Wege zum Ruhm

13. März 2012 von Laborjournal

In der Serie The Life Scientific interviewt der englische Physiker Jim Al-Khalili für BBC Radio 4 regelmäßig…

… leading scientists about their life and work, finding out what inspires and motivates them and asking what their discoveries might do for mankind.

Ende letzten Jahres war Paul Nurse, Medizin-Nobelpreisträger 2001, dran. Auf die Frage, was seiner Meinung nach der Schlüssel zu seiner erfolgreichen Forscherkarriere gewesen sei, antwortete er, dass er bereits sehr früh die Entscheidung traf, ein „Big Problem“ verfolgen zu wollen — nämlich zu verstehen, wie Zellen sich teilen:

I realised that science was difficult and it often failed and if you were going to carry out a career like that you at least had to tackle a big problem. […] And so I thought it would be a very fundamental problem to understand how cells reproduce themselves and that’s the problem I set myself as a PhD which also didn’t go brilliantly, quite frankly, but it was a very, very strategic decision.

Das „Big Problem“ also als Schlüssel zum Erfolg? Diesen Beitrag weiterlesen »

Schön schlicht

7. Juni 2011 von Laborjournal

Bienenkönigin inmitten von Arbeiterinnen: Keine Frage der Gene, sondern des Royalactins

Früher waren „One-Author-Paper“ üblich, heute sind sie eine aussterbende Gattung — gerade in den Life Sciences. Der globale Durchschnitt nähert sich gerade dem Wert von fünf Autoren pro Paper, und Publikationen mit mehr als fünfzig Autoren sind schon lange keine Seltenheit mehr.

Vor kurzem jedoch verirrte sich wieder einmal solch ein seltenes „Ein-Autor-Exemplar“ in Nature (Band 473, 478-83). Und auch in diesem Fall konnte man fast schon ergriffen feststellen, dass es doch noch geht, große Fragen ohne viel Hightech, sondern vielmehr mit verblüffend einfachen Ansätzen zu lösen.

Es ging um die Frage, wie die Bienenkönigin zur Bienenkönigin wird. Diese unterscheidet sich in ihrer Genomsequenz kein bisschen von den Arbeiterinnen ihres Stocks — und wird dennoch so sehr anders. Das Geheimnis ist ihre Ernährung. Drei Tage lang bekommen die frisch geschlüpften Larven einen Kraftmix aus Proteinen, Zucker, Fetten und Vitaminen, den die Arbeiterinnen ordentlich mit eigenen Drüsensekreten aufpeppen. Danach jedoch werden die künftigen Arbeiterinnen auf ein schlichtes Mahl aus Honig, Pollen und Wasser gesetzt, während die angehende Königin weiterhin „Gelee Royal“ schmausen darf. Mit den bekannten Folgen.

Was jedoch ist drin in diesem „Gelee Royal“, dass es ein und dieselben Gene so „königlich“ anders orchestriert? Ein Japaner namens Masaki Kamakura vom Biotechnology Research Center in Toyoma hat das „gewisse Etwas“ nun gefunden. Und das auf recht einfache Weise. Diesen Beitrag weiterlesen »

Schlampige Zitate im Genom

16. März 2011 von Laborjournal

Bekam Beschwerden wegen unsauberer "DNA-Zitate": James Craig Venter

(Mit Update vom 16.3., 15 Uhr !)

Zitate sind eine sensible Sache. Herr zu Guttenberg musste dies erst kürzlich schmerzhaft lernen — während die Wissenschaft genau aus diesem Grund das Zitieren unter allerstrengste Regeln stellt.

Nicht ganz ohne Ironie daher, dass kein Geringer als Genom-Guru James Craig Venter kürzlich auf einer Tagung zugeben musste, dass er schlampig zitiert habe.

Wir erinnern uns: Im Mai letzten Jahres gab Venter bekannt, dass sein Team das Genom von Mycoplasma-Bakterien komplett und funktional durch DNA ersetzt habe, die sie zuvor mit ihren Maschinen synthetisiert hatten. Nicht wenige feierten die ganze Sache als „erste synthetisch geschaffene Lebensform„, andere waren dagegen durchaus kritischer.

