Editorial

Rasend schnelle Zyklen
Produktübersicht: Thermocycler

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In der Zeit, die Standard-Thermocycler benötigen, ihre Blöcke aufzuheizen, ist der derzeit schnellste Thermocycler schon fast durch mit der PCR.

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Ähnlich wie der Teig in einem Waffeleisen wird bei dem neuen holländischen Thermocycler eine Plastikfolie mit den PCR-Ansätzen zwischen zwei Metallblöcken erhitzt.

Als der Pathologe Carl Wittwer Ende der achtziger Jahre sein erstes eigenes Labor an der Universität in Utah, USA, aufbaute war die Zahl brauchbarer Thermocycler für die PCR noch sehr überschaubar. Und die wenigen Thermocycler, die es zu kaufen gab, stellten die Forscher mit ihren mehr als bescheidenen Heiz- und Kühlraten auf eine harte Geduldsprobe. Ein typischer PCR-Lauf mit dreißig bis vierzig PCR-Zyklen dauerte Stunden. Die meisten Forscher ließen die Ansätze deshalb gleich über Nacht laufen – um dann am anderen Morgen festzustellen, dass die PCR wieder mal nicht so funktioniert hatte wie sie sollte.

Wittwer hatte auf diese lahmen Kisten offensichtlich keine Lust. Er wollte einen Cycler, der wesentlich flotter heizte und kühlte als die damals üblichen Peltier-beheizten Blockcycler. So fing er mit seiner Gruppe an, einen luftbeheizten Thermocycler zu basteln. Nach einigen ziemlich abenteuerlichen Prototypen, in denen seine Leute die PCR-Ansätze mit Heizspiralen aus Haarföhnen erhitzten und mit Staubsauger-Ventilatoren kühlten, hatte sein Team recht bald den Dreh raus. 1991 stellte Wittwer den ersten luftbeheizten Karussellcycler vor, den er Rapid Cycler nannte.

Geschwindigkeits-Freak

Der Rapid Cycler glänzte mit Heizraten von mehr als 10 °C pro Sekunde und ermöglichte rasante PCR-Läufe die bereits nach einer knappen Viertelstunde PCR-Produkte lieferten. Wittwer gründete schließlich die Firma Idaho Technology, die den Rapid Cycler schon bald an die Diagnostiksparte des Schweizer Pharmakonzerns Roche auslizenzierte, die ihn schließlich zum heutigen Light Cycler weiterentwickelte.

Wittwer hätte sich also auf seinen LightCycler-Meriten ausruhen und sich mit den Patent-und Lizenz-Einnahmen ein schönes Forscherleben machen können. Offensichtlich ist er jedoch aus einem anderen Holz geschnitzt. Er arbeitete kontinuierlich an schnelleren und einfacheren Methoden für die Nukleinsäure-Analyse weiter. Und auch der Ehrgeiz, die Geschwindigkeit von Thermocyclern auf die Spitze zu treiben, hat ihn über die Jahre nicht verlassen.

Anfang letzten Jahres stellte seine Mannschaft das Konzept eines superschnellen Thermocyclers vor, der seinen Namen Extreme Cycler, einer extrem kurzen Zykluszeit von unter einer Sekunde (pro Zyklus) verdankt (Clinical Chemistry 61, 145-53). Gerade einmal 28 Sekunden benötigt Wittwers Extrem Cycler, um zum Beispiel ein 45-Basenpaare langes DNA-Fragment in 35 Zyklen zu amplifizieren.

Schaut man sich die Technik an, die hinter diesen ultrakurzen Zykluszeiten steckt, fällt einem vor Erstaunen fast die Kinnlade runter. Wittwer verwendet keine Hightech-Heizblöcke oder exotische physikalische Phänomene als Heizquellen: Er geht einfach weit zu den Wurzeln der PCR zurück und heizt, beziehungsweise kühlt die PCR-Ansätze in zwei direkt nebeneinander platzierten Wasserbädern mit heißem und kaltem Wasser.

Simple Wasserbäder

Im Gegensatz zu kommerziellen Wasserbad-Thermocyclern für die Hochdurchsatz-PCR, bei denen die Reaktionsgefäße gemächlich von einem Wasserbad in das andere tauchen, geht der Wechsel zwischen den Wasserbädern in Wittwers Thermocycler jedoch mit einer aberwitzigen Geschwindigkeit von statten. Die Kapillaren mit den PCR-Ansätzen sind in einer L-förmigen Halterung befestigt, die ähnlich wie die Startkurbel eines Oldtimermotors, auf der Achse eines elektrischen Schrittmotors sitzt.

