Editorial

Rechnungen mit Wirt

Zitationsvergleich 1998 bis 2000: Parasitologie
von Ralf Neumann, Laborjournal 3/2003


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Das Interesse an Parasiten ist durchaus vielfältig. Und kommt nicht nur aus medizinischen Disziplinen.

"Schmarotzerkunde" nannten die Deutschen früher in ihrer Sprache die Parasitologie. Und definieren sie bis heute als "die Wissenschaft von Parasiten, ihrer Lebensweise und ihren Wechselwirkungen mit Wirt und Umwelt". Wobei streng genommen nur eukaryotische Organismen gemeint sind: Protozoen, Würmer, Insekten und Spinnentiere in der Hauptsache.

Damit ist die Parasitologie ist ein wohldefiniertes Feld, denkt man. Wer sich mit eukaryotischen Organismen beschäftigt, die schmarozend in anderen leben, sollte demnach Parasitologe sein. Größtenteils ist das sicher auch so. Auszuschließen wären allenfalls diejenigen, die sich ausgerechnet einen parasitären Organismus als Modellobjekt für irgendwelche biochemisch oder sonstwie motivierten Studien erkoren haben. Solche also, denen es gar nicht um den Schmarotzer selbst geht. Aber das kommt selten vor.

Dennoch schadet es nicht, ein wenig zu differenzieren. Denn naturgemäß sind Parasiten aus mehreren verschiedenen Richtungen interessant. Da sind sicherlich zuerst einmal die Mediziner und Veterinäre, die vor allem den Kampf gegen pathogene Parasiten im Sinn haben. Insbesondere also Infektionsmediziner, Tropenmediziner, vielleicht auch noch ein paar Pathologen.


Problematische Immunologen

Ein wenig schwierig wird es jedoch bei den Immunologen, da viele zu ihren Studien über die Mechanismen der Immunantwort unter anderem – aber nicht ausschließlich – Parasiten heranziehen. Für unseren Vergleich sollten sie daher nur zählen, wenn sie ihren forscherischen Schwerpunkt deutlich auf Immunparasitologie haben.

Bei dem Dritten in der Liste der "meistzitierten Köpfe", Christian Bogdan von der Klinischen Mikrobiologie & Immunologie der Uni Erlangen, ist das etwa der Fall. "Hauptdarsteller" in fast allen seiner Paper der Jahre 1998-2000 war Leishmania major, ein klassischer einzelliger Parasit. Etwas weniger eindeutig ist dies der Fall bei Martin Röllinghoff, der als Direktor von Bogdans Instituts einen Platz vor diesem landete. Allerdings bezeichnet Bogdan ihn als denjenigen, der in Erlangen die Immunparasitologie eingeführt hatte und über viele Jahre selbst an der Abwehr von Leishmanien forschte. Also akzeptierten wir ihn als "Grenzfall".

Der Rest der "Top Five" dürfte dagegen keine Probleme bereiten, handelt es sich doch ganz klar um "Schmarotzerkundler". So leitet etwa Peter Kremsner, der mit einigem Abstand Meistzitierte, nicht nur die Abteilung Parasitologie in der Tübinger Tropenmedizin, sondern ist seit März 1992 auch Leiter der Forschungsabteilung am berühmten Albert Schweitzer Hospital in Lambaréné/Gabun. Platz Vier und Fünf für den Zürcher Peter Deplazes sowie Marcel Tanner, Chef des Schweizerischen Tropenistituts in Basel, dokumentieren zugleich die starke Stellung der Parasitologie in der Schweizer Forschungslandschaft. Immerhin noch neun weitere Schweizer Forscher schafften den Sprung unter die Top 50.

Doch nicht nur Mediziner interessieren sich für Schmarotzer, auch Biologen. Und wiederum ist hier das Spektrum breiter gestreut, als es auf den ersten Blick erscheinen mag. Da sind etwa Biochemiker, die sich für Parasiten-spezifischen Stoffwechsel interessieren. Siehe etwa die Gießener Hassan Jomaa (17.) und Ewald Beck (10.), die dabei zugleich einen Angriffspunkt zur spezifischen Bekämpfung von Malaria ausmachten – und darüber das meistzitierte Paper des Bewertungszeitraums schrieben.

Dann sind da die Genetiker/Genomiker. Diese interessieren sich beispielsweise für die oftmals besonders ausgeprägte Reduktion von Parasitengenomen. Oder sie suchen nach Wegen, durch genetische Veränderungen der Überträger das parasitäre Wirtshüpfen bereits vor der Infektion des Menschen zu stoppen. Fotis Kafatos (6.), Direktor des EMBL in Heidelberg, gehört etwa dazu. Zudem war dieser auch eine der treibenden Persönlichkeiten auf dem Weg zur Genomerstellung des Malaria-Überträgers Anopheles gambiae (LJ 11/2002, S. 8).

Und nicht zu vergessen sind natürlich diejenigen, die aus dem Dreieck "Ökologie-Verhaltensforschung-Evolution" kommen. Diese widmen sich vor allem dem koevolutioniären Wettrennen zwischen Wirt und Parasit samt deren Ökologie. Auch hier scheint wiederum die Schweiz besonders stark, wie etwa der Zürcher Paul Schmid-Hempel (14.) sowie der Berner Zoologe Heinz Richner (37.) andeuten. Dieter Ebert, bis 2001 in Basel und jetzt in Fribourg, schaffte es als Dritter in diesem Bunde zwar nicht unter die Top 50, schrieb aber den am zweithäufigsten zitierten Review des Bewertungszeitraums.

Fehlen noch die Pflanzen- und Pilzforscher. Natürlich wird auch hier viel Schmarotzerkunde betrieben. Als Beispiel sei hier die Marburger MPI-Direktorin Regine Kahmann erwähnt, die die Wirts-Parasitenbeziehung zwischen Mais und dem Pilzschädling Ustilago maydis (Maisbeulenbrand) erforscht. Jedoch, während die Zoologen und die Mediziner sich noch in den gängigen Journals wie etwa Parasitology begegnen, publiziert Kahmanns Zunft in völlig anderen Zeitschriften. Daher fanden diese bereits ihren Platz im Zitationsvergleich "Pflanzenforschung" (LJ 4/2001, S. 31) – oder werden ihn in einem zukünftigen Vergleich "Pilzforschung" finden. Man will ja möglichst nicht Äpfel mit Birnen vergleichen.

Zum Schluss noch ein seltenes Erlebnis: Wir hatten ursprünglich Rolf Horstmann vom Hamburger Bernhard Nocht-Institut für Tropenmedizin auf Platz 19 in der Liste. Der aber schrieb uns, dass er inzwischen "in die Riege der klinischen Genetiker gerutscht" sei und seine bestzitierten Publikationen daher aus klinisch-genetischen ‘Übungen’ mit anderen Erkrankungen wie etwa Parkinson stammten. So etwas verzerre Zitationsvergleiche, weshalb ihm eine Nennung in der Parasitologie zu diesem Zeitpunkt problematisch erscheine. "Ich hoffe aber, dass ich in einer der nächsten Runden wieder dabei bin, sei es als klinischer Genetiker oder – dann zu Recht – als Parasitologe", schließt er. Hut ab!.



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Letzte Änderungen: 08.09.2004