Eine kleine Lanze für Großprojekte

8. Januar 2020 von Laborjournal

Leider erlebt man das öfter: Viel Geld wird in groß­angelegte Forschungsinitiativen gepumpt — und am Ende kommt man den anvisierten Erkennt­nis­sen damit doch deutlich weniger nahe als ursprünglich ange­kündigt.

Viele Paper wurden inzwischen geschrieben, die an­geblich belegen, dass der „Impact pro For­scher­kopf“ im Schnitt umso mehr sinkt, je größer das ge­förderte Gesamtprojekt ist (zum Beispiel hier und hier). Und jedes Mal arbeiteten die Autoren auch ge­wis­se strukturelle und konzeptionelle Mus­ter heraus, die solche „Under­per­for­mance“ von Big-Science-Pro­jek­ten vermeintlich mitverursachen könnten. Diese zu re­fe­rieren, wollen wir für heute je­doch anderen über­las­sen…

Hier soll es vielmehr um die Nörgler gehen, die bei der Ankündigung eines teuren Großprojekts inzwi­schen schon fast reflexartig aus ihren Lö­chern kom­men und empört schreien: „Argh, so viel Geld für etwas, wo wahrscheinlich sowieso wieder nur ver­gleichsweise wenig rauskommt! Wie viele produk­ti­ve­re Small-Science-Projekte könnte man stattdessen da­mit finanzieren?“

Auweia! Als ob man immer schon vorher genau wüsste, welche Masse und Klasse an Erkenntnissen ein be­stimm­tes Projekt, ob groß oder klein, liefern kann. Und als ob man dann entsprechend punktgenau die billigstmögliche Förderung dafür kalkulieren könnte…

Klingt schon hier nicht mehr wirklich nach einem Forschungsprojekt, oder? Weil Forschung so eben nicht funktioniert. Gerade die Grundlagenforschung ist idealerweise ein Aufbruch ins Unbekannte. Man tastet sich sorgfältig in mehrere Richtungen vorwärts, landet immer wieder in Sackgassen, die auf den ersten Metern noch so vielversprechend und plausibel gewirkt hatten — und bekommt vielleicht irgendwann mal eine Ahnung von dem einen richtigen Pfad.

Natürlich rauft sich jeder Unternehmensberater ob solcher wackeliger „Kosten-Nutzen-Bilanzen“ die Haare. Aber würden gerade deren Methoden die Grundlagenforschung nicht in ihrem Kern zerstören? Und wäre dies am Ende nicht die schlechteste Bilanz von allen?

Zumal häufig vergessen wird: Gerade Großprojekt-Mittel sind immer auch fette Aus­bil­dungs­in­ves­ti­tionen — nicht zuletzt, weil insbesondere in solchen Big-Science-Netzwerken oftmals ganz besonderer Wert darauf gelegt wird (siehe beispielsweise hier). Jede Menge Doktoranden und Co. lernen hierbei, wie Wissenschaft und Forschung tatsächlich funktionieren — auch, ja vielleicht sogar gerade auf den letztlich weniger erfolgreichen Pfaden.

Und wer weiß, liebe Nörgler, ob am Ende nicht ausgerechnet einer, der gestern in einem solchen „bilanzmiesen“ Projekt ausgebildet wurde, morgen den nächsten Mega-Durchbruch liefert? Ginge es nach euch, wäre er womöglich gar nicht erst bis dahin gekommen.

Ralf Neumann

Was interessiert den Ex-Postdoc sein altes Geschwätz?

15. Oktober 2018 von Laborjournal

Wieder einmal landete eine Frage auf unserem Redaktionstisch, zwischen deren Zeilen man eine gewisse Wut förmlich riechen konnte — und die ging so:

Da gibt es etwas, das ich einfach nicht verstehe. Schon vor zwanzig Jahren habe ich Doktoranden und Postdocs immer wieder stöhnen hören, wie schlimm sich das Wissen­schaftssystem entwickelt habe und wie sehr sie unter den Instituts-Hierarchien und -Platzhirschen leiden würden. Jetzt sind die meisten von ihnen selber Gruppenleiter, Instituts-Chef oder sogar noch mehr. Aber nichts hat sich geändert, sie verhalten sich heute genauso wie diejenigen, die sie damals kritisiert haben — vielleicht sogar noch schlimmer. Dabei sind doch sie es, die heute die Dinge tatsächlich ändern könnten, über die sie damals noch so gemeckert haben — wenigstens in ihrem eigenen Umfeld. Da muss man sich schon fragen: Wollen sie das inzwischen vielleicht gar nicht mehr?

