Editorial

Tipp 142:
Vor- oder rückwärts!

Exaktes Pipettieren ist Grundvoraussetzung für verlässliche Ergebnisse. Aber auch Pipettieren will geübt sein.

Tipp: Richtig pipettieren

Pipettieren Sie eigentlich vorwärts oder rückwärts (reverse) und falls Sie vorwärts pipettieren, welchen Vorwärts-Pipettiermodus verwenden Sie? Sie wissen gar nicht, was Vorwärts- und Rückwärts-Pipettieren sein soll? Dann geht es Ihnen wie dem LJ-Redakteur, der während seiner Zeit im Labor einfach die Pipette schnappte und los pipettierte, ohne sich darum zu scheren, ob er nun vorwärts oder rückwärts pipettierte.

Im Grunde ist die Sache aber simpel. Beim Vorwärtspipettieren (nach Modus eins) drückt man den Knopf der Pipette bis zum ersten Druckpunkt, lässt ihn dann wieder los, um die Flüssigkeit aufzusaugen und drückt den Knopf anschließend bis zum zweiten Druckpunkt durch, um die aspirierte Lösung möglichst gründlich aus der Pipettenspitze zu verdrängen. Vorwärts-Pipettiermodus zwei unterscheidet sich nur in einer Kleinigkeit von Vorwärts-Pipettiermodus eins. Statt bis zum zweiten Druckpunkt drückt man hier bis zum ersten, verzichtet also auf das zusätzliche Ausblasen der Pipettenspitze.

Beim Rückwärtspipettieren ist der Ablauf genau umgekehrt: Man drückt den Pipettenknopf sofort bis zum zweiten Druckpunkt durch, saugt die Flüssigkeit in die Spitze und entlässt sie wieder, indem man den Pipettenknopf bis zum ersten Druckpunkt bewegt.

Theoretisch sollten die pipettierten Volumina bei beiden Pipettier-Prozeduren exakt gleich sein. In der Praxis sind sie dies aber offensichtlich ganz und gar nicht. Diese Schlussfolgerung zieht eine Gruppe um Binodh DeSilva vom amerikanischen Biotech-Giganten Amgen, die ihre Ergebnisse aus verschiedenen Pipettier-Experimenten Ende April veröffentlichte (Kinnari Pandya et al., J. Pharm. Biomed. Anal., 53, 623-30).

Nach Angaben der Autoren sind die Pipettier-Künste der Amgen-Mitarbeiter, auch in Zeiten von Pipettier-Robotern, insbesondere bei Liganden-Bindungs-Assays gefragt. Weil bei diesen viele Verdünnungsreihen und pipettierintensive Assays anfallen, wollten Pandya et al. wissen, wie exakt das Laborpersonal pipettiert.


Dazu traten elf Freiwillige gegen einen Pipettierroboter an. Das Ergebnis war ernüchternd, insbesondere bei der Verdünnungsreihe waren die Abweichungen von den Sollwerten mit zunehmender Verdünnung teilweise gravierend. Auf der Suche nach Erklärungen fiel der Amgen-Gruppe auf, dass die elf Pipettier-Probanden unterschiedliche Pipettiertechniken einsetzten. Einige pipettierten überwiegend rückwärts, andere wechselten zwischen vorwärts und rückwärts pipettieren.

Pandya et al. überprüften daraufhin die bei beiden Techniken verteilten Volumina und stellten fest, dass beim Rückwärts-Pipettieren ein Tick mehr Flüssigkeit in den Reaktionsgefäßen landete als beim Vorwärtspipettieren. Dies völlig unabhängig davon, ob das zu pipettierende Volumen 10 oder 900 Mikroliter betrug.

Pandya et al. empfehlen deshalb, dass alle Mitarbeiter einer Gruppe die gleiche Pipettiertechnik verwenden sollten und raten dazu auch neue Mitarbeiter nach diesem Modus zu schulen. Zusätzlich solle man auch andere Pipettiergewohnheiten vereinheitlichen, um konsistente Ergebnisse zu erzielen, etwa das Abwischen der Pipettenspitze oder das Berühren der Wandung des Reaktionsgefäßes während des Einfüllens.

Harald Zähringer



Letzte Änderungen: 16.09.2010