Sinn oder Nicht Sinn

17. November 2011 von Laborjournal

Im September 2008 brachten wir in Lab Times ein Editorial über eine etwas … hrrm… na ja … sagen wir:… skurille Studie aus den Proc. Natl. Acad. Sci USA. Ein deutsch-tschechisches Team hatte Bilder von Kuhherden ausgewertet, die sie über Google Earth heruntergeladen hatten — und war sich am Ende sicher: Die Kühe richten sich auf der Weide statistisch auffällig in Nord-Süd-Richtung aus, verfügen also offenbar — so deren Schlussfolgerung — über einen Magnetsinn, der sie die magnetischen Feldlinien der Erde wahrnehmen lässt.

Wie man dem Lab Times-Editorial entnehmen kann, war uns die Geschichte schon damals eher ein — begründetes — Augenzwinkern wert. Und so bekamen wir gar nicht mit, dass sie noch viel weiter ging. Asche auf unser Haupt, denn jetzt hat Nature die mindestens genauso skurrile Fortsetzung der Story.

Wie Nature News Ende vergangener Woche unter dem Titel „The mystery of the magnetic cows“ schrieb, schoben die Autoren ein Jahr später gar ein weiteres Paper in den Proc. Natl. Acad. Sci USA nach. In diesem beschrieben sie, dass — im Gegensatz zu den Kühen aus der ersten Studie — Artgenossen, die in der Nähe von Starkstromleitungen weiden müssen, völlig „orientierungslos“ und unausgerichtet herumstehen. Ist ja auch klar, der vermeintliche Magnetsinn muss völlig überreizt sein.

So weit, so schlecht. Doch dann fielen dem Seniorautor Hynek Burda von der Universität Duisburg-Essen ausgerechnet tschechische Landsleute in den Rücken. Lukas Jelinek und sein Team von der Technischen Universität in Prag besorgten sich weitere, neue Bilder von Google Earth um die „ausgerichteten Kühe“ von Burda et al. zu replizieren — und schlugen fehl. Im J. Comp. Physiol. A schrieben sie:

[…] in contradiction to the recent findings of other researchers, no alignment of the animals and of their herds along geomagnetic field lines could be found.

Und in dem Nature News-Artikel setzt Jelinek noch einen drauf:

When in 2008 the authors started to announce their surprising findings in [the] mass media, we got the impression that this is not the way science should be made and we took a closer look. We found out that it is not as fantastic as it was presented.

Peng! Doch das wollte Burda indes nicht auf sich sitzen lassen. Er reanalysierte umgehend die Daten von Jelinek und Co. und brandmarkte schließlich den größten Teil davon als völlig unbrauchbares „Rauschen“. Würde man diese „rauschenden“ Rindviecher abziehen und weiterhin noch alle diejenigen dazunehmen, die Jelinek et al. einfach aus der Analyse rausgelassen hätten — dann, ja dann stützten deren Bilder sogar sehr wohl Burdas Hypothese von einem Magnetsinn. Und damit das ganze Paper nicht nur ein Verriss eines anderen Artikels wird, fügte Burda noch ein paar eigene Daten hinzu, die zeigen sollten, dass die Nord-Süd-Ausrichtung der Kühe noch deutlicher ist, wenn diese auf der Weide liegen, statt stehen (J. Comp. Physiol. A, A advance online publication).

Daraufhin schrieben wiederum Jelinek und seine Mitarbeiter eine „Author’s Response“ im J. Comp. Physiol., in der sie insbesondere klar zu machen versuchten, dass ihre Daten eben doch so zu verwenden seien, wie sie es getan hätten. Von daher gelte immer noch, dass ihre Analysen die Magnetsinn-Hypothese nicht unterstützten.

Womit es nun aber auch genug sei. Zumindest gegenüber Nature News erklärte Jelinek, sich ab jetzt nicht weiter mit dem Magnet-Thema befassen zu wollen. Während Burda und Co. inzwischen nach weiteren Tieren suchen, die vermeintlich magnetische Feldlinien wahrnehmen können — zum Beispiel Füchse.

Wir bleiben dran!

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Ein Gedanke zu „Sinn oder Nicht Sinn“

  1. E.S. sagt:

    Es bleibt nur zu hoffen, dass keiner dieser Autoren für diese Tätigkeiten Steuerergelder/Födergelder irgendeiner Art erhalten hat — und falls doch, bitte ich um Rückzahlung an die Staatskasse — umgehend.

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