Die Mikrobiomik hat’s nicht leicht

6. September 2023 von Laborjournal

Schon vor knapp fünf Jahren bemerkte unser Wissenschaftnarr süffisant zum Thema:

Mittlerweile spuckt PubMed pro Tag dreißig neue Mikrobiom-Artikel aus. Kein Fach, das nicht von der Mikrobiom-Manie erfasst wurde.

Um wenig später zu ergänzen:

Immerhin konnte aufgrund der Vielzahl der publizierten Studien mittlerweile eine Reihe von Metaanalysen durchgeführt werden. Diese schlussfolgern in aller Regel, dass man eigentlich gar nichts sagen kann, da die vorliegenden Studien gewisse Qualitäts-Mindestanforderungen nicht erreichen. Und dort, wo solide und gut gemachte Studien vorliegen, liefern diese entweder neutrale oder sogar negative Resultate. So geschehen etwa kürzlich in einer relativ großen Studie an Patienten mit Reizdarm: Den Probanden in der Stuhltransplantations-Gruppe ging es am Ende schlechter als denjenigen, die mit Placebo behandelt wurden.

Und damit hat er noch nicht mal das leidige Hauptproblem der Mikrobiomik angesprochen: Nämlich dass bei der Entnahme oder Weiterprozessierung der Mikroorganismen immer wieder unbemerkt menschliche DNA mit ins Röhrchen rutscht – und die Mikrobiom-Daten am Ende auf hässliche Weise kontaminiert. Das weiß man zwar schon länger und versucht daher, mit den Referenzdaten des Humangenoms solche Falsch-Daten nachträglich wieder herauszurechnen – dennoch werden bis heute weiterhin in schöner Regelmäßigkeit solche Kontaminationen aufgedeckt.  Diesen Beitrag weiterlesen »

Irgendwann ist’s einfach gut mit Zitieren

25. März 2020 von Laborjournal

Jeder Labor-Biologe stellt mit dem pH-Meter seine Puffer ein. Doch wer zitiert dafür den dänischen Chemiker Søren Peder Lauritz Sørensen, der 1909 erstmals das Konzept der pH-Skala vorstellte?

Oder ähnliche Frage: Welcher Arabidopsis-Forscher zitiert noch den Erfurter Arzt und Botaniker Johannes Thal, der 1577 erstmals das heutige Top-Modell der molekularen Pflanzenforschung beschrieb?

Sørensen und Thal könnten so gesehen gut und gerne zu den meistzitierten Köpfen der wissenschaftlichen Literatur gehören. Tun sie aber nicht — und das ist auch richtig so. Denn irgendwann gehören Dinge einfach zum allgemeinen (Fach-)Wissen oder Handwerk — und spätestens dann sollte es mal gut sein mit Zitieren.

Aus diesem Grund zitiert auch keiner mehr Darwin, wenn er den Begriff „natürliche Selektion“ verwendet. Oder Miescher beziehungsweise Watson und Crick, wenn er über DNA schreibt. Alle Vier würden sonst sicher mit zu den meistzitierten Autoren aller Zeiten gehören.

Allerdings: Was ist dann mit Ulrich Laemmli, der 1970 das erste SDS-Polyacrylamidgel fuhr? Oder mit Oliver Lowry und Marion Bradford, die 1951 und 1976 unterschiedliche Methoden zur Proteinbestimmung entwickelten? Seit Jahrzehnten gehören die drei Methoden zur absoluten Routine in jedem biochemisch-molekularbiologischen Labor. Dennoch werden die Drei bis heute weiterhin fleißig zitiert — zuletzt jeweils runde fünfzig Mal pro Jahr.

Irgendwie scheinen die drei einfach Glück gehabt zu haben. Im Gegensatz zu vielen anderen, wie etwa dem Schweden Arne Tiselius, der 1937 die Agarosegel-Elektrophorese in der heute noch üblichen Form veröffentlichte — aber schon lange in keiner Referenzliste mehr auftaucht. Und dieses „Glück“ sorgte letztlich dafür, dass die Artikel von Lowry, Bradford und Laemmli heute die drei meistzitierten wissenschaftlichen Veröffentlichungen aller Zeiten sind.

Schön für sie! Und klar, methodische Fortschritte sind enorm wichtig für den wissenschaftlichen Fortschritt. Aber dennoch stehen Lowry, Bradford und Laemmli diesbezüglich ja wohl kaum auf einer Stufe mit Darwin, Miescher oder Watson & Crick.

Wie bitte? Ach so, ja klar — hier geht‘s ja „nur“ um Zitierungen. Und was zählen die heute schon bei der Bewertung wissenschaftlicher Leistungen?…

Ralf Neumann

Best of Science Cartoons (30)

8. Oktober 2014 von Laborjournal

Fand ein Einzeller ein Stückchen DNA…

Von Pedro Veliça via deviantART

Best of Science Cartoons (26)

23. Mai 2014 von Laborjournal

… Zum Thema „Kompetenz im Labor“:

 

(Von Pedro Velica alias Pedromics)

Nagervisionen

18. Oktober 2013 von Laborjournal

Im Sommer enthüllten Forscher des Instituts für Zytologie und Genetik der Russischen Akademie der Wissenschaften in Novosibirsk das folgende Denkmal:

Damit wollen sie insbesondere daran erinnern, welch wertvolle Dienste Mäuse und Ratten der biomedizinischen Forschung bis heute geleistet haben.

Nett gedacht, sicher — und schön anzuschau’n ist’s auch. Allerdings, man mag sich lieber nicht vorstellen, dass das Abbild einmal Wirklichkeit werden könne — und Mäuse und Ratten tatsächlich mal DNA „zusammenstricken“….