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iStock / :Lisa-Blue

Uns fiel daraufhin sofort ein Editorial ein, in dem wir vor gut drei Jahren die Ergebnisse einer Studie zu diesem Thema vorstellten (LJ 4/2015, S. 3) — und aus dem wir im Folgenden quasi als Versuch einer Antwort zitieren wollen:

[…] Zu denken geben sollte diesen aber die Doktorarbeit der Wiener Wissen­schafts­forscherin Lisa Sigl, in der sie untersuchte, wie sich die prekären Lebens- und Arbeitsverhältnisse junger Biowissenschaftler auf deren Forschungstätigkeit auswirken. Sigl beleuchtet zunächst die verschiedenen Unsicherheitsfaktoren, die das Leben der jungen Biowissenschaftler prägen. Etwa die Unwägbarkeiten beim Erkenntnisgewinn, die jeder Forschung innewohnen, sowie die existentiellen Risiken, die durch die Verkettung von Zeitverträgen entstehen. Anschließend kommt sie dann zum eigentlich interessanten Punkt ihrer Dissertation: Wie gehen ihre Probanden und die Arbeits­gruppe insgesamt mit dieser Belastung um und welchen Einfluss hat sie auf die Ausrichtung ihrer Forschung?

Die Wienerin beobachtete vier unterschiedliche Strategien zur Bewältigung des auf den Forschern lastenden Drucks. Die erste und unter Biowissenschaftlern sehr beliebte Variante bezeichnet sie als Clan-Verhalten: Die Gruppe ordnet sich dem dominanten Labor- oder Gruppenleiter unter, der nicht nur die wissenschaftliche Ausrichtung der Gruppe bestimmt, sondern auch die finanziellen Mittel verteilt. Entsprechend groß ist seine Macht, aber auch seine soziale Verantwortung gegenüber den Gruppenmit­glie­dern. Klar, dass hier jedes Mitglied der Arbeitsgruppe versucht, dem Chef nicht unbe­dingt ans Bein zu pinkeln.

Die zweite Bewältigungsstrategie, das zusammenarbeitende Kollektiv, ist sicher die sympathischste Variante, die aber durch den zunehmenden wissenschaftlichen und ökonomischen Druck im Labor immer seltener anzutreffen ist. Bei dieser Form mit flachen Hierarchien und einem häufigen Erfahrungsaustausch unter den Wissen­schaft­lern steht die Gruppenarbeit im Vordergrund.

Und jetzt kommt der Teil, der für die Beantwortung der obigen Frage womöglich am interes­san­testen ist:

Mit zunehmender Forschungserfahrung treten bei Doktoranden und Postdocs neben diesen beiden gemeinschaftlichen, zwei weitere, individuelle Strategien zu Tage: die Manager- und die Tricksterstrategie.

Der Manager verwaltet seine Forschung und versucht die akademische Karriereleiter mit möglichst geringem Risiko emporzusteigen. Für diesen Jungforscher-Typus steht nicht die Forschung selbst, sondern das Karriere-Risikomanagement der Forschung im Vordergrund. Der Trickster hingegen versucht seine prekäre Situation „auszutricksen“ und versteckt seine eigenen Projekte hinter verklausulierten Anträgen, um an Geld heranzukommen. Trickster sind unter Biowissenschaftlern aber eher selten anzutreffen.

Die prekäre Lebenssituation von jungen Biowissenschaftlern fördert also, so das Fazit von Sigl, vermehrt Clan-Verhalten und Wissenschaftler, die vorwiegend Risikomana­ge­ment betreiben. Jungforscher, die aus reiner Neugier riskanten aber spannenden wis­sen­schaft­lichen Fragen und Projekten nachgehen, bringt das aktuelle Wissen­schafts­sys­tem hingegen immer seltener hervor.

Gut, die Schlussfolgerung geht damit in eine andere, mindestens ebenso spannende Richtung. Aber könnten Sigls Erkenntnisse hinsichtlich des Strategiewechsels bei zunehmender „System­erfahrung“ nicht auch eine Antwort auf die obige Eingangsfrage liefern — wenigstens in Teilen? Oder gibt es noch andere Aspekte, die dabei mitspielen, dass die „Bosse“ von heute nichts von dem ändern, worüber sie einst als Doktoranden und Postdocs selbst noch heftig meckerten?

