Editorial

Pandemien & Tierseuchen

Publikationsanalyse 2006-2009: Tiermedizin
von Lara Winckler, Laborjournal 12/2012


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Foto: Alexander Raths/Fotolia

Vier Hotspots, zwei davon in der Schweiz, und das Riemser Friedrich-Loeffler-­Institut beherrschten die Tiermedizin 2006 bis 2009.

Alle paar Jahre bekommen die Tiermediziner eine ungewollte Öffentlichkeit durch Krankheiten, die von Tieren auf Menschen übertragen werden können. Anfang des Jahrtausends geisterte die „BSE-Epidemie“ durch die Schlagzeilen, so mancher überenthusiastische Journalist sprach von zigtausend Toten (Menschen), und einige Politiker, etwa in Großbritannien, ließen sich von der Furcht anstecken. Sollten etwa BSE-Fälle unter Schafen auftreten, so wolle man alle Schafe Großbritanniens töten, hörte man aus Regierungskreisen. Bei jeder neuen „Pest“ – erst war es die „Vogelgrippe“, dann die „Schweinepest“, dann kam die Angst vor einer kombinierten Schweine-Vogel-Supervirus-Pandemie – überschlagen sich die Zeitungen förmlich mit Horrormeldungen.

Was an diesen Schauerszenarien dran ist, wie es zu einer Pandemie kommt und wie man verhindern könnte, dass etwa Viren auf den Menschen überspringen, damit beschäftigen sich unter anderem die Tiermediziner. Insbesondere die Wissenschaftler des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) für Virusdiagnostik auf der Insel Riems haben sich auf anzeigepflichtige Tierseuchen spezialisiert. 13 FLI-Wissenschaftler, darunter allein acht vom Riemser FLI, sammelten genügend Zitierungen, um unter die 50 meistzitierten Tiermediziner des deutschsprachigen Raums zu gelangen – mit Artikeln zu Vogel- und Schweinegrippeviren, Blauzungen- und Hantaviren sowie solchen über die Prionen­erkrankungen Scrapie und BSE bei Schaf und Rind. Unter ihnen sind Thomas Mettenleiter (3.), Leiter des Riemser Instituts für Molekularbiologie (IMB) und Präsident des FLI, sowie sein Stellvertreter Franz Conraths (38.), Leiter des Instituts für Epidemiologie am FLI-Standort Wusterhausen.

Auf so eindeutig tiermedizinische Themen legten sich jedoch längst nicht alle gelisteten Wissenschaftler fest. Betrachtet man etwa den Glykobiologen Hans-Joachim Gabius (1.), Lehrstuhlinhaber Physiologische Chemie an der Tierärztlichen Fakultät LMU München, und seine Mitarbeiter Sabine André (2.) und Herbert Kaltner (29.), so entdeckt man erst auf den zweiten Blick, dass sie unter anderem an viralen und bakteriellen Lektinen forschen, die relevant für Infektionen sind. Auch der Münchener Fachtierarzt für Mikrobiologie Gerd Sutter (12.), Mitautor des bis heute meistzitierten Artikels aus den Jahren 2006-2009, fällt in diese Kategorie, ebenso wie der Veterinärbiochemiker Michael Hottiger (14.), Uni Zürich.

Hotspots

Auf der Themenliste standen auch die Reproduktionsmedizin bei Nutztieren sowie die Herstellung von transgenen Tieren, vorzugsweise Schweine, als Organlager für Xenotransplantationen – Spezialgebiete etwa von Eckhard Wolf (4.), Lehrstuhl für Molekulare Tierzucht und Biotechnologie am Genzentrum der LMU München und einer von acht Münchener Tiermedizinern in diesem Vergleich. Die bayerische Landeshauptstadt belegt gemeinsam mit dem Riemser FLI Platz 2 des Städterankings.

Bei weitem die meisten Forscher in dieser Analyse arbeiteten in den Jahren 2006 bis 2009 jedoch in Zürich. Allen voran Roger Stephan (5.), Direktor des Instituts für Lebensmittelsicherheit und -hygiene an der Uni Zürich. Er und seine Mitarbeiter interessieren sich in erster Linie für sogenannte latente Zoonoseerreger – Erreger, die vom gesunden Tier über Lebensmittel oder beim Schlachten in den Menschen gelangen. Darunter sind etwa Enterobakterien, Listerien und Mycobakterien. Deren Rolle bei der Entstehung von Morbus Crohn betrachteten Stephan und Kollegen in einer Meta-Analyse, welche die Community so reichlich zitierte, dass sie es unter die zehn bis heute meistzitierten Tiermedizin-Artikel der Jahre 2006-2009 schaffte.

Und auch die Berner Tiermediziner können sich sehen lassen. Etwa die Gruppe um Joachim Frey (15.), die bakterielle Erreger von Tierkrankheiten und Zoonosen, speziell Mykoplasmen, Clostridien und Campylobacter, untersucht. Oder Bruno Gottstein (31.), Leiter der Berner Parasitologie, der laut Web of Science zusammen mit Peter Deplazes (16.), Leiter der Parasitologie Uni Zürich, dessen Vorgänger Johannes Eckert wie auch seine Kollegen Paul Torgerson (37.) und Andrew Hemphill (42.) zu den bis heute meistzitierten Echinokokkose-Spezialisten weltweit gehört.

Während die Schweizer in der Tiermedizin mit 19 der Top 50 sehr gut aufgestellt sind, sucht man die Österreicher fast vergebens. Nur zwei Wissenschaftler von der ältesten tierärztlichen Hochschule im deutschsprachigen Raum – der Veterinärmedizinischen Universität Wien – sammelten genug Zitierungen für einen Platz unter den Top 50: Der Steroidhormonforscher Rupert Palme (24.), Institut für Medizinische Biochemie, und Norbert Nowotny (32.), Klinische Virologie.



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Letzte Änderungen: 27.12.2012