Einstein und der Peer Review

24. Juni 2014 von Laborjournal

Auch Einstein hielt anfangs nicht viel von Peer Review. Aus seiner „deutschen Zeit“ kannte er dieses System, etwa von seinen fünf berühmten 1905er-Artikeln in den Annalen der Physik, überhaupt nicht. Erst nachdem er in die USA ausgewandert war, sah er sich plötzlich damit konfrontiert, dass seine Manuskripte bisweilen zunächst irgendwelchen Kollegen zur Begutachtung vorgelegt wurden.

Das Online-Organ The Conversation hat dazu gerade eine nette Anekdote wieder ausgegraben, die Physics Today bereits 2005 veröffentlicht hatte. Demnach schickte Einstein zusammen mit seinem Kollegen Nathan Rosen 1936 ein Manuskript über Gravitationswellen an Physical Review. Dessen damaliger Chief Editor John Tate fand das Manuskript aber offenbar derart kontrovers, spekulativ, ja geradezu „phantastisch“, dass er es Einsteins Princeton-Nachbarn Howard Percey Robertson zum Begutachten schickte. Immerhin stellten Einstein und Rosen darin gar die Wellennatur der Gravitation überhaupt in Frage.

Robertson schrieb einen zehnseitigen Kommentar mit jeder Menge gravierender „Entschärfungssvorschlägen“, den Tate umgehend an Einstein weiterleitete. Dieser schrieb Tate schnöde zurück:

We (Mr. Rosen and I) had sent you our manuscript for publication and had not authorised you to show it to specialists before it is printed. I see no reason to address the — in any case erroneous — comments of your anonymous expert. On the basis of this incident I prefer to publish the paper elsewhere.

Einstein publizierte das Manuskript letztlich in dem deutlich „bescheideneren“ Journal of the Franklin Institute. Dies allerdings erst nach einiger Zeit — und mit einem Großteil der Änderungen, die Robertson vorgeschlagen hatte. Es sollte sich herausstellen, dass die Beiden in der Zwischenzeit ausführlich in Princeton über die Befunde des Manuskripts diskutiert hatten — wobei Einstein am Ende offenbar doch einräumen musste, dass dessen schlussfolgernde Behauptungen etwas zu hoch gegriffen waren.

Womöglich bewahrte dieser indirekte Peer Review Einstein also vor einer gehörigen öffentlichen Blamage. In einem reinen Post-Publication-Peer-Review-System, wie es viele heute fordern, hätte er sich sehr wahrscheinlich mit einem voreiligen Schnellschuss ziemlich in die Nesseln gesetzt.