Ralf Neumann

Zum Tod von Benno Müller-Hill

22. August 2018 von Laborjournal

Am 11. August starb im Alter von 85 Jahren Benno Müller-Hill, Professor-Emeritus am Kölner Institut für Genetik und einer der Pioniere der Molekularbiologie in Deutschland. Neben seiner Forschungsarbeit, die sich nicht nur, aber insbe­son­dere um den Lac-Repressor von E. coli drehte, wurde er einer breiten Öffentlichkeit bekannt durch sein 1984 erschienenes Buch „Tödliche Wissenschaft“, in dem er die Rolle der Forschung im Nationalsozialismus unter­­suchte.

In den Jahren 1998 bis 2000 schrieb Benno Müller-Hill auch immer wieder für Laborjournal. Zwei seiner damaligen Beiträge bringen wir nachfolgend nochmals an dieser Stelle — auch als Hommage an einen einmischungsfreudigen, „politischen“ Forscher, von dessen Typ wir gerade heute durchaus wieder mehr brauchen könnten…

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Aus unserer damaligen Reihe: Wenn ich heute Postdoc wär…

Warum spricht der Mensch?

Von Benno Müller-Hill, Laborjournal 4/2000, S. 14

Was würde ich machen, wenn ich heute Dreißig wäre und als Postdoc nach einem Problem Ausschau hielte? Welches Problem würde ich gerne lösen?

Bevor ich diese Frage beantworte, ist es angebracht, kurz zu berichten, was ich vor vierzig Jahren dachte und tat.

1960 war ich Doktorand bei dem Biochemiker Karl Wallenfels. Ich arbeitete über b-Galactosidase aus E. coli. Im Literaturseminar wurde die Comptes-Rendues-Arbeit aus dem Labor von Francois Jacob und Jacques Monod besprochen, in der zum ersten Mal von Lac-Repressor und von Lac-Operator die Rede war. Ein Assistent, der eine Ausbildung als Mikrobiologe hatte, sagte: „Das sind typisch französische Spitzfindigkeiten. E. coli hat keine Gene, denn es hat keinen Kern“. Wallenfels wiegte den Kopf. Er war sich nicht sicher. Ich und ein paar andere dachten, das Repressor-Operator-Modell muss stimmen. Es ist so elegant.      Diesen Beitrag weiterlesen »

Wuchernde Univerwaltung — Beispiel Zeiterfassung

11. Mai 2016 von Kommentar per Email


(Der gleiche Hochschullehrer — siehe Posting vom 29. April — hatte noch mehr über die deutschen Unis zu meckern:)

Die Verwaltungen der Unis wuchern mit autokatalytischer Rückkopplung, ähnlich wie ein Tumor. Mittlerweile wachsen gar Strukturen zur Verwaltung der Verwaltung. Ein Beispiel dafür ist die Verwaltung der Zeiterfassung, denn auch die Mitarbeiter der Verwaltung (und gerade die) sind im elektronischen Zeiterfassungssystem integriert — damit bloß niemand zu viel arbeitet. Dummerweise muss so ein elektronisches System auch gepflegt und kontrolliert werden — wofür wiederum Verwaltungstellen geschaffen wurden. Die Pflege und Kontrolle läuft aber ins Leere, denn es gibt ja ‚Spielräume‘.

PhDZeitWenn zum Beispiel eine TA aufgrund der Trägheit einiger Studenten das Praktikumslabor erst abends um 21:45 Uhr zuschließen kann, dann hat sie einen 14-Stunden-Tag hinter sich, da sie ja bereits morgens um 7:00 Uhr mit der Arbeit begonnen hatte. Das Zeiterfassungssystem honoriert diesen selbstlosen Einsatz für die Uni, indem es von den 14 Stunden einfach vier Stunden abzwackt, denn mehr als zehn Stunden pro Tag sind ja ‚verboten‘! Das macht aber nichts, denn ins elektronische Zeiterfassungssystem kann sich jede Angestellte einloggen und diese abgezwackten Stunden korrigieren, beziehungsweise sie sich anderswo wieder gutschreiben. Das muss dann allerdings schriftlich verfasst, ausgedruckt, vom Vorgesetzten gegengezeichnet und an die zentrale Verwaltung, Geschäftsbereich Personal, Referat ‚Zeiterfassung‘, gesandt werden. Es ist also reichlich Raum gegeben für verwaltungstechnische ‚Korrekturen’, weil die Verwaltung mit ihren vielseitigen Aufgaben ja total überlastet ist und das nicht auch noch alles kontrollieren kann. Daher wird erwartet, dass die Angestellten sich selbst kontrollieren (so, wie vor der Einführung des Erfassungssystems!) — ihre Zeiten also selbst erfassen und gegebenenfalls korrigieren.

