(Update: Wenige Stunden nach Verkündung der Preisträger wurde bekannt, dass Ralph Steinman, einer der Gekürten, vor drei Tagen verstorben ist. Siehe Kommentare unten, sowie Laborjournal online).
Bei sämtlichen Medizin-Nobelpreis-Tipps, die in den vergangenen Wochen durch das Internet geisterten, waren die jetzt tatsächlich verkündeten Preisträger nicht an vorderster Front zu finden (siehe etwa hier und hier). Dabei war streng genommen klar, dass die beiden Themen auch „dran“ waren.
Bruce Beutler vom Scripps Research Institute in La Jolla, Kalifornien, und Jules Hoffmann, emeritierter CNRS-Forscher an der Universität Strasbourg, erhalten die eine Hälfte des Preises, da sie mit der funktionellen Beschreibung des Toll-Proteins sowie der entsprechenden Toll-like-Rezeptoren bei der Infektionsabwehr die Entdeckung des angeborenen Immunsystems einleiteten. Die andere Hälfte des Preises wird der Kanadier Ralph Steinman von der Rockefeller University in New York für seine Entdeckung der Dendritischen Zellen entgegennehmen — die Aktivatoren des Immunsystems also, auch salopp als „Scharfmacher“ bezeichnet, die zuletzt viele Hoffnungen in der klinischen Therapie, wie etwa bei der Tumorvakzinierung, geweckt haben.
Das Nobelpreis-Komitee schreibt zu Beutler und Hoffmann:
Jules Hoffmann made his pioneering discovery in 1996, when he and his co-workers investigated how fruit flies combat infections. They had access to flies with mutations in several different genes including Toll, a gene previously found to be involved in embryonal development by Christiane Nüsslein-Volhard (Nobel Prize 1995). When Hoffmann infected his fruit flies with bacteria or fungi, he discovered that Toll mutants died because they could not mount an effective defense. He was also able to conclude that the product of the Toll gene was involved in sensing pathogenic microorganisms and Toll activation was needed for successful defense against them.
Bruce Beutler was searching for a receptor that could bind the bacterial product, lipopolysaccharide (LPS), which can cause septic shock, a life threatening condition that involves overstimulation of the immune system. In 1998, Beutler and his colleagues discovered that mice resistant to LPS had a mutation in a gene that was quite similar to the Toll gene of the fruit fly. This Toll-like receptor (TLR) turned out to be the elusive LPS receptor. When it binds LPS, signals are activated that cause inflammation and, when LPS doses are excessive, septic shock. These findings showed that mammals and fruit flies use similar molecules to activate innate immunity when encountering pathogenic microorganisms. The sensors of innate immunity had finally been discovered.
The discoveries of Hoffmann and Beutler triggered an explosion of research in innate immunity. Around a dozen different TLRs have now been identified in humans and mice. Each one of them recognizes certain types of molecules common in microorganisms. Individuals with certain mutations in these receptors carry an increased risk of infections while other genetic variants of TLR are associated with an increased risk for chronic inflammatory diseases.
Und zu Ralph Steinman:
Ralph Steinman discovered, in 1973, a new cell type that he called the dendritic cell. He speculated that it could be important in the immune system and went on to test whether dendritic cells could activate T cells, a cell type that has a key role in adaptive immunity and develops an immunologic memory against many different substances. In cell culture experiments, he showed that the presence of dendritic cells resulted in vivid responses of T cells to such substances. These findings were initially met with skepticism but subsequent work by Steinman demonstrated that dendritic cells have a unique capacity to activate T cells.
Further studies by Steinman and other scientists went on to address the question of how the adaptive immune system decides whether or not it should be activated when encountering various substances. Signals arising from the innate immune response and sensed by dendritic cells were shown to control T cell activation. This makes it possible for the immune system to react towards pathogenic microorganisms while avoiding an attack on the body’s own endogenous molecules.
Auch wenn, wie gesagt, viele vermeintliche Experten andere Favoriten hatten, wird es über diese Entscheidung nicht viel zu meckern geben.
Mehr über die Nobelpreise folgt bald auf den Online-Seiten von Laborjournal und Lab Times, sowie in print.
Schlagworte: Dendritische Zellen, Immunsystem, Infektionsabwehr, Medizin-Nobelpreis, Toll, Toll-like Rezeptoren
Leider ist der Her Steinman am Freitag, 30. September verstorben. Fragt sich, was mit seinem Nobelpreis jetzt passiert.
https://twitter.com/#!/tagesschau_eil/status/120848391927377920
Oh, ist das bitter! Und bezüglich der Regularien des Nobelpreises ist tatsächlich interessant, was jetzt passiert.
Ralph Steinman bleibt Nobelpreisträger. Dies hat das Nobelpreis-Komitee am Nachmittag in einer Sondersitzung beschlossen. Erst drei Stunden nach der offiziellen Verkündigung am heutigen Vormittag hatte das Komitee erfahren, dass mit Ralph Steinman einer der drei frisch gekürten Medizin-Nobelpreisträger bereits drei Tage zuvor verstorben war.
Eigentlich erlauben die Statuten des Nobelpreises keine Vergabe an Verstorbene. Da die Jury sich allerdings ohne Wissen von dessen Tod für Steinman aussprach, soll der Preis auch nach dieser traurigen Nachricht unverändert an ihn gehen. Steinman wird damit tatsachlich der erste Nobelpreisträger, der die Verleihung seines eigenen Preises im Dezember nicht mehr erlebt. Dennoch ist dies sicherlich die einzig richtige Entscheidung.
Näheres in dieser Pressemitteilung des Nobelpreis-Kommittees.
Was hätten sie auch sonst machen sollen? Die Auszeichnung zurücknehmen? Oder vielleicht sogar jemand anders auszeichnen sollen? In beiden Fällen wäre Steinmans Name mit dem 2011 Preis verbunden geblieben als der tragische Kandidat, der die Auszeichnung knapp verpasst hat. Im zweiten Fall (also einer Neuvergabe) würde der neu geehrte Kandidat immer der „zweite Sieger“ bleiben. Ich denke, das das die beste Entscheidung ist.
Wer noch ein wenig in der Nobelpreis-Tragik des Ralph Steinman schmachten möchte, lese etwa hier.