Konkurrenz? Oh ja, sehr gerne!

26. Februar 2018 von Laborjournal

Oft klagen sie ja, die armen Forscher, dass das überhitzte System sie in einen gnadenlosen Wettbewerb miteinander zwinge. Gäbe es nicht diese elende Gemengelage aus Kurzzeitverträgen, Publikationsdruck und Job-Engpässen, dann… — ja, dann wären sie durchweg die allerbesten Freunde. Keiner würde dem anderen etwas neiden oder gar Böses wollen. Nein, sie würden fröhlich ihre Ergebnisse und Ideen austauschen, möglichst oft miteinander kooperieren — und sich ein Loch in den Bauch freuen, wenn drüben in Japan der Kollege Hamaguchi endlich das Problem gelöst hat, an dem man schon lange selber dran war. Schließlich ist der Fortschritt der Wissenschaft das Einzige, was zählt — wer konkret sie weiterbringt, spielt da überhaupt keine Rolle.

Klingt zu schön, um jemals Wirklichkeit zu werden? Hmm… — man müsste dazu doch „nur“ ein paar festgezogene Stellschrauben des Systems wieder locker drehen, oder?

Aber ob das alleine reichen würde? Beispielsweise würde so gar nicht dazu passen, was neulich ein Forscher uns gegenüber am Telefon proklamierte: „Wissen Sie, ich bin ein überzeugter Anhänger des olympischen Gedankens!“ Damit meinte er natürlich nicht „Dabeisein ist alles!“ Nein, „Citius, altius, fortius“ — „Schneller, höher, stärker“ — gab Pierre de Coubertin seinerzeit als Motto der Olympischen Bewegung aus. Und genau so wollte der Anrufer seinen Satz auch verstanden haben: Knallharter Wettbewerb mit klaren Siegern und Verlierern.

Den Laborjournal-Redakteur erinnerte das umgehend an einen Vortrag, den er vor Jahren von Marshall Nirenberg, einem der Entzifferer des genetischen Codes, hörte. Darin erzählte er, dass er damals in den frühen 1960ern, als er gerade mit den ersten Experimenten begonnen hatte, plötzlich erfuhr, dass Nobelpreisträger Severo Ochoa sich ebenfalls daran machen wollte, den Triplett-Code zu entschlüsseln. Nirenberg beschloss daraufhin, Ochoa eine Zusammenarbeit vorzuschlagen und besuchte ihn in seinem Labor in New York. Ochoa nahm sich einen ganzen Tag lang Zeit, zeigte dem jungen Nirenberg sein Labor, stellte ihm seine Mitarbeiter vor und diskutierte Forschungsthemen mit ihm.

Die Kooperation kam letztlich nicht zustande. Warum genau, erzählte Nirenberg nicht. Stattdessen schloss er die Anekdote folgendermaßen ab:

An diesem Tag wurde mir klar, dass ich einen mächtigen Konkurrenten haben würde. Doch im gleichen Moment registrierte ich zu meiner eigenen Überraschung, dass mir diese Art Wettbewerb wirklich gefallen würde. Und so war es dann auch.

Es scheint also beileibe nicht nur das System zu sein, das die Forscher in den Wettstreit miteinander treibt.