Wie auch immer — Venters Kollegen hatten damals mehrere berühmte Zitate in den synthetischen DNA-Strang hineinkodiert, um ihn von der nativen Mycoplasma-DNA unterscheiden zu können. Zwei davon bescherten Venter später Post. Diesen Beitrag weiterlesen »

Dreckige Genome

18. Februar 2011 von Laborjournal

Der Mensch mischt mit. So wie sie derzeit in den einschlägigen Datenbanken stehen, sind mindestens ein knappes Viertel aller Genomsequenzen von Nicht-Primaten mit menschlichen DNA-Sequenzen durchsetzt.

US-Forscher um Rachel O’Neill von der University of Connecticut nahmen sich sämtliche Genome aus vier Datenbanken vor: den Genome Browsern des Joint Genome Institute, des National Center for Biotechnology Information (GenBank) und der University of California, Santa Cruz, sowie der Datenbank Ensembl des European Bioinformatics Institute (EBI).

All diese Sequenzen screenten sie nach human-spezifischen repetitiven AluY-Elementen. Diese sind zwar keine 300 Basenpaare lang, kommen aber etwa eine Million Mal im Humangenom vor. Das Ergebnis: Von 2.057 untersuchten Genomsequenzen enthielten 454 AluY-Sequenzen — das macht 22,4 Prozent (PLoS ONE 6(2): e16410). Diesen Beitrag weiterlesen »

Evolution als Entrümpler

27. Januar 2011 von Laborjournal

Blog-Kollege Sebastian Reusch von Enkapsis fordert in seinem jüngsten Post seine Leser auf, in den Kommentaren „Evolution“ zu definieren. Wie so oft bei diesem Thema, quillt  sofort jede Menge Unsinn hervor.

Zum Beispiel wird das verbreitete Missverständnis weiter gepflegt, Evolution ziele gerichtet auf immer höhere Komplexität. Einer der Kommentatoren schreibt etwa:

Evolution bezieht sich auf die Pflanzen- und Tierwelt und bedeutet „Entwicklung“, geht aber auch darüber hinaus. Es ist auf der einen Seite das Herausbilden komplexer Organismen aus weniger komplexen gemeint, aber auch die Anpassung an äußere Zwänge und Gegebenheiten.

Oder, gerade mal drei Kommentare weiter, stellt ein anderer einfach, knapp (und falsch) fest:

Entwicklung vom Einfachen zum Höheren.

Dieser anthropozentrisch geprägte Irrglaube, dass Evolution ein Ziel verfolge, scheint einfach nicht auszurotten. Diesen Beitrag weiterlesen »

Pressemeldung oder Paper — abgerechnet wird zum Schluss

30. September 2010 von Laborjournal

In den Kommentaren zu unserem Post “Ein neuer Tag, ein neues Genom” berichteten wir, dass zwei Gruppen die Entschlüsselung der Genomsequenzen von Kakaopflanze und Tasmanischem Teufel verkündet haben.

Jetzt beschwert sich Stephan Schuster von der Penn State University in Philadelphia in Science, dass beide Genome von den jeweiligen Gruppen lediglich per Pressemitteilung hinausposaunt wurden — vor ordentlicher Publikation und jeglicher Begutachtung der Daten. Und — oh weia! — er jammert weiter, dass er ja gerade selbst mit zwei anderen Gruppen eben jene Genome sequenziert und analysiert habe.

Beide eigenen Projekte, so Schuster, seien erheblich weiter als die der Konkurrenten. Allerdings — ganz der Ehrenmann — wollte er mit jeglichem Tamtam warten, bis beide Stories abgerundet und publiziert seien. Jetzt aber würden die anderen Gruppen den ganzen Ruhm abbekommen. Diesen Beitrag weiterlesen »

Ein neuer Tag, ein neues Genom

9. September 2010 von Laborjournal

Vor nicht einmal 14 Tagen krabbelten zwei Ameisenarten in die Liste der sequenzierten Organismen (Science 329: 1068-71), letzte Woche kam dann der Apfel dazu (Nature Genetics, pub. online 29. August 2010), vorgestern flatterte noch schnell der Truthahn herein (PLoS Biol 8(9): e1000475) — und gestern verkündeten gerade mal elf  Autoren das erste „irische Genom“ (Genome Biology 2010, 11:R91).  Dazwischen posaunten die Medien noch etwas voreilig das Weizengenom hinaus, was das offizielle International Wheat Genome Sequencing Consortium allerdings in dieser Endgültigkeit erstmal wieder zurücknahm.

