Leider erlebt man das öfter: Viel Geld wird in großangelegte Forschungsinitiativen gepumpt — und am Ende kommt man den anvisierten Erkenntnissen damit doch deutlich weniger nahe als ursprünglich angekündigt.
Viele Paper wurden inzwischen geschrieben, die angeblich belegen, dass der „Impact pro Forscherkopf“ im Schnitt umso mehr sinkt, je größer das geförderte Gesamtprojekt ist (zum Beispiel hier und hier). Und jedes Mal arbeiteten die Autoren auch gewisse strukturelle und konzeptionelle Muster heraus, die solche „Underperformance“ von Big-Science-Projekten vermeintlich mitverursachen könnten. Diese zu referieren, wollen wir für heute jedoch anderen überlassen…
Hier soll es vielmehr um die Nörgler gehen, die bei der Ankündigung eines teuren Großprojekts inzwischen schon fast reflexartig aus ihren Löchern kommen und empört schreien: „Argh, so viel Geld für etwas, wo wahrscheinlich sowieso wieder nur vergleichsweise wenig rauskommt! Wie viele produktivere Small-Science-Projekte könnte man stattdessen damit finanzieren?“
Auweia! Als ob man immer schon vorher genau wüsste, welche Masse und Klasse an Erkenntnissen ein bestimmtes Projekt, ob groß oder klein, liefern kann. Und als ob man dann entsprechend punktgenau die billigstmögliche Förderung dafür kalkulieren könnte…
Klingt schon hier nicht mehr wirklich nach einem Forschungsprojekt, oder? Weil Forschung so eben nicht funktioniert. Gerade die Grundlagenforschung ist idealerweise ein Aufbruch ins Unbekannte. Man tastet sich sorgfältig in mehrere Richtungen vorwärts, landet immer wieder in Sackgassen, die auf den ersten Metern noch so vielversprechend und plausibel gewirkt hatten — und bekommt vielleicht irgendwann mal eine Ahnung von dem einen richtigen Pfad.
Natürlich rauft sich jeder Unternehmensberater ob solcher wackeliger „Kosten-Nutzen-Bilanzen“ die Haare. Aber würden gerade deren Methoden die Grundlagenforschung nicht in ihrem Kern zerstören? Und wäre dies am Ende nicht die schlechteste Bilanz von allen?
Zumal häufig vergessen wird: Gerade Großprojekt-Mittel sind immer auch fette Ausbildungsinvestitionen — nicht zuletzt, weil insbesondere in solchen Big-Science-Netzwerken oftmals ganz besonderer Wert darauf gelegt wird (siehe beispielsweise hier). Jede Menge Doktoranden und Co. lernen hierbei, wie Wissenschaft und Forschung tatsächlich funktionieren — auch, ja vielleicht sogar gerade auf den letztlich weniger erfolgreichen Pfaden.
Und wer weiß, liebe Nörgler, ob am Ende nicht ausgerechnet einer, der gestern in einem solchen „bilanzmiesen“ Projekt ausgebildet wurde, morgen den nächsten Mega-Durchbruch liefert? Ginge es nach euch, wäre er womöglich gar nicht erst bis dahin gekommen.
Ralf Neumann