Die Forschergemeinde macht mobil gegen das Geschäftsgebahren des Scientific Publishing-Giganten Elsevier. Schon lange geht es vielen auf den Geist, dass man die Elsevier-Journals für großes Geld kaufen muss, um die Ergebnisse der Kollegen, inklusive der eigenen, lesen zu können — obwohl diese zum allergrößten Teil durch die Leistungen Steuerzahler-geförderter Forschung entstanden sind.
Das Fass zum Überlaufen brachte jetzt offenbar der neueste Geschäftstrick der Holländer, nach dem man Zeitschriften nur noch in „Bündeln“ abonnieren kann. Konkret heißt das, dass Bibliotheken Elsevier-Edelblätter wie etwa die Cell-Journals im Paket mit etlichen ungewollten „Ladenhütern“ bestellen müssen, die kaum einen interessieren. Und das kostet natürlich gleich mal einen ganzen Happen mehr als die jeweiligen Edelblätter alleine.
Die Community jedenfalls scheint jetzt ernst zu machen. Seit einigen Tagen läuft auf der Seite „The Cost of Knowledge“ folgende Protestaktion gegen die Elsevier-Politik, in der die Unterzeichner erklären, dass sie den Verlag jetzt solange boykottieren werden, bis er sein Geschäftsmodell radikal ändert:
(Mehr Details dazu gibt es auch auf der Seite des Initiators, Fields-Medaillen-Gewinner Tim Gowers.)
Bislang haben auf der Seite über 1.600 Forscher Elsevier wissen lassen, dass sie für den Verlag in Zukunft…:
… won’t publish, won’t referee, won’t do editorial work.
Von Sonntag nachmittag auf Montag morgen alleine sind knapp 300 neue Unterzeichner dazugestoßen. Es könnte also tatsächlich eine „kritische Masse“ zusammenkommen. Durchaus zurecht, wie auch wir von der Laborjournal-Redaktion meinen.
Schlagworte: Bibliothek, Boykott, Elsevier, Protest, Unterzeichner, Verlag
Jetzt, weitere 5 Stunden nach Veröffentlichung des Beitrags, sind’s schon über 1.700 Unterzeichner…
Da gäbe es dann auch noch Thieme und Springer…
http://www.nzz.ch/nachrichten/hintergrund/wissenschaft/ein_baerendienst_an_der_forschung_1.14511447.html
Bereits Mitte des Monats geißelte der englische Geoforscher Mike Taylor im Guardian das forschungsfeindliche Geschäftsverhalten der großen Wissenschaftsverlage — Titel des Artikels: Academic publishers have become the enemies of science.
Darauf antwortete jetzt ebenfalls im Guardian Graham Taylor, Director of Academic, Educational and Professional Publishing at the UK Publishers Association: Branding academic publishers ‚enemies of science‘ is offensive and wrong.
Ersterer Artikel hat bislang 81 Kommentare, letzterer sammelte seit gestern bereits deren 39. Ein heißes Thema offenbar.
… und der Boykottaufruf gegen Elsevier hat nun schon 2.000 Unterzeichner — macht einen Zuwachs von 25% innerhalb von weniger als 24 Stunden….
…und was Frank Wilhelm Mauch von der Uni Saarland dazu schrieb, hat mir besonders gut gefallen:
„Possible reply to requests: Dear colleague, thank you for the invitation to review a paper for your journal. I see that this journal is published by Elsevier, a for-profit publishing company with large profit margins. In particular, Elsevier charges unduly high subscription charges, augmented by its policy to package journals. While I am confident that the editorial board of your journal is behaving ethically, the same cannot be said for all Elsevier journals, including some we have to subscribe to as part of the package. Given this huge investment with low value for money my university has to make towards Elsevier subscriptions, I cannot use my university-paid time to review for Elsevier – this would charge my University twice. The only way how I would be able to review your journal is to do so as a freelancer in my spare time, on my own bill. My hourly rate for reviewing is 200 Euros plus taxes and I assume it will take me two hours for the initial review this paper, which is not a lot of money relative to the profit this article can generate. Yours sincerely…“
Nachschlag zum Thema auf Laborjournal online.
US-Forscher und Open Science-Aktivist Jonathan Eisen hat auf seinem Blog The Tree of Life einen Vorschlag, wie man den Protest noch ausdehnen kann — Elsevier einfach ignorieren:
… Allerdings zog er diesen Vorschlag umgehend zurück, da er dafür sogleich Prügel von großen Teilen der Community bekam. Blogger DrugMonkey etwa schrieb:
Und er ergänzte auf seinem Twitter-Account:
Okay, Recht hat der Mann.
Ein paar Stunden nachdem ich unterzeichnet habe, bekam ich die Einladung zum Peer Review für ein Elsevier-Journal und konnte mit dem Verweis auf
http://thecostofknowledge.com/ ablehnen.
Die Liste ist ja schön und gut und kann langfristig auch einen Effekt haben, aber um Elsevier richtig zu treffen müßten die derzeitigen Editoren der diversen Zeitschriften mitspielen und in den Streik treten bzw. von ihren Posten zurücktreten. Die würde zumindest zu Verzögerungen beim Erscheinen der Journals führen und damit direkt das Geschäft des Verlages beinflussen. Ich bin jedoch skeptisch ob jemand seinen/ihren prestigeträchtigen Editorenposten für diesen Zweck aufgeben wird.
Aktueller Stand 48 Stunden nach Einstellen unseres Beitrags: 2530 Unterschriften. Das sind über 900 Neu-Unterzeichner seitdem.
Science hat die Aktion jetzt auch bemerkt, deren Text erschien gestern kurz nach Zwölf und zählt 2.600 Unterzeichner. Jetzt, einen Tag später um 13:30 Uhr, fehlen noch 20 Unterzeichner bis zur 3.000er-Marke.
Der Wissenschaftler-Boycott ist bei der Börse angekommen. Die Elsevier-Aktien setzen seit den Börsenberichten über den Boycott zur Talfahrt an. Da jetzt einige Milliarden Euro auf dem Spiel stehen, kann es nicht mehr lange dauern, bis das Management des Konzerns einknickt:
http://www.finanznachrichten.de/nachrichten-aktien/reed-elsevier-nv.htm
… und die Zahl der Unterzeichner ist aktuell bei 5878.
… die werden immer frecher:
Weiter unter: http://www.ethlife.ethz.ch/archive_articles/120217_bibliothek_neubauer/index