Trau‘ niemals Deinem Antikörper

19. Oktober 2010 von Kommentar per Email

Hat sich das Laborjournal schon einmal in den Sumpf der kommerziell erhältlichen Antikörper begeben? Der Zufall hat mich in diese Richtung getrieben. Bisher zeigten 50% der von mir genutzten monoklonalen AK nicht die Spezifität, welche der Hersteller verspricht.

Mit quantitativen PCR Analysen zeigte ich, dass in Rattenzellen unter bestimmten Bedingungen der mRNA Spiegel der Na,K-ATPase alpha1-Isoform halbiert ist, derjenige der alpha3-Isoform dagegen versechsfacht. Ein monoklonaler alpha1-isoformspezifischer Antikörper einer bekannten Firma zeigte unter gleichen Bedingungen indes eine Verdopplung der Expression. Meine Anfrage bei der Firma ergab, dass sie keinerlei Tests durchgeführt, welche die Isoformspezifität ihres Antikörpers untermauert. Einzig das eingesetzte Antigen — Membranpräperationen der Niere (!) — beschreibe die Spezifität des monoklonalen Antikörpers. Auf diese Weise gestand die Firma folglich ein, dass Sie keine Angaben zur Spezifität treffen kann. Die Produktbeschreibung zu dem Antikörper ist seitdem im Internet natürlich unverändert geblieben.

Das Gleiche mit einem Antikörper einer anderen bekannten Firma gegen die Isoform 1 des Na+/H+-Austauschers (NHE-1). Quantitative PCR zeigte, dass in meinen Experimenten die mRNA des NHE-2 vierfach heraufgeregelt ist, der mRNA-Spiegel von NHE-1 dagegen unverändert bleibt. Der monoklonaler anti-NHE-1-Antikörper zeigte jedoch ein 1.8-fach stärkeres Signal. Nach Aussage der Firma sollte der Antikörper NHE-1 spezifisch erkennen, da er gegen ein 120 Aminosäuren langes Immunogen generiert wurde, welches der Sequenz des NHE-1 entstammt. Diese Information hat mir die Firma bereits zweimal gegeben – samt dem Hinweis, es sei daher unwahrscheinlich, dass der Antikörper etwas anderes erkenne als NHE-1.

Ich hatte mir die monoklonalen Antikörper gekauft, weil ich davon ausging, dass diese ein definiertes Epitop erkennen. Das ist wohl auch so, nur scheinen sich deren Vertreiber nicht die Mühe zu machen die Epitope tatsächlich zu definieren. Noch frecher ist allerdings, dass mir beide Hersteller schrieben, die Epitope wären für viele andere kommerziell erhältliche Antikörper ebenso nicht bekannt. Als ob sie sich selbst decken wollten — und niemand der erste sein möchte, der solche Qualitätskontrollen einführt.

Vielleicht sollte ein so namhaftes Journal wie das Laborjournal eine Aktion starten, um herauszufinden, welcher Anbieter sich tatsächlich die Mühe macht, durch interne Kontrollen und Qualität auf dem stark umkämpften Markt der Antikörper zu punkten.

Vielleicht wäre auch ein Aufruf interessant. Wer hat bei einer Firma die dem Kunden versprochene Antikörper-Spezifität angemahnt, und was wurde seitdem unternommen? Wird hier möglicherweise schon seit Jahren Produktbetrug betrieben?

Naive Naturwissenschaftler wie ich dachten sich, dass die Literaturangaben, welche mitunter im Beipackzettel angegeben sind, die Qualität des Antikörpers beschreiben. Stimmt nicht! Mit der Literatur informiert die Firma den Kunden vielmehr, an welchem Protein er gerade forscht.

