Editorial

Schweizer Klasse

Publikationsvergleich 1997-99: Pharmakologen
von Ralf Neumann, Laborjournal 6/2001


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Pharmakologie ist vor allem Sache der Universitäten - in Deutschland, wie auch in der Schweiz. Allerdings mit unterschiedlichem Erfolg.

In der Pharmakologie haben die Schweizer ihre Nasen weit vor den deutschen Kollegen - so sieht es jedenfalls das amerikanische Institute for Scientific Information (ISI), das weltweite Zentralinstitut für Paper- und Zitatezählen. Im Detail: Für die Jahre 1995 bis 1999 zählt das ISI in den Autorenzeilen von 8,54 % aller wissenschaftlicher Paper weltweit mindestens einen Forscher mit deutscher Adresse. Unter allen pharmakologischen Artikeln diesen Zeitraums beträgt der entsprechende deutsche Anteil jedoch nur 7,57%. Unterdurchschnittlich also, gemessen am deutschen Gesamt-Paperausstoß.


Das ISI dämpft

Nun, das mag zuerst nicht weiter jucken, wenn denn wenigstens die Qualität stimmt. Dummerweise dämpft das ISI auch hier: Zwischen 1995 und 1999 wurden pharmakologische Artikel mit deutscher Beteiligung im Mittel um 5 Prozentpunkte weniger zitiert als alle pharmakologischen Paper weltweit.

Anders die Schweizer: Deren Anteil an allen pharmakologischen Artikeln zwischen 1995 und 1999 trifft ziemlich genau den Anteil der Schweizer an allen wissenschaftlichen Artikeln überhaupt: Schweizer Autoren stehen auf 1,8% der pharmakologischen Paper, wie auch auf 1,82% aller Paper weltweit.

Schweizer Quotenkönige

Noch weiter klafft die Schere indes bei den Zitaten auseinander: Pharmakologische Artikel mit Schweizer Beteiligung wurden 1995 bis 99 gleich um 51 Prozentpunkte häufiger zitiert als der globale pharmakologische Durchschnittsartikel dieses Zeitraums. Eine solche Quote schaffte - nebenbei erwähnt - Deutschland in keiner einzigen Wissenschaftsdiziplin. In der Schweiz dagegen schnitten die Physik, die Ingenieurswissenschaften sowie Ökologie und Umwelt noch besser ab.

In unserer Analyse, welche pharmakologischen Arbeiten aus den Jahren 1997-99 bis heute am häufigsten zitiert wurden, spiegeln sich die ISI-Ergebnisse durchaus wider. So finden sich in den Autorenlisten der beiden meistzitierten Artikel dieses Zeitraums Forscher aus der deutschsprachigen Schweiz: Die damaligen Basler Niko Ghilardi und Radek Skoda auf dem besten sowie die Zürcher klinischen Pharmakologen um den Leber- und Gallenspezialisten Peter Meier-Abt auf dem am zweitbesten. Aus den Labors des letzteren kommt zudem noch das Paper mit den fünftmeisten Zitierungen.

Da wundert kaum, dass die Forscher aus Basel, Bern und Zürich auch unter den meistzitierten Köpfen" gut verteten sind: Zwölf, die im analysierten Zeitraum zumindest teilweise dort arbeiteten, schafften es unter die Top 50; acht davon unter die ersten 18; fünf unter die besten 9. Der bereits erwähnte Peter Meier-Abt wurde mit genau 600 Zitierungen Drittbester, was zum besten Eidgenossen" allerdings nicht reichte. Mit 55 Zitierungen mehr rutschte sein Zürcher Kollege Jean-Marc Fritschy von der nicht-klinischen" Pharmakologie noch an ihm vorbei auf Platz zwei.

Fritschy selbst bezeichnet sich indes - trotz seines Türschilds Institut für Pharmakologie" - als Neurobiologe und publiziert auch vorwiegend in den entsprechenden Journals. Damit ist er kein Einzelfall, denn, wie sooft, sind die Grenzen zwischen Neurobiologie sowie Neuro- oder Psychopharmakologie fließend - vor allem bei denen, die an Neurotransmittern oder neuralen Ionenkanälen arbeiten. Weitere Beispiele hierfür in unserer Liste sind etwa der Zürcher Hanns Möhler (Platz 25) und sein Mitarbeiter Dietmar Benke (Platz 14), oder der Homburger Veit Flockerzi (Platz 39).


Berliner Kaderschmiede

Diese Beispiele deuten aber schon an: Thema Nummer eins unter den Pharmakologen ist die Signaltransduktion. Und hier neben den Signalprozessen im Nervensystem vor allem noch diejenigen bei Herz-Kreislauf und im Immunsystem.

Da wundert es nicht, dass auch der meistzitierte Forscher unseres Vergleichs ein Signal-Experte ist: Günter Schultz von der Freien Universität Berlin. Damit bestätigt er Platz 1 aus dem letzten Publikationsvergleich Pharmakologie" nach damals noch anderem System (LJ 4/98). Schultz´ starke Stellung in der deutschen Pharmakologie verdeutlicht die Liste jedoch noch auf andere Weise. Gleich drei Forscher finden sich darin, die in den letzten Jahren aus seiner Abteilung auf pharmakologische Lehrstühle berufen wurden: Stefan Offermanns (Platz 8) nach Heidelberg, Thomas Gudermann (Platz 22) nach Marburg, sowie Doris Koesling (Platz 31) nach Bochum.

Insgesamt arbeiteten zehn Forscher der Top 50 während des analysierten Zeitraums zumindest teilweise in Berlin. Und nicht nur bei Schultz: Drei Köpfe" kommen noch aus der Klinischen Pharmakologie der Charité, mit deren Chef, Ivar Roots, auf Platz 10; drei weitere arbeiten am Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie, einem Institut der Leibniz-Gemeinschaft.

Letztere gehören zu den wenigen der Liste, die an einem außeruniversitären Institut arbeiten. Hinzu kommen lediglich noch die beiden Industrie-Forscher Wojciech Danysz (40.) und Vincent Mutel (48.). Allenfalls bei Detlev Ganten (14.), dem Vorsitzenden der Helmholtz-Gemeinschaft deutscher Großforschungszentren (HGF, siehe S. 8), könnte man noch geltend machen, dass er neben seinen Labors an der Klinischen Pharmakologie der Freien Universität Berlin, auch noch eine Gruppe am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin, eben einem HGF-Institut, leitet.

Ansonsten ist die Pharmakologie in Deutschland, wie auch der deutschsprachigen Schweiz, fest in der Hand der Universitäten. 45 Forscher der Top 50 arbeiten dort; 11 davon an einem Institut für klinische Pharmakologie - einer, Wolfgang Löscher (Platz 46), ist Pharmakologe an einer tiermedizinischen Fakultät.


Spiegel der Uniforschung?

Jetzt mögen einige unken: Vielleicht liegt gerade darin die Ursache für den großen Unterschied im Abschneiden der Schweizer und der deutschen Pharmakologen in der ISI-Analyse? Vielleicht ist dieses in etwa ein Spiegel der unterschiedlich guten Forschungsbedingungen an den Universitäten beider Länder? Und womöglich tritt dieser in der Pharmakologie besonders zutage, da hier die Forschungsleistungen der Deutschen im Unterschied zu manch anderer biomedizinischen Disziplin nicht von MPIs, HGF-Zentren oder anderen außeruniversitären Forschungsinstituten unterstützt und bisweilen gerettet werden? Vielleicht. Kommentare hierzu sind der Redaktion willkommen.


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Letzte Änderungen: 08.09.2004