„Liebe Laborjournal-Redaktion,
ich wende mich an Sie, weil ich gestern einen dubiosen Anruf von jemandem bekommen habe, der offensichtlich versucht, Wissenschaftler mit der Verlockung einer ganz dringend erforderlichen Publikation in einem ganz wichtigen Organ zur Bezahlung von € 9.000 zu überreden.
Die Geschichte ging in etwa so: Kurz vor 18 Uhr — ich war schon in Eile, um mich auf den Weg nach Hause zu machen und dort meine Kinderbetreuung abzulösen — klingelt das Institutstelefon. Eine anonyme Nummer. Der Englisch-sprechende Anrufer erkundigt sich: Sind Sie Professor Lunger, Leiterin der Abteilung Neurobiologie [Name und Abteilung geändert, die Red.]? Es folgt eine Erklärung des Anrufers, er arbeite für ein Publikationsorgan (Zeitung? Buch?) des Public Service Review. Dieses würde daran mitwirken, Entscheidungsträger der EU darüber aufzuklären, in welche Forschungsgebiete diese zukünftig mehr Geld stecken müsse. Und das treffe für mein Fachgebiet ja zweifellos zu.
Der Anrufer sei unterwegs und habe daher im Moment keinen Zugang zum Internet, habe also auch keine Details über mich, wisse nur, dass ich DIE Top-Expertin auf meinem Feld sei. Gerade im Moment würde ein Meeting laufen, in dem über die nächste Ausgabe der Zeitschrift/des Buches entschieden wird — und er würde gerne vorschlagen, dass ich darin auf zwei Seiten über meine Arbeit berichte. Das sei dann unglaublich prestigeträchtig, allerdings eben auch schrecklich dringend. Irgendwann erwähnt der Anrufer noch, dass jeder Autor Page Charges zahlen muss, damit der Artikel erscheint.
Jetzt würde er mich aber, falls ich am Rechner säße, gerne durch das Projekt führen — und dann bräuchte er umgehend eine verbindliche Zusage, dass ich den Artikel bis zu einem fixen Datum im August schreibe. Und natürlich müsste ich ihm auch verbindlich zusichern, die Page Charges zu bezahlen. Wenn ich beidem zustimme, würde er sofort zurück ins Meeting gehen und mich vorschlagen.
Ich frage vorsichtshalber doch mal nach, um wie viel Geld es da geht — und spätestens bei Nennung der Summe von € 9.000 als Page Charges bin ich sicher, dass das Angebot nicht seriös ist! Höchst verwundert über so ein Nepper-Schlepper-Bauernfänger Angebot sage ich noch, ich habe weder Zeit für das Schreiben eines solchen Artikels und auch sicher keine € 9.000 dafür übrig — und beende das Gespräch.
Ein kurzer Blick ins Internet zeigt mir später, dass es Public Service Review tatsächlich gibt. Ob der Anrufer damit tatsächlich etwas zu tun hat und der Herausgeber tatsächlich solche Praktiken nutzt, weiß ich natürlich nicht. Vielleicht nutzt jemand nur den Namen. Um welches konkrete Publikationsorgan es sich gehandelt hätte, wie der Anrufer hieß, Kontaktinformationen, wie die Zahlung abgelaufen wäre, etc., weiß ich alles leider nicht. Wie gesagt, ich war auf dem Sprung.
Zu Hause erzähle ich die Begebenheit meinem Mann, ebenfalls Wissenschaftler. Dieser entgegnet, dass er in der Vergangenheit schon zweimal einen quasi inhaltsgleichen Anruf bekommen hatte (war schon einige Zeit her; er vermutet, zweimal im Zeitraum der vergangenen 3-4 Jahre). Das Muster war das gleiche: Drängen auf sofortige Zusage des Artikels und der zu leistenden Zahlung.
Offenbar scheint jemand schon länger auf diese Art sein Unwesen zu treiben — und ich kann mir gut vorstellen, dass der ein oder andere Wissenschafter tatsächlich darauf hereinfällt. Was tut man nicht alles, um aufzufallen? Und dann noch EU-Geldgeber…?
Kennt noch jemand diese Masche und weiß mehr darüber?“
Dies fragt nicht nur die Autorin, sondern mit ihr auch die Laborjournal-Redaktion. Antworten entweder im Kommentarfenster unten, oder an redaktion@laborjournal.de.
Schlagworte: Bauernfänger, Förderung, Page Charges, Publikation
Die Autorin trägt nach:
Auf dem Sekretariatstelefon war übrigens doch eine Nummer zu sehen: +44 131 553 1100. Diese stammt laut publicservice.co.uk tatsächlich von diesem Verlag. Es scheint sich also tatsächlich um deren Geschäftsgebaren zu handeln…
Wie uns jetzt bekannt wurde, hatte die DFG bereits Ende letzten Jahres eine Warnung vor der „unseriösen Geschäftspraxis der Verlagsgesellschaft ‚Public Service'“ ausgesandt.
Im Wortlaut:
… und ganz aktuell warnt auch die Leibniz-Gemeinschaft vor dem „sonderbaren Geschäftsgebaren“ der Verlagsgesellschaft ‚Public Service‘. Unter dem Betreff „Warnung vor ‚Abzocke'“ schreibt deren Pressesprecher Josef Zens in einer Rund-Mail:
In seinem Blog hat Andrew Jaffe (Astrophysiker am Imperial College) die Bekanntschaft mit „Public Service Review“ dokumentiert; vor allem die Kommentare sind enorm erhellend (u. a. meldet sich ein vermeintlicher ehemaliger Mitarbeiter zu Wort). Zu finden unter
http://www.andrewjaffe.net/blog/science/000475.html
Und auf einer Telefonnummern-Rückverfolgungsseite („Who Calls me“) breiten sich enorm viele Angerufene in Länge und Breite über PSCA aus. Zu finden unter
http://whocallsme.com/Phone-Number.aspx/01618327387
Insgesamt sehr lustig – so man denn nicht betroffen ist…
Welcher Professor darauf reinfällt, den möchte ich sehen! Sofortiger Entzug der Lehrerlaubnis.
ich muss sagen es gibt inzwischen gerade in der forschung sehr dubiose methoden – wer darauf reinfällt ist selbst schuld…totaler schwachsinn, schön das darüber berichtet wird 🙂