Gläserner Infektionsschutz?

31. März 2021 von Laborjournal

In unserer Reihe „Forscher Ernst und die Corona-Krise“ erfährt unser Held heute, wie es ausgehen kann, wenn man bei innovativen Schutzmaßnahmen nicht gründlich genug über mögliche Folgeschäden nachgedacht hat …

(Gezeichnet von Rafael Florés. Jede Menge weiterer Labor-Abenteuer von „Forscher Ernst“ gibt es hier.)

 

Ein Jahr Pandemie: „Es fehlt gewaltig an Daten.“

24. März 2021 von Laborjournal

Für unser kommendes April-Heft haben wir mehrere Protagonisten der virologischen und epidemiologischen Forschung gefragt, wie sie nach über einem Jahr die hiesige Corona-Forschung beurteilen würden. Unabhängig voneinander nannten sie die systematische Erhebung, Zusammenführung und Auswertung ausreichender Datenmengen als eklatantestes Problem. Das hätte nach deren Meinung gleich in verschiedenen Zusammenhängen deutlich besser laufen können. So heißt es etwa in dem Gespräch mit dem Essener Virologen Ulf Dittmer:

Ein schlechtes Zeugnis stellt Dittmer hingegen der klinischen Forschung zu COVID-19 hierzulande aus. „Klinische Studien zu antiviralen Therapieoptionen zum Beispiel – diese Daten kommen ja fast alle aus England oder den USA.“ Den Grund dafür sieht er in den universitären Strukturen und der Eigenständigkeit der Universitätskliniken. „Als erstes kommt der Konkurrenzgedanke auf“, bedauert er. Das Interesse an gemeinsamen Studien sei gering, sobald die eine Uniklinik eigene Daten einem anderen Partner überlassen müsse. „Das staatlich organisierte System in England hat sicherlich viele Nachteile für das Gesundheitswesen“, räumt Dittmer ein, „aber gerade klinische Multi-Center-Studien funktionieren dort sehr gut; es gehören ja alle Krankenhäuser zusammen, und die tauschen dann auch Daten miteinander aus.“

Der Düsseldorfer Virologe Jörg Timm dagegen vermisst bis heute umfassende Untersuchungen zum Infektionsgeschehen an Schulen:

… Derzeit kooperiert sein Team mit der Universität Bochum, um Infektionsausbrüche an Schulen genauer zu erforschen. „Wir haben schon vermutete Übertragungen innerhalb von Schulen gehabt, die wir über die Sequenzierung bestätigen konnten“, berichtet er. „Aber ebenso gab es vermutete Ausbrüche, bei denen wir über die Sequenzierung zeigen konnten, dass unterschiedliche Einträge von außen dahinter steckten“. Eigentlich seien das recht einfache Untersuchungen, sagt Timm – und hofft, auf diesem Wege in den kommenden Monaten fundierte Ergebnisse zu bekommen, um auf deren Basis über Schulschließungen oder Klassenteilungen in den Altersgruppen zu entscheiden. „Da fehlt es in der Tat noch gewaltig an Daten.“

Und er ergänzt an anderer Stelle:

Um volle Fahrt aufzunehmen, scheiterte es bisher an der Finanzierung. „Wir hätten das gern größer aufgesetzt, doch letztlich stand uns nur das Budget für Forschung und Lehre zur Verfügung“, bedauert Timm.

Der Gießener Virologe Friedemann Weber hingegen kritisierte vor allem, dass Deutschland in der SARS-CoV-2-Vollsequenzierung aus Patientenproben international weit hinterherhinkt:

Allerdings bestätigt auch Weber den Eindruck, dass die Surveillance durch Vollsequenzierung in Deutschland ausbaufähig ist. „Ich glaube, da hat Deutschland einfach keine solche Tradition. Die Briten haben diese Strukturen ja eng an den National Health Service gekoppelt, und das ist eine große Stärke.“ Schließlich müssten die Sequenzen ja auch irgendwo zusammenlaufen und bewertet werten. „Deutschland ist bei der Public Health generell nicht so stark aufgestellt“, findet Weber.

