Bei Originalartikeln ist die Formulierung des Titels ja ziemlich festgelegt. Anders ist dies bei Reviews, News & Views, Opinion Pieces, Essays und anderen ähnlichen wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Da haben die Autoren mehr kreative Freiheit für die Titelzeile — und bisweilen nutzen sie diese sogar.
Gar nicht mal so selten kommt es dabei zu Anleihen bei den Titeln allseits bekannter Romane, Filme oder Songs:
- Sehr schön etwa die Hommage an den Sänger Paul Simon, zu welcher Steven Block seinen Cell-Review über Myosinmotoren nutzte: „Fifty Ways to Love Your Lever“.
- Oder R.B. Macks Verneigung vor Tennessee Williams‘ Werk mit seinem Titel „Khat on a hot tin roof. Catha Edulis intoxication.“
- Reichlich Verwendung fand auch Stanley Kubricks Kinoklassiker „Dr. Strangelove or: How I Learned to Stop Worrying and Love the Bomb“. Die Phrase „How I Learned to Stop Worrying and Love…“ drängt sich ja auch geradezu auf, um etwa „…nucleus accumbens“, „…calcineurin“ oder „…glycophospholipids“ anzuhängen.
- Ähnlich häufig erhielt Woody Allens Frühwerk „Everything You Always Wanted to Know About Sex (But Were Afraid to Ask)“ die Ehre. Etwa in dem Workshop-Bericht „Everything you always wanted to know about sex … in flies“. Oder in dem Hirn-Bildgebungs-Review „Everything you never wanted to know about circular analysis, but were afraid to ask“. Wie auch in dem Proteinkinasen-Datenbank-Bericht „The Protein Kinase Resource: everything you always wanted to know about protein kinases but were afraid to ask.“
- Noch mehr Beispiele gibt es natürlich — aus naheliegenden Gründen — zu dem John Steinbeck-Klassiker „Of mice and men“. Siehe etwa hier, hier oder hier.
- Sicher origineller dagegen die Anlehnung an den Nirvana-Hit „Smells Like Teen Spirit“ für die Titelzeilen „Smells Like Clean Spirit: Nonconscious Effects of Scent on Cognition and Behavior“ und „Smells like sib spirit: kin recognition in three-spined sticklebacks (Gasterosteus aculeatus) is mediated by olfactory cues“.
- Wiederum eine Steilvorlage lieferte Milan Kundera mit seinem Roman „The Unbearable Lightness of Being“. Dankbar angenommen und verwandelt etwa in „DNA replication: the unbearable lightness of origins“, „The unbearable lightness of being … a cirrhotic“ oder — vielleicht etwas zynisch — „The unbearable lightness of myocardial infarction“.
- Natürlich kam auch folgender Western-Klassiker diesbezüglich zu Ehren: „Magnificent seven: roles of G protein-coupled receptors in extracellular sensing in fungi“. Ebenso sein Nachfolger: „Substance K receptor: return of the magnificent seven“
- Auch die Rolling Stones wurden bedacht: Beispielsweise mit „Sympathy for the devil: the role of thromboxane in the regulation of vascular tone and blood pressure“ oder „I can’t get no satisfaction: still no neuroprotection for Parkinson disease“.
- An einen Erfolgsfilm mit Jack Nicholson erinnert „One Flew over the Progenitor’s Nest: Migratory Cells Find a Home in Osteoarthritic Cartilage“. Ebenso, wie Kevin Kostners Indianerepos „Dances with Wolves“ in dem Bacillus subtilis-Artikel „Dances with Sigmas“ durchschimmert.
- Und ganz sicher hatten die Autoren die UK-Band Pink Floyd im Sinn, als sie ihrem PLoS ONE-Artikel den Titel gaben: “The Dark Side of the Salad: Salmonella typhimurium Overcomes the Innate Immune Response of Arabidopsis thaliana and Shows an Endopathogenic Lifestyle.”
