Neues Tempo bei Tierversuchsanträgen

18. Dezember 2017 von Laborjournal

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In unserer September-Ausgabe 9/2017 berichtete unsere Autorin Karin Hollricher, wie das Thüringer Landesamt für Verbraucherschutz (TLV) die Bearbeitung von Anträgen auf Tierversuche unverhältnismäßig lange verschleppte. Zum einen verstieß das Amt damit gegen gesetzlich festgelegte Fristen — zum anderen sorgte es damit logischerweise für große Verärgerung unter den betroffenen Forschern. Vorläufiger Höhepunkt war ein Brief an den Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow, in dem die Wissenschaftler unter anderem schrieben:

„Insgesamt ist die Lage für die Jenaer Lebenswissenschaftler verzweifelt. […] Wir fürchten nicht bloß um den erfolgreichen Abschluss eigener Projekte, sondern um die Zukunftsfähigkeit des Standortes.“

Das war ungefähr auch der Zeitpunkt, zu dem Karin Hollricher mit ihrer Recherche der ganzen Angelegenheit begann. Allerdings sollte sich diese zunächst als nicht ganz einfach erweisen, denn wie sie letztlich selbst im Artikel schrieb:

Die Wissenschaftler, zu denen wir Kontakt aufnahmen, erklärten durchweg, das Thema sei von höherer Stelle mit dem Prädikat „nicht öffentlich“ versehen worden.

Es herrschte also eine Art „Maulkorb-Erlass“.

Am Ende war der Ärger der Beteiligten aber offenbar stärker, so dass unsere Autorin letztlich doch genug Informationen bekam, um die Hintergründe der ganzen Angelegenheit in ihrem Artikel ausführlich darstellen zu können. Und auf diesen wollen wir diejenigen, die sich für die weiteren Details interessieren, jetzt auch verweisen…

Der eigentliche Grund, warum wir die Geschichte an dieser Stelle nochmals „aufwärmen“, ist vielmehr eine E-Mail, die uns gerade von einem der Betroffenen erreichte. Darin schreibt er:

Liebe Frau Hollricher,

zu Ihrem Artikel über die nicht bearbeiteten Tierversuchsanträge in Jena nun doch eine positive Rückmeldung. Der Dekan teilte uns auf der letzten Fakultätsratssitzung mit, dass in den letzten Wochen fast alle Anträge bearbeitet und der größte Teil auch bewilligt wurde. Das Problem mit dem Bearbeitungsstau sei praktisch gelöst. Der Vorsitzende der Tierkommission meinte sogar kürzlich, dass die Anträge zügig bearbeitet werden, seit die Problematik öffentlich gemacht wurde.

Ein schöner Erfolg! Wie gut, dass es in Deutschland eine freie Presse gibt.

Ihnen ganz herzlichen Dank, dass Sie sich der Sache angenommen haben! […]

Tatsächlich ein schöner Erfolg — und irgendwie passend zur Weihnachtszeit.

Ralf Neumann

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„Ich nehme nur Doktoranden, die eine akademische Karriere planen“

5. Dezember 2017 von Laborjournal

Eine ganz bestimmte Äußerung eines gar nicht mal so unbekannten Profs veranlasste mich kürzlich, innezuhalten und folgender Frage nachzugehen: Was machen heute eigentlich all die Kollegen aus den alten Doktorandentagen von vor über zwanzig Jahren?

Tja, akademische Karriere haben nur eine Handvoll gemacht. Die eine oder der andere sitzen auf Lehrstühlen, drei sind fest an Unis im Ausland angestellt — und unser alter Plastiden-Spezialist ist inzwischen sogar Max-Planck-Direktor.

Allerdings — das sind nicht mal zehn Prozent der stolzen Truppe, die in diesen fernen Jahren unser Institut bevölkerte. Und der große Rest?

Gar nicht mal wenige trifft man regelmäßig auf Laborausrüster- und Biotech-Messen wieder — als Abteilungsleiter und Marketingchefs bei Sigma Aldrich, Thermo Fisher und Co., als Gründer eigener kleiner Firmen oder auch etwa als Biotech-Beauftragte einzelner Landesregierungen.

Ein anderer kam nach seinem Postdoc an unser Institut zurück — und wurde dort Verwaltungschef.

Eine weitere Handvoll ging ins wissenschaftliche Publikationswesen — wobei es diese eine Drosophila-Doktorandin sogar ins Editorial Office von Cell schaffte.

Wieder andere stiegen unmittelbar nach der Promotion komplett aus — übernahmen beispielsweise eben doch die Firma des Vaters.

Na ja, und drei wurden eben Verleger und Chefredakteur einer selbstgegründeten Laborzeitschrift.

Ob alle dies jeweils genau so wollten, darf in gar nicht mal so wenigen Fällen bezweifelt werden. Vielmehr gab es schon damals viel zu wenig Platz in der akademisch-wissenschaftlichen Welt, als dass alle Frischpromovierten hier ihren Weg hatten gehen können.

Wenn man entsprechenden Berichten glauben darf, ist das heute allerdings noch schlimmer — und der „Überschuss“ an Doktoren noch viel größer. Weswegen inzwischen umso mehr Studenten ihre Promotion verständlicherweise mit dem klaren Ziel beginnen, danach mit dem Titel in der Tasche außer-akademisch Karriere zu machen. Was ja eigentlich auch immer schon okay war…

Irgendwie kann man es vor diesem Hintergrund nur als zynisch werten, dass der eingangs erwähnte Professor laut eigener Aussage Kandidaten mit ebensolcher „nicht-akademischen“ Karriereplanung explizit als Doktoranden ablehnt — und dies damit begründet, dass er niemanden ausbilden würde, von dem er hinterher nicht selbst in potentiellen akademischen Forschungskooperationen profitieren könnte.

Ralf Neumann