„Ich bin der Erstautor und Du nur et al.“— Tanz Deine Doktorarbeit!

30. Juni 2021 von Laborjournal

 

 

 

 

Drei Finnen, die sich selbst als Nerds bezeichnen, tanzen und rappen ihre Doktorarbeit und lassen dabei ganz schön die Sau raus. Jedenfalls verglichen mit anderen Forschern, die ebenfalls den „Konfigurationsraum“ durchsuchen, um molekulare Cluster schneller aufzuspüren. Das Thema ist heftig erklärungsbedürftig und deswegen geben die drei Finnen in ihrem Video wirklich alles. Tänzerisch und rapperisch! Das Ganze ist stets garniert mit einem Augenzwinkern und dem berühmten finnischen Humor: „Ich bin der Erstautor und Du nur et al.

Gewonnen haben sie jetzt schon, und zwar den jährlichen Wettbewerb Dance your Ph.D. des Magazins Science. Dotiert mit 2.000 US-Dollar. Da fehlt zwar noch was im Vergleich zum Nobelpreisgeld, aber wenn sich herausstellt, dass die Ergebnisse einen Durchbruch in der Aerosol-Forschung darstellen und sich virenlastige Aerosole dadurch leicht aus der Luft beseitigen lassen, wer weiß…. Zu gönnen wär’s ihnen.

 

 

Tanzen ist gesund. Körperlich. Aber es bringt uns auch geistig weiter. Wie? Das fragen Sie am besten Dr. Dance. Der kennt sich aus, denn er ist Tanzpsychologe. Nachdem ich einige seiner Videos (hier, hier und hier) gesehen haben, bleibt für mich nur eine Schlussfolgerung: Tanz Deine Doktorarbeit sollte integraler Bestandteil des Rigorosums werden. Das wäre sicher auch im Sinne der Prüfer, die dadurch weniger „zähe“ Stunden auf ihr Lebenskonto überweisen müssten.

Siehe auch: https://www.theguardian.com/technology/2011/jul/31/peter-lovatt-dance-problem-solving

Und übrigens: Bereits 2008 berichteten wir mit unserem Beitrag „Tanz der Doktoren“ erstmals über den „Dance-your-Ph.D.“-Wettbewerb.

Kai Herfort

 

Heiße Freuden

28. Juni 2021 von Laborjournal

 

 Juliet Merz

 

„Schreiben? — Ich hasste jede Minute davon“

24. Juni 2021 von Laborjournal

Wer verbringt eigentlich mehr Zeit mit Schreiben? Wissenschaftler oder Wissen­schafts­jour­na­lis­ten?

Klingt blöd – aber der sich diese Frage vor einiger Zeit tatsächlich stellte, war unser Chefredakteur. Zwar rechnet wohl kaum einer Wissenschaftler – ganz im Gegensatz zu Journalisten – zur sogenannten „schreibenden Zunft“. Dennoch las er zuletzt einige Dinge, die ihn darüber zum Grübeln brachten.

Es ging los mit dem Bericht eines Industrie-Forschers, der in einem Blog-Beitrag auf seine Zeit als Harvard-Wissenschaftler zurückblickte. Darin schrieb er:

Die größte Überraschung war, wieviel Zeit ich damit verbringen musste, überhaupt Fördergelder zu bekommen. Ich schätze, dass etwa 40 Prozent meiner Zeit für die Jagd nach Förderung draufgingen – entweder direkt (Anträge schreiben) oder indirekt (Firmenbesuche, Vorträge, Netzwerke pflegen). Es war eine riesige Zeitinvestition, die nicht immer direkt zu meiner Forschungsarbeit beitrug. Sie diente nur dazu, die Räder überhaupt am Laufen zu halten.

40 Prozent! Auf exakt die gleiche Zahl kam schon 2007 eine entsprechende Studie der US-Regierung, die der Scientific American später in seinem Artikel Dr. No Money folgendermaßen zusammenfasste:

Öffentliche und private Fördergelder zu beantragen, ist zu einem zeitfressenden Monster geworden. 2007 ermittelte eine Studie der US-Regierung, dass Universitätsforscher etwa 40 Prozent ihrer Zeit in den entsprechenden bürokratischen Labyrinthen verbringen. Und in Europa ist die Situation nicht besser.