Der Wiener Physiker und Modellierer Peter Klimek machte für Österreich ähnliche Probleme aus, illustrierte sie jedoch mit seinen Studien zur Wirksamkeit nicht-pharmakologischer Maßnahmen:

Zusammen mit Kollegen aus Frankreich und den USA analysierte sein Team Daten aus 56 Staaten, um die Wirksamkeit nicht-pharmakologischer Maßnahmen zu ranken (Nat. Hum. Behav. 4(12): 1303-12). Für Österreich war es jedoch schwer, an verwertbare Daten zu kommen. „Wir haben das Problem, dass unser Gesundheitssystem sehr fragmentiert ist“, ordnet Klimek die Schwierigkeiten beim Zusammentragen und Auswerten ein. „Im Prinzip sind viele Daten vorhanden, aber sie werden nirgends zusammengeführt.“

Und Dittmer machte dieses Problem der mangelnden Datenzusammenführung vor allem auch für Deutschlands Gesundheitsämter aus:

Aber hätten wir nicht seit dem März ausreichend und systematisch Daten sammeln können, um sehr gezielt und evidenzbasiert auf wirksame Maßnahmen im Herbst zu setzen? Und wären diese damit nicht auch politisch besser kommunizierbar gewesen? „Ich glaube, da hatten wir ein eklatantes Problem“, stimmt Dittmer zu. „Es ist uns nicht gelungen, Daten aus den Gesundheitsämtern, die eigentlich vorhanden waren, wissenschaftlich auszuwerten und in Handlungsanweisungen ­umzumünzen.“ Die Gesundheitsämter seien im Frühjahr völlig überlastet gewesen. […] Offenbar sind also durchaus Daten vorhanden, aber sie konnten nicht aufbereitet werden. „Bei allen Meldungen, die dann im RKI ankamen, kannte man deshalb auch nur von einem Fünftel der Infektionen deren Ursprung. Wenn jedes Gesundheitsamt einen Wissenschaftler im Haus hätte, der nichts anderes macht, als Daten zusammenzutragen und auszuwerten, wären wir deutlich weiter.“

Der Eindruck verdichtet sich also, dass die hiesige Corona-Forschung bislang tatsächlich unter einem deutlichen „Datenproblem“ litt.

(Die vollständigen Gespräche mit den genannten und weiteren Forschern gibt’s dann ab 8. April in unserem neuen Heft.)

Mario Rembold

(Foto: AdobeStock / NicoElNino)

 

Zieht die Unis vor!

17. März 2021 von Laborjournal

Auf Twitter haben wir es mehrmals geschrieben: Bei allen Fahrplänen, wie wir aus der Corona-Krise wieder herauskommen könnten, rangiert ein wie auch immer gearteter Präsenzbetrieb an den Hochschulen sehr weit hinten. Die Studierenden sind jung, und auch diejenigen, die den normalen Lehrbetrieb aufrecht erhalten, finden sich mehrheitlich nicht in den sogenannten Prioritätsgruppen – bei den Impfungen dürften sie demnach ziemlich am Ende der Schlange stehen. Und auch jenseits dessen werden kaum umfassende Konzepte diskutiert, wie man auch während der Pandemie wenigstens teilweise eine verantwortungsvolle Präsenzlehre an den Hochschulen realisieren könnte. Warum auch, wenn die landesweiten Corona-Maßnahmen diese seit Anbeginn der Pandemie wie selbstverständlich pauschal unter­sagen?

Mehrfach haben wir daher aufgefordert, diese Haltung eingehend zu überdenken. Unser Kern-Argument: Die gesundheitlichen, gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie werden uns noch lange darüber hinaus intensiv beschäftigen – und die Leute, die dann all die entstandenen Scherben federführend zusammenkehren müssen, sind vor allem die Studierenden von heute. Folglich tun wir uns allen einen großen Gefallen, wenn wir sämtliche in der Pandemie vertretbaren Maßnahmen ergreifen, um ihnen schon jetzt eine Ausbildung in der angesichts der Umstände bestmöglichen Weise zu ermöglichen.

Leider bleibt es jedoch bisher nur bei einzelnen Wortmeldungen und Initiativen. So forderte Peter-André Alt, der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, etwa Anfang März von der Politik, die Hochschulen in Test- und Impfstrategien einzubeziehen. Antworten wurden offiziell keine bekannt. Ebenso sind einige wenige Unis gerade dabei, in Eigenregie Schnelltests für die Teilnahme an Präsenzprüfungen und Laborpraktika anzubieten – so beispielsweise die Uni Magdeburg, die Hochschule Bremerhaven und die Uni Heidelberg. Flächendeckende und einheitliche Konzepte fehlen jedoch weiterhin. Man hört bislang nicht einmal, dass „die Politik daran arbeiten“ würde.

