Muster ohne Wert

6. Februar 2013 von Laborjournal

“Oh Gott, das war wieder einer der typischen Bioinformatik-Vorträge.” Der kürzlich so aufstöhnte, war ein Biochemiker. Zuletzt musste er in seinem Feld immer mehr von “diesen Bioinformatikern” begegnen. Wie in so vielen anderen Feldern auch.

“Nur reine Waschlisten”, klagte er weiter. “Warum gewisse Muster innerhalb des analysierten Monster-Datensatzes hier überrepräsentiert sind, dagegen dort kaum vorkommen. Dass es darin soundsoviel Prozent von diesem gibt, und soundsoviel von jenem. Und dann zeigt er uns strahlend, dass Proteine, die offenbar an der Transkription beteiligt sind, auffällig viel Glutamin enthalten. Als ob es dazu nicht schon einen Rattenschwanz an biochemische Daten geben würde. Und als ich ihn dann etwas ketzerisch nach einer Erklärung für die Glutamine fragte, hob er nur dumm-grinsend die Schultern.”

Der Vorwurf ist bekannt: Während die sogenannte Computational Biology (meist) tatsächlich Software einsetzt und entwickelt, um wohldefinierte biologische Fragen anzugehen, ergeht sich die Bioinformatik allzu oft in der reinen Anwendung ihrer Tools zum “Data Mining” großer Datenreihen. Das reicht ihnen dann auch meistens. Was die geschürften “Nuggets” dann für die Biologie des untersuchten Systems bedeuten, fragen viele Bioinformatiker noch nicht mal. Wohl auch, weil ihnen oftmals immer noch die adäquate biologische Ausbildung fehlt. (Oder auch, weil die Biologen es umgekehrt nicht verstehen, ihre Fragestellungen in der Form aufzubereiten, wie Bioinformatiker es für ihre Arbeit brauchen.)

“Die Bioinformatik ist einfach weiterhin ein unreifes Feld”, ereiferte sich unser Biochemiker weiter. “Ich verstehe ja, dass es immer noch zu wenig Leute gibt, die jeweils  fest mit einem Fuß in beiden Welten stehen. Was ich aber nicht verstehe, ist, dass sie dann nicht mal bei einem Biologen vorbeischauen und zumindest versuchen, gemeinsam die reinen Rechner-Resultate in einen sinnvollen, größeren biologischen Kontext zu stellen. Stattdessen bleibt es auf diese Weise oftmals reiner Selbstzweck, ohne unmittelbaren Wert. Was aber noch viel schlimmer ist: Deren Zeug wird dann genauso bezugslos veröffentlicht — und nicht mal in den schlechtesten Journals.”

Klingelt da nicht was? Gab es nicht schon mal ähnliche Probleme mit den Kristallographen? Haben die sich nicht auch lange Zeit ziemlich selbstverliebt an den erstellten Proteinstrukturen und deren jeweiligen “Auffälligkeiten” ergötzt? Und präsentierten sie die Strukturen damals nicht genauso oft mit allenfalls marginalem Bezug zur biologischen Funktion? Und kamen damit trotzdem direkt in den besseren Blättern unter?

“Oh ja”, erinnerte sich unser Biochemiker. “Das ging eine ganze Weile, dass die kaum den Sprung machten, was einem die Struktur des Makromoleküls denn nun über dessen Biologie sagen könnte. Doch das ist vorbei, heute machen sie das. Geht ja auch nicht anders: Für reines Strukturauflösen alleine gibt es schon länger keine Forschungsgelder mehr.”

Könnte der Bioinformatik durchaus auch drohen.

(Inspiriert durch diesen Blog-Beitrag)

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