Die Uni Darmstadt (vertrauliche Mitteilung!) plant jetzt, die Zeiterfassung auch auf die wissenschaftlichen Mitarbeiter auszudehnen. Das verursacht natürlich großen Unmut, weil Zeiterfassung als Wissenschaftskiller gesehen wird. Warum eigentlich? Es ist doch alles halb so schlimm; es kommt, wie es kommt. Es wird zwar sehr viel mehr Bürokratie, aber einen Weg, das System zu den eigenen Gunsten zu ‚korrigieren‘, findet man immer, weil die Verwaltung an der von ihr selbst verursachten Bürokratie erstickt. Und ist die Zeiterfassung tatsächlich ein Wissenschaftskiller? Nein, nicht wirklich — denn einen Doktorand, der sich auf seine halbe Stelle beruft und meint, er dürfte aufgrund der Zeiterfassung nur 19,5 Stunden pro Woche im Labor stehen, den schmeißt man am besten gleich in den ersten Wochen der Probezeit wieder raus.

Die Lesart in solch einem Falle ist somit folgende: Der Doktorand MUSS 19,5 Stunden in der Woche für das arbeiten, wofür er bezahlt wird, und die übrigen 148,5 Stunden der Woche DARF er sich seiner Doktorarbeit widmen. Dabei hat das MUSS mit dem DARF bei DFG-finanzierten Doktoranden einen hundertprozentigen thematischen Überlapp, während der Überlapp bei Landesstellen-Doktoranden wegen abzuleistender Hilfsdienste in den Lehrveranstaltungen nur bei etwa 99 Prozent liegt. Ein braver ‚halber‘ Doktorand kommt also um 9:00Uhr, und stempelt sich dann pünktlich um 14:00 Uhr aus, um dann unverzüglich ins Labor zurückzukehren und bis 26:00 Uhr zeitunerfasst an seiner Doktorarbeit weiterzuarbeiten.

Und da heißt es, an der Uni herrschten Logik und Weisheit…

(Illustr.: Fotolia / TSUNG-LIN WU)

Die Unis schaffen ihre Kompetenz zur Doktorandenbetreuung ab

29. April 2016 von Kommentar per Email

(Ein deutscher Hochschullehrer schrieb uns kürzlich folgendes zum obigen Thema:)

Früher wurde jeder Doktorand von seinem „Doktorvater“ (bzw. „-mutter“) betreut. Selbstredend wurden dabei  ganz en passant auch alle für einen angehenden Wissenschaftler unabdingbaren ‚Softskills‘ vermittelt — wie etwa ‚Korrekte wissenschaftliche Praxis‘, ‚Experimental design‘, ‚Ethik im Wissenschaftsbereich‘, ‚Datenauswertung und Statistik‘, ‚Posterdesign‘, ‚Vortragsstil‘, ‚Manuskriptschreiben‘ u.s.w.

Heute jedoch braucht es für die Vermittlung dieser Softskills extra Doktorandenseminare, die im Rahmen von Graduiertenschulen und Exzellenzclustern oft sogar verbindlich sind. Da kann es schon mal passieren, dass ein Doktorand zwei bis drei mal in der Woche mitten am Tag die Pipette fallen lässt, um zum Doktorandenseminar zu hetzen. Dass dadurch das gerade angefangene Experiment korrumpiert wird und er danach von vorn anfangen muss, weil alles viel zu lange bei Raumtemperatur rumgestanden hat, ist in dem Moment nicht so wichtig.

Bei der Anmeldung zur Disputation wird von der Fakultät schließlich auch abgefragt, welche Seminare, Kolloquien, etc. der Doktorand während der vergangenen Jahre so besucht hat. Stimmen Anzahl und Umfang der besuchten Veranstaltungen nicht, wird die Zulassung zum Promotionsprüfungsverfahren von der zuständigen Fakultätsmitarbeiterin verweigert. In dem Moment nützt es dann auch nichts, wenn der Promovend mehrere Nature-Publikationen als Erstautor vorlegen kann. Die Angelegenheit muss dann direkt zwischen Doktorvater und Dekan geklärt werden.

