Es geht um Molekulargewichte und wofür wir sie im Labor brauchen. Für die meisten Wissenschaftler sind Molekulargewichte nichts weiter als eine kleine Unannehmlichkeit auf dem Weg, eine Lösung bestimmter Molarität herzustellen — oder gar einen Puffer zu mixen. Und genau dies stand kürzlich mal wieder an…
Konkret wollte ich im Wägeraum eine Lösung aus zwei Substanzen in jeweils verschiedener Molarität ansetzen. Beide Reagenzien standen dort in den gewohnten weißen Gefäßen mit rotem Deckel — und beide offenbar erst seit kurzer Zeit. Dies war offensichtlich, da sich neuerdings die Chemikalien des betreffenden Unternehmens durch das Fehlen einer entscheidenden Informationen auf Etikett oder Verpackung auszeichnen — weit und breit keine Angabe des Molekulargewichts.
Ich wägte meine Optionen ab. Ich konnte entweder zurück ins Labor latschen und nach Chemikalien-Handbüchern suchen, oder ich konnte in mein Büro gehen und die gewünschten Molekulargewichte im Internet recherchieren. Während ich noch unentschlossen die Regale anstarrte, fiel mein Blick plötzlich auf ein paar alte Kataloge, die sich in einer Ecke versteckten. Ich blätterte also die Monster-Schinken durch — und fand eines der gesuchten Gewichte. Die andere Substanz war jedoch nirgendwo aufgeführt.
Also wanderte ich schließlich doch den ganzen Weg zu meinem Büro am anderen Ende des Gebäudes zurück und befragte das Internet nach der letzten fehlenden Information, mit der ich meine eigentlich simple Aufgabe endlich beenden konnte. Logisch, dass ich auf all diesen Umwegen deutlich mehr Zeit verbraten musste als früher, wo man die Molekulargewichte noch bequem auf dem Etikett ablesen konnte.
Genauso unnötig ist es wohl zu erwähnen, dass ich mächtig sauer war. Auch durch eine kurze Suche im Internet konnte ich nicht herausfinden, was die Änderung der Kennzeichnungsstrategie der Firma verursacht hat — geschweige denn, wie sie womöglich begründet wird. Was bleibt, sind daher nur vage Vermutungen — etwa die, dass sie etwas Geld für Tinte sparen will; oder aber, dass irgendein seltsames Gesetz neuerdings die offene Angabe von Molekulargewichten verbietet, um mutmaßlichen Terroristen das Herstellen von Bomben so schwer wie möglich zu machen.
Wie auch immer, die beiden betreffenden Gefäße sind nun von Hand mit den zugehörigen Molekulargewichten verziert — fetter, schwarzer Permanent-Marker auf weißem Grund. Und wenn man sich im Wägeraum genauer umschaut, wurden auch schon andere Flaschen, Tonnen und Gefäße Opfer dieser absolut überflüssigen Selbsthilfe-Technik.
Schlagworte: Etikett, Firma, Katalog, Labor-Tools, Laborzulieferer, Lösung, Puffer, Wiegen
Das Ganze war auch schon Thema in Derek Lowe’s Blog In the Pipeline — und zwar unter dem Titel „Disappearing Information, Courtesy of Aldrich Chemical“. Interessant sind auch die darunter anschließenden Kommentare Nummer 10…
… und 12:
Habe mich sehr über den Artikel gefreut, da ich gerade gestern dasselbe Problem hatte.
ein periodensystem, ein taschenrechner und zwei minuten zeit lösen das problem.