1:0 fürs Forschungszentrum Borstel

2. Mai 2011 von Laborjournal

 

Transparenz und offensiver Umgang gegenüber der Öffentlichkeit ist möglich — und zahlt sich letztlich aus.

Diese für Deutschlands Institutionen ungewohnte Wahrheit beweist seit Monaten das Forschungszentrum Borstel. Die beiden FZB-Direktoren Ulrich Schaible und Peter Zabel sind bisher erfreulich offen mit der Fälschungsaffäre um Silvia Bulfone-Paus umgegangen (siehe Laborjournal 1-2/2011, Seite 14) und haben damit den Ruf ihrer Einrichtung als seriöse, glaubwürdige Wissenschaftsinstitution gefestigt.

Unlängst zeigte sich erneut, dass die Transparenzoffensive des FZB goldrichtig ist. Es geht um einen doch sehr merkwüdigen „offenen Brief“ von Bulfone-Paus-Anhängern — und um die klare Antwort des FZB darauf.

Am 16. März 2011 verschickten 25 akademische Unterstützer der durch den erwähnten Fälschungsskandal in Misskredit geratenen Silvia Bulfone-Paus diesen „offenen Brief“ an Wissenschaftler und politische Repräsentanten. Darin zeigten sich die Absender (zumeist Professoren) aus Großbritannien, Italien, den USA, Deutschland, Schweden und Israel solidarisch mit Bulfone-Paus und verurteilten das ihrer Meinung nach „massive and unfair punishment“, das der FZB-Wissenschaftlerin in Deutschland widerfahren sei. Diese ungerechte Behandlung würde die Wissenschaft beschädigen und dürfe nicht toleriert werden. Bulfone-Paus sei lediglich ein Opfer dieser Affäre. Sie diene der FZB-Leitung quasi als Sündenbock („a victim of scientific fraud is now punished so harshly and unfairly“). Zudem wird von den Briefeschreibern der Anschein erweckt, Bulfone-Paus habe alles getan, um den Schaden zu beheben und die Angelegenheit korrekt und stringent aufzuarbeiten.

Ist dies wirklich so? Ist Bulfone-Paus lediglich ein bemitleidenswertes Bauernopfer? Hat sie sich wirklich korrekt, ja gar — wie der Brief durchblicken lässt – vorbildlich verhalten?

Hat sich Silvia Bulfone-Paus korrekt verhalten?

Die Antwort der FZB-Leitung, ebenfalls als „open letter“ veröffentlicht, lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: Bulfone-Paus habe sehr wohl gewusst, dass in ihrem Labor nicht sauber gearbeitet werde, und zwar spätestens seit 2004:

„[…] Silvia Bulfone-Paus received repeated warnings (in writing) from her former co-worker, Dr. Karin Wiebauer, as early as January 2004 on inappropriately labeled and presented data.“

2009 sei sie erneut, und zwar detailliert, auf die Missstände hingewiesen worden:

„A detailed description of the manipulations performed on a number of Western Blots was communicated to Silvia Bulfone-Paus on November 4, 2009 by Dr. Wiebauer. Responsible action would have necessitated the immediate handing-over of the issue to an independent investigative committee to assess the two papers in which these manipulated figures had appeared.“

Doch erst ein weiteres Vierteljahr später habe Bulfone-Paus [wohlgemerkt: zu einem Zeitpunkt, als die Vorwürfe längst öffentlich geworden und damit ohnehin nicht mehr zu vertuschen waren; der Verfasser] ihrem Arbeitgeber informiert:

„It was however, not until February 29, 2010, that Silvia Bulfone-Paus informed the Leibniz Center’s directorate about the allegations, which finally paved the way to a formal investigation.“

Doch dies ist bei weitem nicht der einzige Punkt, der im „open letter“ der 25 Professoren zum Himmel stinkt. Entsprechend harsch fällt das Schlusswort der FZB-Direktoren in ihrer Antwort aus:

„ The scientific misconduct in Silvia Bulfone-Paus’s lab and her procrastination to go public despite being ultimately responsible has highly damaged the reputation of the Research Center. This is what cannot be tolerated.“

Doch bilden Sie sich Ihr Urteil selbst: Lesen Sie den „open letter“ der Bulfone-Paus-Unterstützer vom 16. März, und die Antwort des FZB Borstel vom 6. April.

Das FZ Borstel hat beide „open letters“ auf seine Website gestellt. Vorbildlich eben.

