„Die Firma lügt einen glatt an!“

21. Februar 2014 von Laborjournal

Aus der Reihe „Spontane Interviews, die es nie gab — die aber genau so hätten stattfinden können”. Heute: Prof. F. Rust, Zytostatisches Institut Universität Nullwachsingen.

LJ: Hallo Frau Rust, wie geht’s den Zellen?

Rust: Sie wachsen wieder. Endlich! Fast ein ganzes Jahr hat uns diese blöde Firma gekostet…

LJ: Wie bitte? Das hört sich interessant an…

Rust: Interessant? Ein schmeichelhafter Begriff für eine Zeit, in der nichts mehr ging. Von einem Tag auf den anderen wuchsen unsere Zellen nicht mehr, von Differenzieren ganz zu schweigen. Und wir kamen und kamen nicht dahinter, warum…

LJ: Muss doch letztlich irgendwie an dem Medium gelegen haben, oder?

Rust: Ja, sicher. Monatelang wuchsen die Zellen in einem ziemlich teuren Medium, dem wir noch ein paar „Supplements“ zugesetzt hatten. Natürlich habe ich gleich bei der Firma nachgefragt. Aber die haben nur gesagt, sie hätten nichts an dem Medium geändert. Und im Übrigen würden sie es immer wieder stichprobenartig testen…

LJ: Und dann…? 

Rust: … testeten wir alle unsere Zusätze durch: Lipide, Cytokine, Wachstumsfaktoren, Antibiotika,… Wochen hat das gedauert — ohne jeglichen Erfolg. Die Zellen wuchsen einfach nicht. Also weiter: Waren es die Plastikgefäße, der Inkubator, der Gasmix,…? Inzwischen war ein halbes Jahr vergangen und wir dachten tatsächlich langsam daran, das Projekt zu beenden. Eine fürchterliche Situation hinsichtlich unserer laufenden Grants, Stipendien und Doktorarbeiten — ganz zu schweigen von dem immer weiter klaffenden „Publikationsloch“. Am schlimmsten aber war, dass die ganze Gruppe und ich auf dem absoluten moralischen Nullpunkt angekommen waren.

LJ: Und dann kam die Rettung…?

Rust: Wie man’s nimmt. Bei einem Telefonat erzählte ich einem befreundeten Kollegen von unserem Frust. Der merkte sofort auf und sagte: „Im Nachbarlabor plagen sie sich schon seit Ewigkeiten mit genau dem gleichen Problem.“ Das war das Stichwort. Ich rief also einige Labors an, die mit ähnlichen Zellen arbeiten — und tatsächlich: In England, den USA, Japan, Australien und weiß Gott wo noch hatten viele den gleichen Ärger mit ihren Zellen.

LJ: Also doch das Medium?

Rust: Natürlich. Und fast jeder hatte bei der Firma angerufen. Aber jedem einzelnen hatten die die gleiche Antwort gegeben wie uns: „Nichts geändert, immer noch das gleiche alte Rezept.“ Und das ist einfach eine Sauerei! Die bekommen dutzendfach Feedback aus aller Welt, dass mit ihrem Medium offenbar etwas nicht stimmt — und geben nicht zu, dass es ein Problem damit geben könnte. Noch schlimmer — sie lügen einem glatt ins Gesicht und behaupten unschuldig: „Nein, es hat sich noch niemand mit ähnlichen Problemen bei uns gemeldet.“

LJ: Extrem dumm gelaufen!

Rust: Ja. Ich versteh‘ das immer noch nicht: Warum rufen die nicht die Käufer einer verpfuschten Produktion einfach an und sagen ihnen: „Das war nix, schmeißt das Zeug in den Müll — ihr habt übermorgen eine neue Kiste auf dem Tisch, die funktioniert.“? Stattdessen hoffen sie, dass die Kunden, also wir Wissenschaftler, nicht untereinander darüber reden — und dass so der gute Name erhalten bleibt und sie weiter verkaufen können. Leider ist das ja auch oft so. Ist doch peinlich, den Kollegen zu sagen, dass man mit den einfachsten technischen Dingen Probleme hat.

LJ: Und jetzt haben Sie ein anderes Medium?

Rust: Ja, klar. Hat auch wieder eine Weile gedauert, aber funktioniert jetzt wunderbar. Und dreimal dürfen Sie raten, bei welcher Firma wir jetzt gar nichts mehr kaufen…

(Inspiriert durch diesen Post auf Naturally Selected)

 

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