Wie auch immer, Genome sequenzieren ist schon lange kein Hexenwerk mehr. Und sofern man nicht gerade ein spezielles Interesse an dem jeweiligen Organismus hat, nimmt man sie mittlerweile fast nur noch beiläufig wahr. Auch wenn das alles sicher sehr gute Studien sind.

PZ Myers kommentiert denn auch in seinem Blog Pharyngula das erste Genom eines irisch-stämmigen Menschen als

[…] a curious paper — it’s fine research, and it’s a useful dollop of data, but it’s simultaneously so 21st century and on the edge of being completely trivial. It’s like a tiny shard of the future whipping by on its way to quaintness. […] It’s a good piece of work, another piece in the puzzle of human genomics, but it’s also a little bit odd. I’m always excited to see another organism’s genome sequenced, the first marsupial, the first sea anemone, the first avian, etc., and it’s also become a bit commonplace (oh, another bacterium sequenced…); it’s just weird to see „Irish“ announced as a new novel addition to the ranks of sequenced organisms, as if it were Capitella or something. Cool, but a little jarring.

Geht uns ähnlich. Mal sehen, welche Genome noch bis zum Wochenende kommen. Und ob wir sie alle noch gebührend registrieren…

Vom Geo- zum Idolgenetiker

30. August 2010 von Laborjournal

Mit „Inuk“ ist er gerade fertig geworden: Eske Willerslev vom Naturkundemuseum der Universität Kopenhagen. Unter seiner Leitung rekonstruierte ein internationales Team das Genom eines vor 4.000 Jahren lebenden männlichen Grönländers, der vermutlich zu den ersten Siedlern gehörte, die in die Arktis der Neuen Welt einwanderten. Als Quelle diente ein Haarbüschel des Mannes, das schon länger in den Beständen des dänischen Nationalmuseums lagerte.

Nicht erst seitdem hat man für ihn den Begriff des „Geogenetikers“ geschaffen. Denn schon zuvor verfolgte er die an sich simple Idee: „Schau nach, was in der Erde, vor allem im Permafrost, so alles konserviert wurde — und sequenziere es.“ Bisherige Beute: jede Menge Sequenzen von ausgestorbenen Bäumen und anderen Pflanzen, von fossilen Käfern und Schmetterlingen — und zuletzt gar die mitochondriale DNA-Sequenz eines Mammuts. Näheres etwa hier und hier.

Ganz nebenbei holte er sich dabei den Altersrekord für fossile DNA: die „eisgekühlten“ Sequenzen, mit denen er ein einstmals grünbewaldetes Südgrönland nachwies, werden auf 450.000-800.000 Jahre geschätzt.

Ganz so weit will er mit seinem jüngsten Projekt allerdings zeitlich nicht zurück, und auch in tiefgefrorenem Boden muss er dafür nicht mehr bohren. Nein, Willerslevs neuestes Objekt der Begierde ist eine Haarlocke des legendären Sioux-Häuptlings Sitting Bull. Dessen direkte Nachfahren hätten dem Projekt bereits zugestimmt — und so soll Sitting Bulls komplettes Genom baldmöglichst das erste eines nicht-eingefrorenen „Native American“ werden.

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Schwamm drüber!

10. August 2010 von Laborjournal

SpongeBob Schwammkopf...

Welches ist der bekannteste Schwamm? Ganz klar — ‚SpongeBob Schwammkopf‘, die neongelbe, quaderförmige Vorabend-Comicfigur aus der Feder von Stephen Hillenburg. So manchem Elternteil stellt ‚Bob‘ zwar mit seinem nervigen Gequäke in Rekordzeit die Nackenhaare auf, doch die Sprösslinge zwischen 6 und 10 hören nicht auf ihn zu lieben.

In der Scientific Community hat Bob indes nun Konkurrenz bekommen: Amphimedon queenslandica ist, da komplett farblos und still, offenbar nur ein entfernter Verwandter von Bob — allerdings: seit kurzem ist sein Genom entschlüsselt. „Na und“, mögen jetzt viele denken — und damit in die gleiche Kerbe hauen wie Bloggerin Mary von The OpenHelix Blog, die ihr Posting zum Thema provokativ beiläufig mit „Another day, another genome“ überschrieb.

Auch der Titel des Nature Papers, ‚The Amphimedon queenslandica genome and the evolution of animal complexity‚, lässt ja irgendwie erstmal aufstöhnen, ob hier nicht wieder mal ein Genom rettungslos überverkauft wird. Compexity? In einem Schwamm? Diesen Beitrag weiterlesen »