Sicher, das ist nicht alles direkte Schreibarbeit – aber auch der Journalist muss ja erst recherchieren, bevor er schreiben kann. Und überhaupt betreffen die 40 Prozent ja nur die Förderanträge. Unser Wissenschaftler hat dann noch kein Paper-Manuskript geschrieben – keinen Forschungsbericht, kein Gutachten, kein Gremienpapier, nicht mal eine E-Mail,…  Diesen Beitrag weiterlesen »

Zur Ideologie mutiert

21. Juni 2021 von Laborjournal

Aus unserer Reihe „Gut gesagt!“:

 

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Früher hatte man eine Idee und suchte dann nach Partnern, die mit einem daran arbeiten können. Heute ist es umgekehrt: Man weiß, es gibt Geld etwa für Sonderforschungsbereiche. Weil nun einmal der Fachbereich einer Universität nach dem Drittmittelaufkommen bewertet wird, setzt man alles daran, ein Projekt zu finden, das man mit den Kollegen vor Ort umsetzen könnte. Mit dem Resultat, dass sich sehr gute Wissenschaftler mit durchschnittlichen Forschern zusammentun müssen, denn es gibt ja in einem Fachbereich nicht nur Spitzenleute. Auf diese Weise gelangt DFG-Geld auch in mittelmäßige Forschung, das dann an anderer Stelle natürlich fehlt. Und die Idee vom Forschungsverbund ist zu einer Ideologie mutiert.

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… Sagte der Bayreuther Soziologe Richard Münch in Laborjournal 12/2006 („Die Spitze geht unter im Mittelmaß“, S. 22-23)

 

Tarnen und täuschen

16. Juni 2021 von Laborjournal

In unserer Reihe „Forscher Ernst und die Corona-Krise“:

 

(Gezeichnet von Rafael Florés. Jede Menge weiterer Labor-Abenteuer von „Forscher Ernst“ gibt es hier.)

 

„Die Unis werden politisch klein gehalten“

9. Juni 2021 von Laborjournal

(In unserem Heft 4/2021 schrieben wir unter „Inkubiert“ über den latenten Unwillen der Professorenschaft, am Wissenschaftssystem etwas zu verändern – obwohl sie es bis dahin meist selbst als schlimm und bedrückend erlebt hatten. Daraufhin erhielten wir die folgende Zuschrift, die wir hier anonymisiert und leicht gekürzt bringen, um deren Inhalt zur Diskussion zu stellen.)

 

“ […] Sie haben vollkommen recht. Sowohl das Verhalten der gestandenen Professoren wie auch insbesondere das der jungen, frisch berufenen ist mir ein Rätsel. Das Ausmaß an Gelangweiltheit auf der einen Seite und Desinteresse auf der anderen Seite ist schon phänomenal. Wenn man das Thema „kranke Wissenschaftsstrukturen“ anspricht oder gar eine Initiative dagegen starten will, scheuen nahezu alle zurück. Ich habe mehrfach versucht, gerade das Thema prekäre Finanzierung des Nachwuchses samt der damit verbundenen Qualitätsprobleme wie auch die inhärente Problematik von Drittmittel-Projekten bei komplexen Fragestellungen zum Gegenstand von Initiativen und Studien zu machen – stets umsonst und mit einem erkennbaren Desinteresse der Verantwortlichen.

Wettbewerb ist gut, ohne Zweifel. Aber befristete Verträge, verzögerte Übernahmen, Projektförderungen mit aufwändigen und ruinösen Anträgen sowie eine überforderte und auch korrupte Projektträger-Bürokratie können weder einen Beitrag dazu leisten, dass der Forschungsstandort Deutschland attraktiv und interessant wird, noch die berechtigten Anliegen der jüngeren Kollegen befriedigen.

In Anlehnung an die Wissenschaft gilt der berühmt-berüchtigte Spruch:

Denk ich an deutsche Forschung in der Nacht, bin ich um den Schlaf gebracht.

[…] Weder Exzellenzinitiativen noch hektische Förderaktivitäten können verhindern, dass die strukturellen Defizite an den Hochschulen zu immer größerer Verzagtheit und mangelnder Kreativität führen. Es wird das gemacht, was man glaubt, der Vorgaben wegen machen zu müssen. Fakultäten werden aufgelöst und zusammengelegt, bewährte Strukturen eingerissen. Dabei fehlt es uns zur Bewältigung der anstehenden Probleme an kreativen und motivierten Forschern, neuen Ideen und verlässlichen Besoldungsreformen. Nur, wer soll hierzu eine Initiative starten, wenn die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das nicht selbst in die Hand nehmen? Jedes Mal wenn ich das fragte, war die Verzagtheit kaum zu überbieten.