Nicht zuletzt deshalb haben Studierende verschiedener Berliner Hochschulen vor einigen Wochen die Initiative #NichtNurOnline gestartet, um auf die zunehmende „Verödung der Universität“ aufmerksam zu machen. In einem Offenen Brief an den Senat und an alle Berliner Hochschulleitungen prangern sie an: „Die Selbstverständlichkeit, mit der die Universitäten geschlossen gehalten werden, entbehrt jeder Rechtfertigung.“ Und präsentieren überdies Vorschläge, wie eine vorsichtige Öffnung der Hochschulen zumindest ansatzweise angepackt werden könnte. Wir bringen den Brief daher hier im vollen Wortlaut:

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Hemdsärmelig, suboptimal,…

10. März 2021 von Laborjournal

 

 

In unserem neuen Heft haben wir ein langes Interview mit dem Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Virologie, Ralf Bartenschlager von der Uni Heidelberg. Darin sagt er unter anderem über die Förderung der hiesigen Corona-Forschung:

[…] Bartenschlager » Die meiste Förderung, muss man sagen, war zunächst sehr hemdsärmelig. Das waren kurze Finanzspritzen, die wir oft auch erst nachträglich bekommen haben. Das ist angesichts der akuten Notsituation, die sich im März 2020 abgezeichnet hat, verständlich. Die EU und das Bundesministerium für Bildung und Forschung [BMBF] haben inzwischen Gelder bereitgestellt, aber die arbeiten ja strikt Top-Bottom, die Themen sind vorgegeben und zumeist sehr anwendungsorientiert. Man muss also mit seiner Forschung schon recht weit gekommen sein, um in diesen Programmen erfolgreich zu sein. Glücklich ist, wer mit seinem Projekt in den Call passt …

… oder man muss es passend machen.

Bartenschlager » Ja, oder man hat halt Pech gehabt und muss sich eine andere Möglichkeit suchen. In diesem Zusammenhang können wir in Deutschland sehr froh über die DFG [Deutsche Forschungsgemeinschaft] sein, die wirklich die Grundlagenforschung fördert, die Ideen ohne Nutzenbewertung nur nach Innovation und wissenschaftlicher Qualität bewertet. Auch die DFG hat mit Beginn der Pandemie Geld bereitgestellt, wurde aber vermutlich mit einer Vielzahl an Anträgen überrannt. In diesem Fall liegt dann die Zahl an eingereichten Projekten, viele davon von sehr talentierten Forschern, weit über dem, was man finanzieren kann. […]

Zum gleichen Thema schreiben wir im gleichen Heft unter „Inkubiert“:

[…] Die Corona-Pandemie verlangt von der Forschung so dringend wie nie zuvor ganz konkrete Antworten auf bohrende Fragen – nicht zuletzt, um auf deren Basis praktische Entscheidungen für unsere Gesellschaft treffen zu können. Doch hierbei funktionieren die Förderinstrumente der freien Grundlagenforschung offenbar nur suboptimal. Sicher, BMBF und DFG leiten jede Menge ihrer Mittel in Corona-Forschung um. Da sie diese aber wie gewohnt im Wettbewerb ausschreiben, können sie am Ende nur diejenigen Projekte fördern, die die Forscher ihnen anbieten. Und womöglich sind einige wichtige Projekte dummerweise nicht mit im Angebot.

Einfach umschwenken können die Forschungsförderer offensichtlich nicht – und stattdessen klar sagen: „Wir brauchen folgende Daten – wer also das Projekt dazu macht, bekommt Geld!“ Könnte darin gar mit eine Ursache für das zu Recht kritisierte Defizit an koordinierter und systematischer Pandemie-Begleitforschung liegen? […]

Beide Male schimmert also durch, dass es in der gezielten Förderung von Forschung zu SARS-CoV-2 und COVID-19 durchaus Defizite gegeben haben könnte. Weitere Meinungen dazu?

(Illustr.: iStock / Nuthawut Somsuk)

Das Ende der Pandemie

3. März 2021 von Laborjournal

In unserer Reihe „Forscher Ernst und die Corona-Krise“ hat Ernst heute einen seltsamen Traum vom Ende der Pandemie: …

(Gezeichnet von Rafael Florés. Jede Menge weiterer Labor-Abenteuer von „Forscher Ernst“ gibt es hier.)