der „Brocken“ von französischen Forschern der Universität Aix-Marseille in australischem Schlamm. Beschrieben haben sie ihn gerade in Science (Vol. 341(6143): 281-86, plus Kommentar auf S. 226-27).

An dieser Stelle nur die wichtigsten Kennzahlen des neuen Größen-Rekordhalters:

  • Größe knapp 1 Mikrometer — „normale“ Viren sind im Schnitt 20mal kleiner;
  • DNA-Genom von 2,5 Mbp — mehr als viele Bakterien und sogar die kleinsten eukaryotischen Parasiten (etwa Encephalitozoon intestinalis mit 2,3 Mbp);
  • 2.556 Protein-kodierende Gene — „normale“ DNA-Viren haben 10 bis 300, Bakterien zwischen 180 und 7.000;
  • Nur 7 Prozent dieser Gene haben irgendwelche Analoge in den gängigen Datenbanken, 93 Prozent sind also offenbar komplett neu.

Alles zusammen, aber vor allem Letzteres lässt gerade viele darüber spekulieren, ob die Gattung Pandoravirus gar womöglich zu einer vierten Domäne des Lebens gehören könnte. Schließlich kann Pandoravirus mit dieser genetischen Ausstattung nicht auch nur annähernd auf eine der bekannten zellulären Linien zurückgeführt werden.

Sicher, Viren leben ja streng genommen gar nicht — und auch Pandoravirus kann sich nicht frei, sondern nur in seinem Amöbenwirt Acanthamoeba castellanii replizieren. Das Szenario zur „Vierten Domäne“ jedoch ist vielmehr, dass Pandoravirus sich womöglich erst sekundär aus einer primitiven und bisher völlig unbekannten Einzeller-Linie zum parasitären Virus zurück reduzierte.

Oder wie Elisabeth Pennisi es in ihrem Science-Kommentar ausdrückt:

Most of the pandoravirus genes don’t look like any genes in known databases, suggesting the viruses originated from a totally different primitive cellular lineage than bacteria, archaea, and eukarya. The tree of life may need to be redrawn to account for these new viruses, some researchers say.

(Weitere Artikel zu Pandoravirus hier, hier und hier)