(Foto: brainmaster / iStockphoto)

Schlagworte: , , , , ,

Ein Gedanke zu „Trau‘ niemals Deinem Antikörper“

  1. Oli sagt:

    Ich arbeite im technischen Service einer Firma (www.biomol.de), die eine große Auswahl an Antikörpern anbietet (www.antibodyworld.com) und kenne die beschriebene Enttäuschung. Meine Erfahrung mit Antikörpern ist reichhaltig und durch zwanzigjährige Erfahrung inklusive Herstellen, Aufreinigen und Anwenden von Antikörpern sowie zehn Jahre technischem Service auf dem Gebiet genährt. Tatsächlich unterscheiden sich angebotene Antikörper. Im Allgemeinen lernt man durch die Lektüre des Datenblatts vor (!) dem Kauf, welche Eigenschaften des Antikörpers bekannt sind und welche nicht. Eine Epitop-Bestimmung wird tatsächlich meistens von Forschern gemacht und seltener von Antikörperherstellern.

    Viele Anwender von Antikörpern haben Erwartungen und Vorstellungen, die nicht mit den Daten des Experiments übereinstimmen. Das hat verschiedene Ursachen. Wie in diesem Blog-Artikel erwähnt, gehen viele Anwender davon aus, dass ein monoklonaler Antikörper besonders spezifisch ist, weil er nur ein Epitop erkennt und dass man erwarten kann, dass dieses Epitop genau bestimmt worden ist. Zum letzteren Punkt: Ist ein Antikörper nicht gegen ein Peptid, sondern gegen ein ganzes Protein oder andere Präparationen wie Zellen gemacht worden, so kann das Epitop ein dreidimensionales sein, das nicht mit Hilfe einer linearen Aminosäuresequenz beschrieben werden kann. In diesen Fällen ist es nicht möglich das Epitop mit den üblichen Methoden zu definieren, trotzdem kann der Antikörper ein sehr brauchbarer sein. Meistens screent man auf dem Weg zum monoklonalen Antikörper die Klon-Bibliothek nach Klonen, die das erwünschte Ergebnis bringen. Eine Epitop-Bestimmung mittels Peptidbliotheken oder Deletionsmutanten wird – aus Kostengründen – meistens nicht durchgeführt. Der Vorteil liegt in einem bezahlbareren Antikörper, der nicht schlechter funktioniert als, wenn das Epitop betimmt worden wäre. Wie gesagt kann das Epitop auch mit den erwähnten Methoden nicht ermittelbar sein, weil das Epitop ein spezifischer Teil der Tertiärstruktur ist.

    Die meisten monoklonalen Antikörper werden immer noch in der Maus gemacht. Mäuse reagieren leider auf Trägerprotein-gekoppelte Peptide nicht wie gewünscht mit der Produktion von Antikörpern gegen das Peptid. Das machen aber Kaninchen, die ein erstaunlich anderes Immunsystem haben als Mäuse (mehr dazu weiter unten im Text). Da die Kaninchen-Antikörper im Allgemeinen auch eine viel stärkere Bindung an das Antigen zeigen, ist es in vielen Fällen besser, einen Kaninchen-Antikörper einzusetzen. Die meisten Kaninchen-Antikörper sind polyklonal. Aus mir unbekannten Gründen existiert die Vorstellung, dass polyklonale Antikörper per se schlechter wären als monoklonale. Das kann man so pauschal nicht sagen. Sie haben sogar gewisse Vorteile: Das Epitop, das ein monoklonaler Antikörper erkennt, kann auf verschiedenen Proteinen vorhanden sein. Der monoklonale Antikörper kann somit mehrere Proteine erkennen, wenn diese das gleiche Epitop tragen. Die verschiedenen Antikörper eines polyklonalen Antikörpers erkennen im Allgemeinen unterschiedliche Epitope, die gemeinsam haben, dass sie alle auf dem gewünschten Protein vorhanden sind. Das Zielprotein führt deswegen zu einem deutlich stärkeren Signal als die unerwünschten Nebenreaktionen. Trotzdem wäre es nicht schlecht, wenn man den Vorteil eines monoklonalen Antikörpers, das genau ein Epitop erkannt wird, mit dem Vorteil eines Kaninchen-Antikörpers, dass die Bindung zwischen Antikörper und Antigen durchschnittlich hundertmal stärker als bei Maus-Antikörpern ist, verbinden könnte. Das ist der Hintergrund der seit einigen Jahren zu beobachtenden Entwicklung, dass es jetzt immer mehr monoklonale Antikörper aus dem Kaninchen gibt.