Es ist ein Drama, das sich an den Hochschulen abspielt. Und insgeheim ist es politisch gewollt. Bereits vor zwanzig Jahren teilgenommen, gab das BMBF – unter anderem in Sitzungen, an denen ich teilgenommen hatte –  die Strategie vor:

Die Hochschulen bilden aus – die Max-Planck-Institute (MPIs) forschen – die Fraunhofer-Gesellschaft (FHG) transferiert.

Und tatsächlich läuft es so in der Realität. Jeder Forscher, der etwas auf sich hält, soll schauen, dass er in ein MPI kommt – und wer technische Ambitionen hat, suche sich ein Institut der FHG. So ist das gewollt.

Um das jedoch zu vertuschen, jagt man die Universitäten von Wettbewerb zu Wettbewerb, von Antrag zu Antrag, von Umstrukturierung zu Umstrukturierung. Und hin und wieder gibt es wieder einen Prachtbau, aber kein Hochschulausbau-Programm, Großgeräte-Erneuerung-Programm, keine Laborsanierungen et cetera pp.

Hochschulen bilden also aus. Und – wie damals ein leitender Ministerialdirektor betonte – von Infra- und Besoldungsstruktur her seien sie ja auch zu nichts anderes zu gebrauchen. Das wisse er aus seiner Vorstandstätigkeit in diversen Großforschungs- und anderen Einrichtungen.

Ohne tiefgreifende Strukturreform wird sich hier nichts zum Besseren ändern. Allerdings scheint der Verfall politisch gewollt, denn selbstständige und emanzipierte Wissenschaftler sind schließlich gefährlich!“

 

Systemtreue Forscher

2. Juni 2021 von Laborjournal

Kürzlich klagte jemand in einer E-Mail an die Redaktion: „Da gibt es etwas, das ich einfach nicht verstehe. Schon vor zwanzig Jahren hörte ich Doktoranden und Postdocs immer wieder stöhnen, wie schlimm sich das Wissenschaftssystem entwickelt habe und wie sehr sie unter prekären Arbeitsverhältnissen sowie Instituts-Hierarchien und -Platzhirschen leiden würden. Jetzt sind die meisten von ihnen selbst Gruppenleiter, Instituts-Chef oder sogar noch mehr. Aber nichts hat sich geändert, sie verhalten sich heute genauso wie diejenigen, die sie damals kritisiert haben – vielleicht sogar noch schlimmer. Dabei sind doch sie es, die heute die Dinge tatsächlich ändern könnten, über die sie damals noch so gemeckert haben – wenigstens in ihrem eigenen Umfeld. Da muss man sich schon fragen: Wollen sie das inzwischen vielleicht gar nicht mehr?“

Gute Frage. Eine mögliche Antwort lautet: Sie wollen schon lange etwas anderes. Stehen für Promovierende und junge Postdocs anfangs noch Neugier und Erkenntnisdurst im Vordergrund ihres Forschungsstrebens, rückt mit zunehmender Zeit ihre eigene prekäre Situation angesichts zeitlich befristeter Verträge und Förderungen immer stärker ins Bewusstsein. Mit der Folge, dass die Forschung an sich für Jungforscherinnen und Jungforscher zunehmend seinen Selbstzweck verliert – und stattdessen als „Mittel zum Zweck“ für das eigene Karriere-Management herhalten muss. Aufgrund der prekären Situation wird das Karriere-Management jedoch zwangsläufig zum Risikomanagement – und der Nachwuchs kann es sich daher immer weniger leisten, nur aus reiner Neugier spannenden, aber riskanten Projekten nachzugehen.

Das Dumme ist, dass diese Art Karriere-Management von diesem Punkt an nicht mehr aufhört – auch an der Spitze der Pyramide nicht. Gut, dort heißt das dann wohl eher „Reputations-Management“. Aber die Lage bleibt ähnlich heikel: Für die Allermeisten fließen die Fördermittel nur sehr kurzatmig, und der Publikations-Strom darf nicht abreißen. Das ist natürlich weiterhin Gift für riskante Forschungsvorhaben, sorgt aber noch für etwas anderes: Man bleibt im System gefangen. Und abgesehen davon: Wer ändert schon gerne was an einem System, in dem man es trotz allem „ganz nach oben“ geschafft und somit so viele andere hinter sich gelassen hat?

Ralf Neumann

(Illustr.: AdobeStock / Good Studio)

(Der Beitrag erschien bereits in leicht anderer Form unter „Inkubiert“ in unserer Print-Ausgabe 4/2021.)