Editorial

Pumpen und Schläuche

Zitationsvergleich 1997 bis 1999: Herz- und Gefäßforschung
von Ralf Neumann, Laborjournal 9/2002


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Kein Österreicher, vier Schweizer, der gesamte Rest Deutsche – dennoch steht ein Zürcher an der Spitze der meistzitierten Herz- und Gefäßspezialisten.

Wer ganz allgemein Herz- und Gefäßforschung analyieren will, sieht sich schnell einem Abgrenzungsproblem gegenüber: Wen nimmt man noch dazu, und wen nicht mehr?

Klar, "Pumpe" und "Schläuche" dienen dem Bluttransport. Was macht man also mit den "Blutforschern", den Hämatologen – und in gewissem Sinne auch denjenigen, die sich mit den Zellen des Immunsystems beschäftigen? In diesem Fall fiel die Entscheidung recht leicht: Die Immunologen hatten bereits ihren eigenen Publikationsvergleich, und die Hämatologen waren ebenfalls schon bei den Krebsforschern vertreten. Nicht zuletzt sind Hämatologie und Onkologie ja auch aus historischen Gründen in den klinischen Einrichtungen zusammen gefasst.

Etwas schwieriger war die Entschei-dungsfindung bei den Bluthochdruck-Forschern. In dieses Feld drängen aus naheliegenden Gründen mit Macht auch die Nephrologen herein. Gerade in Deutschland gibt es aus dieser Gattung einige Exemplare, die publikationstechnisch die Hochdruckforschung ganz klar dominieren: Friedrich C. Luft aus Berlin etwa, der Hannoveraner Hermann Haller oder Karl-Heinz Rahn aus Münster. Und natürlich publizieren sie auch in denselben Journalen wie die kardiovaskulären Bluthochdruckforscher. Dennoch, wir haben die nephrologischen Hochdruckforscher rausgelassen. Schließlich bekommen die Nierenforscher bald ihren eigenen Publikationsvergleich.

Was für die Top 50 bleibt, sind 36 klinische Kardiologen, drei Chirurgen, fünf Physiologen oder Pharmakologen, zwei nominelle Arterioskleroseforscher sowie lediglich vier vaskuläre Biologen im weiteren Sinne. Letzteres überrascht ein wenig, da die vaskuläre Biologie – nicht zuletzt durch die jüngsten Fortschritte in der Angiogenese-Forschung – momentan zu den "In-Disziplinen" der Biomedizin zählt. Vielleicht ist dafür aber der Bewertungszeitraum für Veröffentlichungen der Jahre 1997-99 noch zu früh angelegt. Zum anderen forschen durchaus auch viele nominelle Kardiologen stärker über Gefäße als am Zentralorgan selbst, wie sich auch die in der Liste vertretenen Physiologen komplett der Regulation der Gefäßwände widmen.


Starke Standorte

Dennoch konnten sich die beiden deutschen Top-Endothelforscher gut platzieren: Werner Risau, der 1998 allzu früh verstorbene Direktor der Abteilung Molekulare Zellbiologie am Bad Nauheimer MPI für physiologische und klinische Forschung, kam mit den zweitmeisten Zitierungen sogar auf das "Treppchen" und zeichnete zudem den mit Abstand meistzitierten Review. Sein Kollege Dietmar Vestweber erscheint immerhin als Ko-Autor des meistzitierten Artikels und belegt in der "Köpfe-Wertung" Rang 9. Vestweber leitet bis heute das Institut für Zellbiologie am Münsteraner Zentrum für Molekularbiologie der Entzündung und war bereits als weiterer Direktor am Bad Nauheimer MPI vorgesehen, als es sich die Max-Planck-Gesellschaft noch einmal anders überlegte: Im letzten Jahr beschloss sie die Einrichtung eines neuen Instituts für Vaskuläre Biologie in Münster - mit Vestweber als Gründungsdirektor.

Klar auch, dass Münster damit als starker Standort für kardiovaskuläre Forschung einen weiteren "Boost" erhält. Dies dokumentieren neben Vestwebers Mitarbeiter Eric Borges (28.) noch vier weitere Münsteraner unter den Top 50. Allen voran Gerd Assmann auf dem dritten Platz, geschäftsführender Direktor des Instituts für Arterioskleroseforschung an der Universität, das der Wissenschaftsrat unlängst für die Aufnahme in die Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz (WGL) empfahl. Auch der Chef der Münsteraner Inneren Medizin C mit Schwerpunkt Kardiologie und Angiologie, Günter Breithardt (17.), leitet dort zusätzlich einen Bereich "Koronare Herzkrankheiten" mit drei Arbeitsgruppen.

Ebenfalls jeweils sechs Forscher brachten Frankfurt und München unter die Top 50. Frankfurt profitiert dabei vor allem von den Synergien, die sich aus der fruchtbaren Zusammenarbeit der kardiologischen Klinik unter Andreas Zeiher (5.) mit der kardiovaskulären Physiologie unter Rudi Busse (6.) ergeben. In München sind es insbesondere die Forscher des Herzzentrums der TU am Klinikum rechts der Isar, die in den letzten Jahren fleißig Zitierungen sammeln konnten. Gleich vier Mitarbeiter zog "Chef" Albert Schömig (4.) mit unter die ersten Fünfzig.

Getoppt wurden aber alle miteinander von einem Schweizer: Thomas Lüscher, Leiter der Kardiologie am Zürcher Universitätsspital sowie der Abteilung Kardiovaskuläre Physiologie am Physiologischen Institut der Uni Zürich. Er ist zugleich das Paradebeispiel des Kardiologen, der vorwiegend über die Gefäßwand forscht – vor allem die Regulation der Endothelspannung durch Stickstoffmonoxid (NO) – und damit seine meistzitierten Veröffentlichungen macht.

Damit war es das aber auch schon fast gewesen mit der Schweiz. Gerade noch zwei ehemalige Mitarbeiter von Lüscher, Pierre Moreau (39.) und Livius d´Uscio (40.) schafften es in die Liste, zudem Lüschers Kollege aus dessen Berner Zeiten, Sidney Shaw (26.).

Immerhin. Von den österreichischen Nachbarn landete zum wiederholten Male keiner unter die ersten Fünfzig.

Bleibt zum Schluss auch hier wieder das gleiche Missverhältnis, das wir schon bei den Gastroenterolegen und Hepatologen im letzten Heft erwähnt hatte: Die Spitzen der klinischen Herz- & und Gefäßforscher "machten" in den drei Jahren bis zu hundert Artikel, deren Kollegen aus der Grundlagenforschung kamen allenfalls auf um die dreißig.

Wie auch im letzten Heft dieselbe Frage: Wer erklärt uns das?


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Letzte Änderungen und Korrektur: 03.06.2005