    Warum gab es das nicht schon früher? Der Grund liegt darin, das die Hybridoma, die monoklonale Kaninchen-Antikörper produzieren, normalerweise instabil sind. Die Firma Epitomics besitzt das Patent, wie man stabile Hybridoma, die monoklonale Kaninchen-Antikörper produzieren, herstellen kann. Und erfüllen die monoklonalen Kaninchen-Antikörper die in sie gesetzten Hoffnungen? Ja, viele schwach exprimierte Proteine lassen sich in der endogenen Form nur mittels monoklonaler Kaninchen-Antikörper detektieren und viele andere Proteine werden mit den monoklonalen Kaninchen-Antikörpern (RabMAbs®) so sauber und eindeutig erkannt, wie man sich das eigentlich immer wünschen würde. Trotzdem haben auch polyklonale Antikörper und monoklonale Maus-Antikörper nach wie vor ihre Existenzberechtigung. Erstens sind sie kostengünstiger herzustellen. Zweitens kann ein gut Affinitäts-gereinigter polyklonaler Antikörper ebenfalls sehr gute Ergebnisse liefern und drittens gibt es immer wieder monoklonale Maus-Antikörper, die einfach gut sind. Manches Target lässt sich praktisch nur mit monoklonalen Maus-Antikörpern detektieren, zum Beispiel, weil das Target gar nicht so genau beschrieben ist, wie man es für eine Peptidsynthese bräuchte (Maus-Antikörper kann man praktisch nicht gegen Peptide machen) oder weil das Target eine Kohlenhydratkette ist oder weil man ein Epitop der Tertiärstruktur erkennen will. Doch in vielen Fällen ist es sehr praktisch, dass man statt der sehr aufwändigen Epitop-Bestimmung durch die Wahl des definierten Immunogens (eines relativ kurzen Peptids) die Bindungsstelle vorgeben kann. So wählt man eine Peptidsequenz als Immunogen, die beim Sequenzvergleich als spezifisch hervorgeht.

    Bereits mehrmals erwähnte ich einen grundsätzlichen Unterschied zwischen Maus- und Kaninchen-Immunsystem, der eine entscheidende Rolle für die Qualität der Antikörper spielt. Wodurch unterscheidet sich eigentlich das Immunsystem der Maus von dem des Kaninchens? Kurz gesagt entfernt der Thymus der Maus sehr viele potentiell gute Antikörper, weil sie mit Maus-eigenen Proteinen kreuzreagieren und die Peptide, die man gerne für eine Immunisierung verwenden würde, um die Bindungsstelle des Antikörpers vorzugeben, werden nicht effektiv an der Zelloberfläche präsentiert. Das Kaninchen optimiert in einem immunologischen Organ, das Maus und Mensch nicht besitzen, aber zum Beispiel Hühner (die Bursa fabricii, nach der die B-Lymphozyten benannt sind), über somatische Hypermutationsrunden die Antikörper auf starke Antigenbindungsreaktion.

    Es bleibt die Frage, warum Expressionsstudien auf mRNA-Ebene auf Proteinebene nicht immer quantitativ dasselbe Ergebnis erzielen. Das liegt sehr häufig daran, dass die Stabilität des Proteins und die Stabilität der mRNA unterschiedlich sind, dass auch nach Produktion der mRNA noch Expressions-regulierende Schritte stattfinden. Manch eine stark exprimierte mRNA wird fast gar nicht in Protein übersetzt und manch instabile mRNA ergibt ein stabiles Protein (oder umgekehrt), so dass Änderungen der Expression sich in ganz anderen Zeitrahmen auf mRNA- und auf Protein-Ebene abspielen. Aber wem erzähle ich das. Das wisst Ihr ja selbst vermutlich besser ich. Viel Spaß und Erfolg beim Forschen wünsche ich und denkt immer an die Tiere, die Euch Euren Erfolg ermöglichen. Respect Life!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Captcha loading...