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8 Gedanken zu „1:0 fürs Forschungszentrum Borstel“

  1. Der Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten – wie übrigens auch mit wissenschaftlichem Wohlverhalten – sollte nach unseren moralisch-ethischen Maßstäben erfolgen, was „typische Borsteler“ immer versucht haben und gerade jetzt weiter versuchen. Da diese Maßstäbe von vielen Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen (!) sowie Institutionen nicht geteilt werden, kann meiner Meinung nach dem wachsenden wissenschaftlichen Fehlverhalten nur Einhalt geboten werden, wenn es als Straftatbestand in das Strafgesetzbuch aufgenommen wird. Ich erinnere daran, dass vor Jahren Umwelt- und Finanzsünden Kavaliersdelikte waren, die heute mit schweren Strafen belegt sind.
    Nur wenn sich ordentliche Gerichte und nicht Kommissionen, Ausschüsse und Gremien mit wissenschaftlichen Fehlverhalten befassen, ist eine objektive Beurteilung und eine gerechte Strafe möglich.
    Prof. Dr. med. Helmut Brade
    Leiter der Laborgruppe Medizinische und Biochemische Mikrobiologie
    seit 1982 am Forschungszentrum Borstel
    62 Jahre alt

  2. Borstler sagt:

    Sehr geehrte(r) Herr (Frau),

    was für ein unsachlicher und obendrein noch nur halbherzig recherchierter Beitrag. Warum zweifarbig, wenn man auch nur Schwarz betrachten kann.

    Hegen Sie persönlichen Groll?

    MfG

  3. Winfried Köppelle sagt:

    Liebe/r Borstler,
    falls Sie den Autor des initialen Artikels (also mich) meinen sollten (was aus Ihrem Beitrag nicht eindeutig hervorgeht): Könnten Sie Ihre Anwürfe etwas genauer erläutern? Was ist unsachlich, was ist halbherzig recherchiert, was „schwarz und nicht zweifarbig betrachtet“? Wer hegt gegen wen angeblich Groll?
    MfG
    W. Köppelle

  4. Ralf Neumann sagt:

    Vertehe „Borstler“ auch nicht. Es ist mittlerweile ein dummer Reflex, immer wenn jemandem ein Artikel nicht gefällt, die „Schlecht recherchiert“-Keule auszupacken. Was gab’s denn da zu recherchieren? Die zwei Briefe wurden gegenüber gestellt — mehr nicht — und deren Inhalte kommentiert. Tja, und Kommentare sind per se und immer subjektiv, sowie gerade in Blogs gewollt. Soviel zur nächsten „Keule“: „unsachlich“.

    Und jetzt kommt noch was Subjektiv-Unsachliches: Es hört sich eher so an, als wäre beim „Borstler“ ein empfindlicher Nerv getroffen worden. Zumal es „Borstlern“ in dieser Sache sicherlich am schwersten fallen dürfte, „sachlich“ zu bleiben.

  5. Borstler sagt:

    Hallo nochmal,

    ich habe mich missverständlich geäußert und entschuldige mich dafür.
    Ich vergaß einfach in meiner Anrede auf KnackBockBlog hinzuweisen, dessen Beitrag in diesem Fall gemeint war.

    Unsachlich in der Hinsicht, dass mir die Ausdrucksweise etwas aufstieß. Halbherzig recherchiert meiner Meinung nach deshalb, weil hier (mal wieder) nur die eine Seite der Medaille betrachtet wurde.

    Empfindlicher Nerv nicht unbedingt. Nur meine Ansichten bezüglich Schuld und Verantwortung, was in diesem Fall doch recht einseitig gehandhabt wird.

    Mit freundlichen Grüßen

  6. knackbock sagt:

    Ich hege keinen persönlichen Groll.

    Ansonsten bin ich auch bereit, mich mit Kritik an meinem Blog auseinanderzusetzen – allerdings scheint mir hier nicht der richtige Ort. Es sei denn, das Trackback weiter oben ist gemeint – das allerdings ist kein Beitrag im eigentlichen Sinne, für etwas mehr Inhalt reicht es bei mir manchmal schon…

    Im übrigen schließe ich mich den Herren Köppelle und Neumann an, insbesondere bzgl. der Objektivität von Blog-Kommentaren.

    Trotzdem würden mich Einlassung von/über die „weiße“ Seite sehr interessieren, wo genau hat sich denn z.B. SBP öffentlich geäussert?

  7. Winfried Köppelle sagt:

    „wo genau hat sich denn z.B. SBP öffentlich geäussert?“

    Meines Wissens bisher nur in einer internen Veranstaltung am FZB vor einigen Wochen, bei der es hoch hergegangen sein soll. Journalisten, sprich: die Öffentlichkeit außerhalb des FZB, waren dazu meines Wissens nicht eingeladen.

    Ansonsten schweigt Frau Bulfone-Paus. Ich habe natürlich auch schon vor Wochen wg. eines Interviews angefragt, bin aber nicht mal zu ihr durchgedrungen. Es hieß nur: Kein Interesse, kein Kommentar.

    Daher an dieser Stelle gerne nochmal: Sehr geehrte Frau Bulfone-Paus, ich bin interessiert an Ihrer persönlichen Stellungnahme zum Geschehen. Bitte kontaktieren Sie mich in der Redaktion, notfalls auch anonym oder über Mittelsleute.

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