Dumm gelaufen

23. August 2010 von Laborjournal

Es war einmal ein Rotor...

Die Seite heißt pwned experiments und erinnert ein wenig an die guten alten „Laborkatastrophen“, die Laborjournal vor über einem Jahrzehnt brachte. Der Unterschied: die Missgeschicke, die auf pwned experiments referiert werden, sind tatsächlich passiert. Darunter solche Klassiker wie völlig missratene Gele oder durch Unwucht zerstörte Rotoren.

Schon ungewöhnlicher: ein abgebrannter Heizrührer, weil der arme Experimentator im Kühlraum (!) statt der Rührfunktion den Heizblock angestellt hatte — und das Methanol im Puffer sich entzündete. Nicht nur lustig dagegen die Geschichte, wie es zu radioaktiven Fußspuren in einem gewissen Institut kam — samt der entsprechenden Konsequenzen.

Allerdings: Seit Ende letzten Jahres haben sich lediglich ein Dutzend solcher Pannen auf die Seite verirrt. Wir dagegen sind sicher: es gibt viel mehr. Dem Autor dieser Zeilen fällt beispielsweise sofort jene köstliche Szene aus seiner Laborzeit ein, in der ein Diplomand den Verbindungsschlauch eines neuen Bunsenbrenners statt ans Gas versehentlich an einen ähnlich aussehenden Hochdruck-Wasseranschluss koppelte — und dann aufdrehte…

Wie heißt es so schön: Aus Fehlern lernt man. Wer also auch solche oder ähnliche Laborpannen erlebt hat — immer her damit. Entweder hier im Blog, oder per E-Mail an redaktion@laborjournal.de.

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15 Gedanken zu „Dumm gelaufen“

  1. Lars Fischer sagt:

    Der Klassiker: Katastrophen, kleinere & größere seit 2001 im Chemieonline-Forum.

  2. Ralf Neumann sagt:

    Ja, sicher. Der „Klassiker“ ist aber ziemlich eindimensional: Fast ausschließlich irgendwas aus Versehen zusammengemischt, was nicht zusammengehört, oder falsch behandelt — und Zisch-Krach-Bumm-Splitter… Chemie eben! Da ist das Pannenspektrum in der Biologie sicherlich breiter.

    Mir ist da zum Beispiel noch eine Story eingefallen, die mir vor langer Zeit ein Freund aus Schweden erzählte: Ein Student schiebt einen Wagen, auf dem er Kästen voller Drosophila-Gläser gestapelt hatte, fröhlich-schwungvoll durch den Flur in Richtung Labor und bleibt mit dem Wagen am Türrahmen hängen. Die Kästen mit den Gläsern rutschen vom Wagen — und Abertausende Fliegen sind plötzlich frei. Noch Wochen später findet man im ganzen Institut Fliegenleichen in Pufferlösungen, Gelen, auf Western-Blots,…

  3. Marc sagt:

    1. Nicht besonders spektakulär aber blöd: Schnupfen, weil man den ganzen Tag im Kühlraum zu tun hatte und sich erkältete. Warum auch eine Jacke anziehen, ich bin ja im Haus beim Arbeiten und nicht draußen. 😉

    2. Dann war da noch der Typ (wir vermuteteten medizinischer Doktorand), der die Kunststoffmesszylinder in den Hitzesterilisator, anstelle in den Trockenschrank daneben gelegt hat.

    3. Auch interessant ist es, ein Wasserkochbad anzustellen und dann zu vergessen. Da das Teil auch zum Sand- und Ölerhitzen geeignet war, glühte die Wendel fröhlich vor sich hin und verbrannte alle Ablagerungen, die sich in den Jahren auf ihr angesammelt hatten. Und als sich der dunkle Rauch an der Labordecke verzogen hatte, war die Decke doch etwas dunkler als vorher.

    4. Die Kollegin, die ganz glücklich war einen Sorte HeLa-Zellen zu haben, die leichter zu transfizieren waren, stellte fest, dass diese auch leichter in die Apoptose gingen. Hm …

    5. Die lang gesuchte Proteaseaktivität entpuppt sich als Luftblase, die im ECL-Western Blot die Bande verschwinden ließ.

    6. Der Praktikand, der den Puffer ansetzte, merkte, dass er sich verrechnet hat und versuchte durch Einkochen das Volumen zu reduzieren.

    7. Der olle Stickstoffbehälter, der nie benutzt wurde, in der Ecke rumstand und nie mit flüssigem Stickstoff befüllt wurde, war der mit den Zellen der Chefarbeitsgruppe.

