Muss man wirklich alle Daten zeigen?

18. Februar 2019 von Laborjournal

Hat es überhaupt jemand gemerkt: Heimlich, still und leise ist ein lange Zeit durchaus gängiger Ausdruck aus den Papern verschwunden: „Data not shown“.

Bevor das Internet so richtig aufblühte, war Platz eben knapp im gedruckten Journal — und so verzichtete man gerne auf die Abbildung nicht allzu entscheidender Experimente, frei nach dem Motto: „Vertraut uns, wir haben die Daten!“ Und da das damals meistens auch stimmte, machten in der Regel auch die Reviewer kein Problem.

Seit einiger Zeit ist es vorbei damit. Seitdem Paper zumindest parallel online erscheinen, gibt es kaum noch Platzbeschränkungen. Was natürlich jede Menge naheliegender Verbesserungen nach sich zog. Zum Beispiel können Verhaltensforscher seitdem ganze Videos ihrer Experimente als „virtuellen Anhang“ online präsentieren. Ebenso umfangreiche Omics-Rohdaten, seitenlange Spezies-Listen, Computercodes — jede Menge sinnvolle Masse, die den räumlichen Rahmen des gedruckten Papers sprengen würde, konnte nun dem geneigten Leser als „Supplementary Material“ online vorgelegt werden.

Dummerweise jedoch erzeugen neue Möglichkeiten oft auch neue Zwänge. Vernachlässigbare Daten nicht aufarbeiten und zeigen zu müssen, konnte nun nicht mehr hinter Platzproblemen versteckt werden. Sind Daten showable — egal, wie unwichtig sie auch sein mögen —, so sollen sie auch als „Supplementary Online Material“ präsentiert werden. Und weil es keine Beschränkungen mehr gibt, verlangen die Reviewer nun auch ganz automatisch, pro Paper immer mehr solche Daten zu zeigen. Im „Online Supplement“ ist ja jede Menge Platz. Und schon sind — schwuppdiwupp — die Standards hochgeschraubt, welche Datenmengen tatsächlich für ein Paper „reichen“.

Die Folge jedoch ist, dass in den Tiefen des Internet die erwähnte Population sinnvoller Online-Anhänge von einem ziemlichen Geschwür eher unbedeutender „Supplemental Data“ durchwuchert wird, die sich allenfalls ein paar Desperados anschauen. Tatsächlich findet man inzwischen durchaus runde und schlüssige „Kern-Paper“, die dennoch auf mehr als 50 (!) „Supplementary Figures“ verweisen.

In solchen Fällen behaupten wir einfach mal: Dürften die Autoren noch das gute, alte „Data not shown“ verwenden, hätte man ihnen viel Zeit für Wichtigeres geschenkt — ohne dass deren Paper an echter Qualität verlören und ohne dass auch nur irgendjemand die Daten vermissen würde. Denn die „Supplements“ machen viele dieser Paper nicht besser — sondern einfach nur „dicker“.

Ralf Neumann

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