Ein Teil dieser Beispiele kommt von dieser Sammlung, die letztlich auch die Suche nach weiteren Titeln motivierte. Aber damit ist ganz sicher noch lange nicht Schluss. Wer hat noch mehr Beispiele? Im Kommentarfenster unten ist noch viel Platz…
Danke für die netten Beispiele! Ich habe da auch noch eines in meiner Zotero Sammlung:
Hatten diese Autoren etwa gerade einen knurrenden Magen?
„Zebrafish in hematology: sushi or science?“
Carradice, D. ; Lieschke, G. J.: Zebrafish in hematology: sushi or science? In: Blood Bd. 111 (2008), Nr. 7, S. 3331 -3342
Auch der Jerry Lee Lewis-Hit „Whole lotta shakin‘ going on“ stand mehrmals Pate — etwa beim Trend in Genetics-Review „A whole lotta jumpin‘ goin‘ on: new transposon tools for vertebrate functional genomics“.
Der AC/DC-Kracher „Whole Lotta Rosie“ wurde dagegen noch in keinem Paper gewürdigt. Obwohl so mancher Fliegenforscher die Floskel „Whole Lotta Drosi“ sicher leicht einbauen könnte. Gibt es denn keine Hardrocker unter den Drosophilisten?
Sehr beliebt ist auch Charles Dickens „A Tale of Two Cities“, das sich perfekt für Vergleiche eignet: A tale of two…genomes / worlds / lifecycles / etc. Mein Favorite ist aus Molecular Ecology (The tales of two geckos: does dispersal prevent extinction in recently fragmented populations? M. HOEHN, S. D. SARRE and K. HENLE, vol 16: 3299 – 3312, 2007), dessen Titel im Editorial der Ausgabe unter „The tails of two geckos tell the story of dispersal in a fragmented landscape “ sogar noch verbessert wurde. (Die DNA Proben der Geckos wurden tatsächlich aus deren Schwanzspitzen isoliert.)
Bereits 1990 wurde Shakespeare gleich zweimal in einem Paper bedacht: „Chemotherapy for advanced bladder cancer: ‚Midsummer Night’s Dream‘ or ‚Much Ado About Nothing‘?“
Und Bob Dylans Titel wurden natürlich nicht nur von Musikerkollegen vielfach gecovert:
# „All along the watchtower: on the regulation of apoptosis regulators.“
# „Blowin‘ in the wind – the transition from ecotype to species.“
# „Going, going, gone: is animal migration disappearing.“ (oder auch: „Going, going, not quite gone: nucleomorphs as a case study in nuclear genome reduction.“)
# […]
Shakespeare ist in der Tat ein Dauerbrenner. Auch im „Journal of Bone and Joint Surgery“ im März 2001 etwa, in dem folgende auf den Nägeln brennende Frage gestellt wird:
„BMP3: To Be or Not To Be a BMP“
(hier kann man’s nachlesen: http://www.jbjs.org/article.aspx?Volume=83&page=s56)
So, und ehe ich mich jetzt wieder an die Arbeit mache, folgt hier noch das ultimative Hardrock-Paper (Hardrocker gibt’s nämlich doch, zumindest unter den Zahntechnikern!):
Know when to say „when“ in endodontics: smoke on the water.
(http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/15559459)
Da-Da-Daaaa, Da-Da-Dada…Da-Da-Daaaa, Dada!
Es gibt einen Song von U2, dessen Titel könnte gleichsam für vielerlei Forschungsmühen stehen — in einem Paper-Titel findet ihn PubMed jedoch nur ein einziges Mal: „Screening for lung cancer in a high-risk group: but I still haven’t found what I’m looking for…“
Noch ein Hard-rock Klassiker nach einem Van Halen Song:
Runnin‘ with the Dvl: Proteins That Associate with Dsh/Dvl and Their Significance to Wnt Signal Transduction ☆
Keith A Wharton Jr.
http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0012160602908699
Ganz frisch, mit einer Tarantino-Hommage
From Dusk till Dawn: One-Plasmid Systems for Light-Regulated Gene Expression
Robert Ohlendorf 1, Roee R. Vidavski 2, Avigdor Eldar 2,
Keith Moffat 3, 4⁎ and Andreas Möglich 1, 3⁎