    8. Oder der Geigerzähler, der auf der Laborbank laufend knatterte, bis jemand darauf kam, dass das die natürliche Strahung von Keramik ist.

    9. Der Post-Doc für den neuen Doktoranden durchs Institut und erklärt, dass er keine Platten gießen müsse, „dafür haben wir unsere Neger“. Und guckt etwas betreten den afrikanischen Dotoranden an, der nur sagt: „Ich weiß schon was Du meinst“.

    10. Und schließlich der Typ der Folien für den Fotokopierer brauchte (wir vermuteteten medizinischer Doktorand), die sich aber aus normalen Klarsichthüllen zurechtschnitt. Nachdem er festgestellt hatte, dass drei Kopierer im Institut für die „Folien“ zu heiß und nun kaputt sind, hatte er es aufgegeben. Naja, es gab keine Kopierer mehr im Haus. Und den Laserdrucker am Scanner hatte er vergessen.

  4. Ralf Neumann sagt:

    Zehn Punkte — das zeugt von einigen Jahren Labortätigkeit. Wie auch immer, eigentlich gehört Valérie Labontés „Laborgeschichte“ in Laborjournal online auch hierher. Deshalb nochmals hier im Volltext:

    DIPLOMANDEN KÖNNEN TEUER WERDEN…

    Sie kommen täglich ins Labor und arbeiten den Doktoranden zu. Manche tun das sogar am Abend oder am Wochenende. Sie bekommen normalerweise kein Gehalt, wenn sie Glück haben eine halbe Hiwi-Stelle. Und sie verlängern ihre Arbeitszeit „freiwillig“ um drei Monate, da dies in der Aufgabenstellung schon berücksichtigt ist. Manchmal kommt dann sogar eine Publikation dabei heraus.

    (26. Juli 2010) Der gemeine Diplomand ist also ein lohnender Posten fürs klamme Labor. – Jedenfalls meistens.

    Auch Diplomand P. war als billige Arbeitskraft eingeplant. Doch es sollte ganz anders kommen. Denn mit dem Versehen von Diplomand P. konnte kein Arbeitsgruppenleiter rechnen. Der Eifrige schaffte es über Nacht ein Loch von mehreren zehntausend Euro ins Budget zu reißen.

    Alles fing mit diesen blöden halophilen Bakterien an. Die Viecher wachsen nun mal nur bei einer Salzkonzentration von 3 molar. Als die 20 Kilo NaCl im Labor ankamen und tagelang auf einem Laborwagen bestaunt werden konnten, wunderten sich die ersten. „Hey P., was hast du mit dem vielen Salz vor?“ – „Halos züchten.“

    Der Plan stand. Also dann, ran ans Werk. P. machte 20 Liter Medium und schüttete einige Kilo Salz hinein. Alles in den Fermenter und den Fermenter zum Sterilisieren in den Autoklaven. Temperaturfühler rein, Deckel zu, Knopf drücken. Und ab nach hause, denn es war schon spät.

    Am nächsten morgen kam Diplomand P. tatenfreudig ins Labor, schließlich konnte er nun den frisch autoklavierten Fermenter mit seinen Halobakterien animpfen. Doch als er den Deckel öffnete packte ihn das schiere Entsetzen. Im Inneren des Autoklaven war nichts mehr, wie es sein sollte. Das Medium verschwunden, dreckige Brühe am Boden und rostige Wände. Rostige Wände? – Ja.

    Über Nacht hatten sich dramatische Szenen im Autoklaven abgespielt. Dieser hatte sich nicht rechtzeitig abgeschaltet und heizte statt der üblichen halben Stunde die ganze Nacht. Weil der 20 Liter-Fermenter so groß war, war kein Platz mehr für ein Referenzgefäß mit Wasser. Also kam der Temperaturfühler direkt in das zu autoklavierende Medium. Dieser hielt aber der heißen Salzbrühe nicht stand und quitterte seinen Dienst. Ohne Temperaturkontrolle schaltete sich der Autoklav nicht ab, sondern heizte einfach weiter. Und weiter. Und weiter. Das Medium kochte über und wegen des Salzes korrodierte die innere Schicht des Autoklaven über Nacht.

    Diplomand P. versuchte noch das Malheur mit dem Putzlappen zu begrenzen. Doch alles Schrubben half nicht. Der Autoklav war zerstört. Das Experiment war missglückt. Und Diplomand P. verfluchte seine „Halos“ bis ans Ende ihrer Tage.

