Editorial

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Was können Zitationsvergleiche ... nicht unbedingt?



Ben Buck hatte gerade seine Doktorarbeit in Cambridge abgeschlossen. Strukturbiologie hatte er gemacht, und das ziemlich erfolgreich. Mit dem richtigen Riecher hatte er sich auf die Faltungen eines bestimmten Proteins gestürzt und mit seinen Strukturanalysen auch einiges zum Verständnis der Proteindegradation beigetragen. Beides Themen, die en vogue sind – klar daher, dass seine Publikationen auch häufig zitiert wurden. Genau so hatte er sich das damals gedacht.

Jetzt suchte er eine Postdoc-Stelle. In Deutschland, weil seine Freundin Deutsche war und zurück wollte. Für Buck kein großes Problem, denn auch da gab es ja eine gute Strukturbiologie. Doch wer sollte der Auserwählte sein, dem er seine Fähigkeiten anbieten wollte?

"Schuhmacher", sagte sein Doktorvater. "Ich würde zu Schuhmacher gehen. Der ist Max-Planck-Direktor und hat schon länger eine große Sache am Brüten." Konkreter wurde er jedoch nicht.



Also schaute sich Buck an, wie gut Schuhmachers Arbeiten der letzten fünf Jahre zitiert wurden. Berühmt war es nicht – und die Titel der Publikationen klangen arg methodisch. Irgendein elektronenmikroskopisches Verfahren wollte er derart verbessern, dass man über einzelne zelluläre Strukturen dreidimensionale Informationen erhalten könne.

Nee nee, dachte Buck, das riecht mir nach langwieriger brotloser Kunst, weit weg von guten Papern und vielen Zitaten. Und er schloss sich der "Proteinstrukturfabrik" von Faber an, die im großen Stil eine 3D-Struktur und Proteinfaltung nach der anderen sichtbar machte. Nicht zuletzt wegen seines gut geschmierten "Ladens" war Faber selbst natürlich einer der meistzitierten Strukturbiologen weltweit.

Drei Jahre später bekam Schuhmacher einen der größten deutschen Wissenschaftspreise. Buck, der immer noch am gleichen Protein bastelte, erfuhr auf diese Weise, dass es also schließlich geklappt hatte: Schuhmacher hatte die Möglichkeiten der Elektronenmikroskopie enorm erweitert und konnte nun Zellstrukturen in situ dreidimensional studieren. Logisch, dass seine Zitationszahlen seitdem raketengleich in die Höhe schossen.

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Bei der Verleihung und hörte Buck auch Schuhmachers Dankesrede, in der er kritisch den geringen Stellenwert methodisch orientierter Forschung anprangerte. Solche Forschung sei langfristig angelegt, referierte er. Klar daher, dass sie zwangsläufig in eine Durstrecke führe, die nur wenig Zitations-Punkte abwirft. Er selbst habe beispielsweise während der Entwicklungszeit seiner Technik nahezu sieben Jahre lang kein richtig gutes Paper publiziert. Und das wiederum habe mehrere Konsequenzen gehabt: Es war schwer Geld zu bekommen, die Forscherszene schätzte seine Arbeit nur gering, und kaum ein Doktorand oder Postdoc ließ sich für solch ein Projekt begeistern.

Beim letzten Punkt wurde Buck doch ein wenig heiß um die Ohren.




Letzte Änderungen: 08.09.2004