 

Best of Science Cartoons (19)

20. August 2013 von Laborjournal

(Von Clontech Cartoons.)

Wohin mit dem Riesen-Virus?

19. Juli 2013 von Laborjournal

So sehen sie also aus, die „Kolosse“ der neuen Gattung Pandoravirus, die gerade für so viel Aufregung sorgen:

(Elektronenmikroskopische Aufnahme: Chantal Abergel and Jean-Michel Claverie)

Gefunden wurde der „Brocken“ von französischen Forschern der Universität Aix-Marseille in australischem Schlamm. Beschrieben haben sie ihn gerade in Science (Vol. 341(6143): 281-86, plus Kommentar auf S. 226-27).

An dieser Stelle nur die wichtigsten Kennzahlen des neuen Größen-Rekordhalters:

  • Größe knapp 1 Mikrometer — „normale“ Viren sind im Schnitt 20mal kleiner;
  • DNA-Genom von 2,5 Mbp — mehr als viele Bakterien und sogar die kleinsten eukaryotischen Parasiten (etwa Encephalitozoon intestinalis mit 2,3 Mbp);
  • 2.556 Protein-kodierende Gene — „normale“ DNA-Viren haben 10 bis 300, Bakterien zwischen 180 und 7.000;
  • Nur 7 Prozent dieser Gene haben irgendwelche Analoge in den gängigen Datenbanken, 93 Prozent sind also offenbar komplett neu.

Alles zusammen, aber vor allem Letzteres lässt gerade viele darüber spekulieren, ob die Gattung Pandoravirus gar womöglich zu einer vierten Domäne des Lebens gehören könnte. Schließlich kann Pandoravirus mit dieser genetischen Ausstattung nicht auch nur annähernd auf eine der bekannten zellulären Linien zurückgeführt werden.

Sicher, Viren leben ja streng genommen gar nicht — und auch Pandoravirus kann sich nicht frei, sondern nur in seinem Amöbenwirt Acanthamoeba castellanii replizieren. Das Szenario zur „Vierten Domäne“ jedoch ist vielmehr, dass Pandoravirus sich womöglich erst sekundär aus einer primitiven und bisher völlig unbekannten Einzeller-Linie zum parasitären Virus zurück reduzierte.

Oder wie Elisabeth Pennisi es in ihrem Science-Kommentar ausdrückt:

Most of the pandoravirus genes don’t look like any genes in known databases, suggesting the viruses originated from a totally different primitive cellular lineage than bacteria, archaea, and eukarya. The tree of life may need to be redrawn to account for these new viruses, some researchers say.

(Weitere Artikel zu Pandoravirus hier, hier und hier)

„More Than A Freezer“

25. Juni 2012 von Laborjournal

Wir wiesen auf diesen Seiten ja bereits zuvor auf die zunehmenden Versuche von Laborausstatter-Firmen hin, mehr oder weniger witzige Werbe-Musikvideos für das Web zu produzieren (etwa hier, hier und hier). Das jüngste Werk kommt von Thermo Scientific und heißt „More than a Freezer“:

(Hier gibt’s das Original: „More than a Feeling“ von Boston.)

Ach ja, und bisher entgangen war uns der „Bio Rad GTCA Song“:

(Hier das Original: „YMCA“ von den Village People.)

Schlampige Zitate im Genom

16. März 2011 von Laborjournal

Bekam Beschwerden wegen unsauberer "DNA-Zitate": James Craig Venter

(Mit Update vom 16.3., 15 Uhr !)

Zitate sind eine sensible Sache. Herr zu Guttenberg musste dies erst kürzlich schmerzhaft lernen — während die Wissenschaft genau aus diesem Grund das Zitieren unter allerstrengste Regeln stellt.

Nicht ganz ohne Ironie daher, dass kein Geringer als Genom-Guru James Craig Venter kürzlich auf einer Tagung zugeben musste, dass er schlampig zitiert habe.

Wir erinnern uns: Im Mai letzten Jahres gab Venter bekannt, dass sein Team das Genom von Mycoplasma-Bakterien komplett und funktional durch DNA ersetzt habe, die sie zuvor mit ihren Maschinen synthetisiert hatten. Nicht wenige feierten die ganze Sache als „erste synthetisch geschaffene Lebensform„, andere waren dagegen durchaus kritischer.

Wie auch immer — Venters Kollegen hatten damals mehrere berühmte Zitate in den synthetischen DNA-Strang hineinkodiert, um ihn von der nativen Mycoplasma-DNA unterscheiden zu können. Zwei davon bescherten Venter später Post. Diesen Beitrag weiterlesen »

Dreckige Genome

18. Februar 2011 von Laborjournal

Der Mensch mischt mit. So wie sie derzeit in den einschlägigen Datenbanken stehen, sind mindestens ein knappes Viertel aller Genomsequenzen von Nicht-Primaten mit menschlichen DNA-Sequenzen durchsetzt.

US-Forscher um Rachel O’Neill von der University of Connecticut nahmen sich sämtliche Genome aus vier Datenbanken vor: den Genome Browsern des Joint Genome Institute, des National Center for Biotechnology Information (GenBank) und der University of California, Santa Cruz, sowie der Datenbank Ensembl des European Bioinformatics Institute (EBI).

All diese Sequenzen screenten sie nach human-spezifischen repetitiven AluY-Elementen. Diese sind zwar keine 300 Basenpaare lang, kommen aber etwa eine Million Mal im Humangenom vor. Das Ergebnis: Von 2.057 untersuchten Genomsequenzen enthielten 454 AluY-Sequenzen — das macht 22,4 Prozent (PLoS ONE 6(2): e16410). Diesen Beitrag weiterlesen »