Um die Sorgen der Doktoranden aufzufangen, werden uni-intern Graduiertenzentren gegründet, in denen ehemalige Doktoranden und PostDocs den schlecht bezahlten und aussichtslosen Job übernehmen, auf die „Verbesserung der Rahmenbedingungen der Doktoranden innerhalb der Uni Einfluss zu nehmen“. Auch wegen der im Rahmen der Exzellenzinitiative gewachsenen Graduiertenschulen ist es Doktorvätern daher möglich, sich immer weiter aus dem Betreuungs-Geschäft zurückzuziehen, aber dennoch im Falle eines guten Doktoranden dessen Meriten, inklusive Autorenschaften, mit für sich einzustreichen.

Wer auf diese Weise Betreuungspflichten abgegeben hat, der hat natürlich Zeit Seminare wahrzunehmen. Beispielsweise Seminare, in denen man lernen kann, wie Doktoranden zu betreuen sind. Es gibt sie tatsächlich: Lehrangebote speziell für die PROFis….— die es doch aber eigentlich selbst wissen sollten. Die Dozenten, die diese Veranstaltungen leiten, sind Didaktiker, Pädagogen, Psychologen, Heilpraktiker und selbsternannte Expertentrainer. Vorzugsweise von weit angereist und gut bezahlt.

Es geht inzwischen so weit, dass Unis nicht-universitäre Forschungseinrichtungen wie die Max-Planck-Gesellschaft gar als Vorbild dafür anpreisen, wie gut sie ihre Doktoranden betreuen. Dabei haben diese Einrichtungen gar keine Lizenz zum Promovieren. Womit sich ein wahrlich paradoxer Zirkel schließt: Die Uni als einzig promovierende Ausbildungsstätte im Land soll von einer externen, rein auf Forschung ausgerichteten Einrichtung ohne Lehrauftrag lernen, wie man mit Doktoranden umgeht. Ein Armutszeugnis!

Männer nehmen lieber Männer

29. Juli 2014 von Kommentar per Email

(Unser Autor Leonid Schneider referiert in folgendem Text eine neue Studie, nach der in den Life Sciences insbesondere männliche Top-Forscher am liebsten weitere Männer in ihre Gruppe holen.)

Frauen sind in den oberen Rängen der Forschungshierarchie leider immer noch stark unterrepräsentiert. Gleichzeitig ist, zumindest in den Lebenswissenschaften, das Geschlechtsverhältnis unter den Studenten und sogar Doktoranden schon seit längerem gut ausbalanciert. Spätestens bei den Nachwuchswissenschaftlern aber, und erst recht unter Professoren wird die Männer-Dominanz überdeutlich. Dabei tun die Universitäten und andere Forschungseinrichtungen doch ihr Bestes, um mehr Frauen in Führungspositionen zu etablieren. Sie bieten beispielsweise Kinderbetreuung vor Ort an und weisen in jeder Ausschreibung auf die Bevorzugung von weiblichen Bewerberinnen hin. Warum schaffen es denn so wenige Frauen bis zur Professur? Eine kürzlich in PNAS erschienene Studie hat nun folgendes aufgedeckt: „in den Life Sciences stellen männliche Fakultätsobere weniger Frauen ein“. Die Autoren sind Joan Smith, Software-Entwicklerin bei Twitter, und Jason Sheltzer, Doktorand bei der ausgesprochen erfolgreichen Zellbiologin Angelika Amon am MIT in Boston.

Für ihre Analyse sammelten die Beiden die Daten von über 2.000 Doktoranden, Postdocs und anderen Fakultätsmitgliedern in 24 der angesehensten US-Forschungseinrichtungen — und zwar allesamt aus Arbeitsgruppen, die primär molekularbiologisch forschen. Diesen Beitrag weiterlesen »

„Knebelverträge gehen bald nicht mehr“

6. Mai 2014 von Laborjournal

Ende 2012 setzte die Max-Planck-Gesellschaft eine Präsidentenkommission Nachwuchsförderung ein. Von irgendwelchen (Zwischen-)Ergebnissen hat man seither noch nichts gehört. Auch an den Universitäten und anderen außeruniversitären Forschungseinrichtungen wird das Problem momentan eher verschleppt als diskutiert.

Derweil wächst es unbeeindruckt weiter. Denn eines ist klar — und war ja letztlich auch der Grund für die Bildung der MPG- und anderer Kommissionen zum Thema: Angesichts der jetzigen Entwicklung muss sich hinsichtlich der Förderung von Doktoranden und Postdoktoranden in naher Zukunft etwas ändern, sonst gerät die akademische Forschung im Wettbewerb um qualifizierten oder gar exzellenten Nachwuchs demnächst stark ins Hintertreffen.

