Abgewehrte Attacken

30. August 2013 von Laborjournal

Aus der Reihe „Spontane Interviews, die es nie gab — die aber genau so hätten stattfinden können”. Heute: Prof. D.S. Kalier, Traktologisches Institut Universität Kiepkuhlingen.

LJ: Hallo, Herr Professor Kalier, Sie kommen mit einem auffällig amüsierten Lächeln aus dem Seminarraum. Gibt’s einen speziellen Grund?

Kalier: Klar, mein Doktorand hat sich im Kolloquium gerade prima geschlagen.

LJ: Gute Ergebnisse, klar und eindringlich vorgetragen?

Kalier: Das auch. Aber das ist nicht wirklich, was mich so amüsiert.

LJ: Was denn?

Kalier: Na ja, das ist eine etwas längere Geschichte, die damit anfing, dass mir jemand aus der Medizinischen Fakultät gesteckt hatte, dass meine zwei speziellen Freunde Gall und Stichel zu seinem Vortrag kommen würden.

LJ: ‚Spezielle Freunde‘? Wie meinen Sie das?

Kalier: Natürlich nicht im wörtlichen Sinn. Sagen wir’s kurz und klar: die Beiden mögen mich nicht! Es begann damit, dass ich vor Jahren mal deren Ergebnisse kritisiert habe. Sie hatten bei bestimmten Kontrollen nicht richtig aufgepasst und waren daher dummerweise einigen Falsch Positiven aufgesessen. Darauf brach das ganze Projekt in sich zusammen. Sicher ein Schock, aber so was kann durchaus mal passieren.

LJ: Und von da an waren Gall und Stichel ihre ’speziellen Freunde‘?

Kalier: Ja. Sie ließen keine Gelegenheit aus, mir gegen den Karren zu fahren. Was mir selbst allerdings nie irgendwelchen Schaden zufügte…

LJ: Und jetzt kamen die Beiden zum Vortrag ihres Doktoranden…?

Kalier: Ich sehe, Sie haben verstanden. Ja, ich musste befürchten, dass sie unseren Konflikt auf dem Rücken meines Doktoranden weiter austragen wollten. Daher nahm ich ihn vor ein paar Tagen zur Seite, erklärte ihm die Situation und warnte ihn eindringlich, dass Gall und Stichel womöglich versuchen würden, seinen Vortrag vor versammelten Publikum nach allen Regeln der Kunst zu zerpflücken und lächerlich zu machen. Nur um letztlich mir eins auszuwischen…

LJ: Und dann?

Kalier: Ich war selbst ziemlich überrascht, als er lächelnd sagte: „Gut, dass ich das weiß. Ich werde mich darauf vorbereiten. Machen Sie sich keine Sorgen.“ Und mit einem geradezu unverschämten Grinsen fügte er noch hinzu: „Notfalls habe ich ja noch meinen schwarzen Gürtel in Karate.“

LJ: Und wie lief es dann gerade?

Kalier: Wie ich es vorausgesehen hatte. Doch mein Doktorand blieb — sehr zu meinem Amüsement — klarer Punktsieger. Auch ohne Karate. Zuerst hob Stichel zu einem Monolog an, referierte eloquent über irgendetwas, das nur bedingt mit dem Vortrag zu tun hatte und schloss mit der Totschlag-Frage: „Haben Sie dazu irgendwelche Kommentare?“ Bekanntes Schema, um jemanden schlecht aussehen zu lassen. Mein Doktorand jedoch hatte ihm die ganze Zeit über mit leichtem Grinsen in die Augen geschaut, blieb ruhig bis zum Schluss und sagte dann nur: „Nein, habe ich nicht. Aber danke für diese völlig neue Querverbindung zu meinem Projekt, ich werde darüber nachdenken.“ Und auch das Publikum musste grinsen, als er mit den Worten fortfuhr: „Hat jetzt jemand noch eine Frage?“

LJ: Und Gall?

Kalier: Der startete umgehend die nächste Attacke. „Ich denke, wenn unser altehrwürdiger Professor Gründ jetzt hier wäre, würde er folgendes einwenden…“, begann er. Und dann folgten drei, vier Sätze Blahblah mit einem gerade so wahrnehmbaren Fragezeichen am Ende.

LJ: Und dann?

Kalier: Na ja, mein Doktorand erwiderte nur trocken: „Aber Gründ ist leider nicht hier.“ Und das Publikum, das natürlich längst den Braten gerochen hatte, brach in schallendes Gelächter aus.

LJ: Worauf Gall und Stichel wahrscheinlich nur noch ihre Schnäbel halten konnten.

Kalier: Genau. Selbst sie hatten kapiert, dass die Schlacht verloren war — und jedes weitere Wort die Niederlage nur noch verschlimmern würde.

LJ: Schöne Geschichte. Leider kommen solche unfairen persönlichen Scharmützel bei Vorträgen ja öfter vor. Und nicht immer mit solch günstigem Ausgang. Welchen Rat können Sie angesichts ihrer Erfahrungen diesbezüglich geben?

Kalier: Nun, das Beispiel hat es doch gezeigt: Man kann sich auf solche Situationen durchaus vorbereiten, sie mental durchspielen und auch gewisse Antworten auf bestimmte Attacken vorbereiten. Dann ist man schon mal nicht so geschockt, wenn die Attacke dann tatsächlich kommt. Abgesehen davon, dass es einen sowieso grundsätzlich sicherer und souveräner macht. Und im Idealfall fällt es einem dann nicht nur leichter, die richtigen und verdienten Antworten zu geben — sondern es bringt einem womöglich sogar einen gewissen Spaß.

LJ: Was bei Ihrem Doktoranden ganz offensichtlich der Fall war.

Kalier: Offensichtlich!

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