  5. BadBoyBoogie sagt:

    … ist schwer am arbeiten, daher nur kurz eine Episode aus seinem einstigen Doktorandenleben:

    Im Zentrifugenraum „seines“ Instituts zeugt bis heute ein Loch im Wandbeton (naja, „Loch“ ist übertrieben – eher eine eindrucksvolle „Einschlagdelle“ von ca. 10 cm Tiefe) von einem einst nicht austarierten Sorvall-Rotor und dessen Abflug aus der Rotorenkammer nach wenigen Minuten Highspeedrun.

    Alternative Erzählung behaupten, nicht der Rotor wäre aus der Kammer „rausexplodiert“, sondern die gesamte Sorvallfuge sei „gewandert“ und habe irgendwann die Wand gerammt (und dabei/danach sei „es“ passiert).

    Wie auch immer: Die Delle (das „Loch“) ist noch immer zu sehen – und ne andere Erklärung dafür ist mir nie eingefallen. Ich hab mir dabei immer vorgestellt, was passiert wäre, wenn nicht die ca. 20 cm dicke Betonwand, sondern die Labortüre im Weg gestanden wäre, hinter der damals der Kettenrauchertreff war…

    Best
    BBB

  6. BadBoyBoogie sagt:

    … ach ja, nett war auch die Affäre mit dem Geigerzähler, mit dem bei „uns“ im Institut viele Jahre lang eventuell vorhandene Restaktivität im Isolabor gemessen wurde (wir haben da echt radikales Zeug durch die Gegend getragen, P32 und so weiter).

    Bis dann mal – nach Jahren – irgend jemand auf die Idee kam (nein, das war nicht der Isotopenbeauftragte!), die korrekte Funktion dieses Zählers zu überprüfen. Was soll ich sagen? – das Teil war defekt. Wohl schon seit Jahren. Ähem.

  7. Ralf Neumann sagt:

    Weniger lustig, die „Panne“, als ein Doktorand über ein Jahr hinweg überraschende, und demnach entsprechend aufregende Resultate mit E. coli erhielt — bis er feststellen musste, dass sein Projekt-Vorgänger (der inzwischen ganz woanders war) aus Versehen Salmonella in ein mit dem E. coli-Stamm beschriftetes Röhrchen pipettiert und eingefroren hatte.

  8. BadBoyBoogie sagt:

    Jau, dasselbe Problem wie bei dutzenden von Zellkultivierern, die mit ihren HeLas oder-was-auch-immer munter jahrelang tolle Resultate erzielen und publizieren, ehe sie mal auf die Idee kommen, einen Mycoplasmentest zu machen…

  9. Ralf Neumann sagt:

    Apropos: Viele Leute haben offenbar immer noch ganz anderen Zelllinien in Kultur, als sie meinen. Zumindest nach dem, was Science diese Woche schreibt:

    Call it the case of the cells that grew too much. Over the past 5 years, a handful of research teams have raised concerns about ongoing attempts to transplant mesenchymal stem cells (MSCs), stem cells found in bone marrow and muscle, into people with heart disease and other conditions. The groups had found that MSCs could become cancerlike after growing for months in the lab. But three of these research teams have now discovered that the cancerlike cells they spotted are unrelated to the original MSCs. In each case, tumor cells that the researchers were using for other projects had contaminated the MSCs and, because they grow faster than the stem cells, ultimately took over the cell culture.

    … so beginnt der Artikel. Um weiter hinten fortzufahren:

    Bjerkvig and García-Castro now both urge research groups to test their cell lines‘ identities early and often. Unfortunately, says Dirks, despite 50 years of warnings about cell line contamination, very few groups do so, and the problem is still widespread. For example, he says, there have been more than 1000 papers published using a cell line called ECV304, which was originally thought to be normal endothelial cells that had spontaneously immortalized in lab culture. But in 1999, Dirks and several colleagues showed that the cells were in fact another cell line derived from a human bladder carcinoma. And yet, nearly 80 papers published in 2008 still referred to ECV304 as normal endothelial cells, Dirks and his colleague Roderick MacLeod found.

    Da gibt es offenbar jede Menge Leute, die von ihren „Pannen“ noch nichts wissen.

  10. Ralf Neumann sagt:

    Und so siehts aus, wenn man den Gelkasten öffnet, bevor der Lauf beendet ist — OHNE DEN STROM ABZUSCHALTEN:

    gelbox

  11. Ralf Neumann sagt:

    Und via Blue Lab Coats:

    Kommentar:

    Yes, the data suggest that those non-sterile v-bottom 96-well dishes (untreated) are NOT made for the autoclave. WHOOPS!“

  12. Ralf Neumann sagt:

    … und hier die Story eines Autoklaven-Missgeschicks

  13. Ralf Neumann sagt:

    Was ist wohl in diesem Autoklaven passiert?

    via Neurodojo.

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