Ein in Nachwuchs-Fragen sehr engagierter Direktor eines Bio-Instituts fasste das Dilemma letzte Woche im Gespräch folgendermaßen zusammen: „In zehn Jahren werden die Studenten der Naturwissenschaften deutlich mehr Alternativen haben. Knebelverträge wie im heutigen akademischen System gehen dann nicht mehr. Und darauf müssen wir vorbereitet sein.“

Gut für die Studenten, schlecht für die Forschung. Es sei denn, man beginnt tatsächlich bald, entsprechende Vorbereitungen zu treffen.

Meinungen dazu?

(Foto: mapoli-photo / Fotolia.com)

Wenn ich groß bin, werde ich Risikobewerter…

11. Februar 2014 von Kommentar per Email

(Gibt es einen Trend, dass in den Ausschreibungen für Life Science-Stellen die Anforderungen an potenzielle Bewerber immer „enger“ werden? Unser Autor Leonid Schneider ist überzeugt davon — und seziert als Indiz dafür die jüngsten Stellenausschreibungen des Bundesamts für Risikobewertung BfR.)

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Es gibt Jobs, für die sind nur Wenige geeignet. Astronaut zum Beispiel. Oder Bundeskanzler. Oder auch: Professioneller Risikobewerter im Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Berlin (http://www.bfr.bund.de).

Da die Aufgabe dieses Instituts — die Gefahreneinschätzung von Chemikalien, Lebensmitteln, Partikeln, etc. — sehr wichtig ist, werden potenzielle Job-Kandidaten entsprechend streng ausgewählt. Zumal diese Leute ja später auch verbeamtet werden sollen. Das Institut legt daher ganz besonderen Wert darauf, dass Wissenschaftler sich mit ihrem potenziellen Arbeitsgebiet sehr gut auskennen — am besten, schon bevor sie als Kandidaten überhaupt in Frage kommen.

Natürlich kann nicht jeder beliebige Lebenswissenschaftler oder Chemiker einfach daher kommen und vom BfR Einlass in eine Karriere verlangen. Solche Quereinsteiger sollen sich ihre alternativen Karrieren bitte schön woanders suchen. Wie ich darauf komme? Was mir schon seit einiger Zeit auffällt, ist folgendes: Bei praktisch jeder Stellenausschreibung verlangt das BfR unter den „Anforderungen“, dass die nachweisbaren Vorkenntnisse und die Berufserfahrung nahezu exakt zu dem anvisierten Aufgabenbereich passen müssen.

Bei vielen Postdoc-Ausschreibungen in der akademischen Forschung ist das inzwischen zwar auch oft der Fall, aber meist geht es hier eher um ganz bestimmte technische Methoden und weniger um präzise definierte Forschungsfelder. Das BfR jedoch geht bei seinen Stellenausschreibungen für promovierte Wissenschaftler noch einen gehörigen Schritt weiter. Diesen Beitrag weiterlesen »

Zitat des Monats (6)

22. November 2011 von Laborjournal

Eine der nettesten, ehrlichsten und vielleicht auch verantwortungsvollsten Ausschreibungen für ‚Graduate Students‘, die man sich denken kann:

(Bild anklicken für größeren PDF-file)

Vom Söhnke Johnsen Lab, Duke University.

 

 

Ungeliebte Widerlegungen

3. Dezember 2010 von Laborjournal

Aus der Reihe „Spontane Interviews, die es nie gab — die aber genau so hätten stattfinden können”. Heute: Professor G.U.T. Glaub, Veritologisches Institut Universität Wahrenstadt.

LJ: Hallo, Herr Glaub. Gerade kam eine Ihrer Mitarbeiterinnen heulend aus Ihrem Büro gestürzt. Was ist passiert?

Glaub: Eine Katatrophe ist passiert. Sie kann mit ihrer Doktorarbeit komplett neu anfangen. Die bisherigen eineinhalb Jahre völlig für die Katz — auch wenn sie nur schwer vorangekommen ist. Wenigstens wissen wir jetzt warum.

LJ: Äh… ja,… und warum?

Glaub: Kurz gesagt: Wir hatten für ihre Arbeit eine wirklich nette Hypothese aufgestellt, die auf Ergebnissen und Schlussfolgerungen eines ganz bestimmten Papers zur Chromatinstruktur beruhte. Und jetzt hat sich herausgestellt, dass dessen Folgerungen falsch sind und die betreffenden Strukturen in der Form  offenbar nicht vorkommen. Und damit ist auch unsere Hypothese futsch.

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