Ein Fühler misst die Temperatur der Reaktionsansätze und gibt dem Schrittmotor ein Startsignal, sobald die gewünschte Temperatur für Denaturierung, Annealing oder Elongation erreicht ist. Innerhalb von Sekundenbruchteilen schwenkt die Halterung um und taucht die PCR-Ansätze von einem Wasserbad in das andere. Da die Temperatur der Wasserbäder praktisch ohne zeitliche Verzögerung auf die Reaktionsansätze in den dünnwandigen Kapillaren übertragen wird, und auch der Wechsel zwischen den Wasserbädern nur Sekundenbruchteile dauert, ist ein einzelner PCR-Zyklus im Extremfall bereits nach einer halben Sekunde abgeschlossen.

Damit die von Wittwers Gruppe verwendete KlenTaq-Polymerase mit den schnellen Temperaturwechseln mithalten kann, musste das Team die Konzentration von Polymerase und Primern auf das zwanzigfache der üblichen Konzentration erhöhen. Konkret heißt dies, dass Konzentrationen von mindestens 10 µMol/L Primer und 1 µMol/L KlenTaq nötig sind, damit die ­Extreme Cycler-PCR mit mehr als neunzig Prozent Effizienz abläuft und hohe Ausbeuten liefert.

Als Carl Wittwer seinen Turbo-Cycler im letzten Jahr vorstellte, gab es keinen kommerziellen Thermocycler, der auch nur annähernd an die Hochgeschwindigkeits-Zyklen des Extreme Cyclers herankam.

Inzwischen sieht dies etwas anders aus. Das niederländische Start-up Molecular Biology Systems (MBS) brachte Anfang November diesen Jahres den sogenannten Nextgen-PCR Thermocycler auf den Markt, der 30 PCR-Zyklen in weniger als zwei Minuten herunterreißt: Exakt eine Minute und neunundfünzig Sekunden benötigt der Cycler, nach Angaben von MBS, um ein 100 Bp-Fragment zu vervielfältigen. Die Amplifikation des kompletten, aus 29 Fragmenten zusammengesetzten BRCA1-Gens schafft er in weniger als zehn Minuten.

Vom Insel-Lehrer zum Erfinder

Hinter dem pfeilschnellen neuen Thermocycler steckt der Holländer Gert de Vos, der bis vor wenigen Jahren noch als Biologie- und Physiklehrer auf der holländischen Antilleninsel Curaçao arbeitete. Offensichtlich fühlte er sich eher zum Erfinder berufen als dazu, in den Strandbars der Karibikinsel Blue Curaçao zu schlürfen. 2014 gründete er unweit von Antwerpen die Firma MBS, mit der er seine jüngste Idee eines Thermocyclers mit neuartigem Heizkonzept in kürzester Zeit in die Tat umsetzte.

Die Heiztechnik des Nextgen-PCR Cyclers ist erstaunlich simpel und ähnelt einem Waffeleisen. Der Cycler enthält drei nebeneinander liegende, in zwei Hälften geteilte Alublöcke, die auf die gewünschten Denaturierungs-, Annealing- sowie Elongationstemperaturen temperiert sind. Die PCR-Ansätze pipettiert man in die winzigen Näpfchen einer Polypropylen-Folie, die anschließend mit einer hauchdünnen Folie versiegelt und zwischen den beiden Denaturierungs-Blöcken platziert wird.

Wie bei einem Waffeleisen schließen sich die flachen Alublöcke nach dem Start des Cyclers und erhitzen in Sekundenbruchteilen die dazwischen liegenden PCR-Ansätze in den Wells der Folie. Nach wenigen Augenblicken öffnen sie sich wieder, und die Folie wird zu den benachbarten Annealing- und Elongations-„Waffeleisen“ befördert, in denen sich die Prozedur wiederholt.

Nach den Daten von MBS liegt die Temperaturuniformität der Aluminumblöcke bei 0,1 °C. Deutlich niedriger als bei konventionellen Thermocyclern ist der Energieverbrauch, MBS beziffert ihn mit 25 Watt pro PCR-Experiment. Klingt nach einem reizvollen neuen Spielzeug für Molekularbiologen, wäre nicht der happige Preis von fast 15.000 Euro. Das ist ziemlich viel Geld für ein PCR-Waffeleisen, das zwar superschnelle PCRs erlaubt, aber keine teuren „Wunderbauteile“ enthält.

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(Erstveröffentlichung: H. Zähringer, Laborjournal 12/2016, Stand: November 2016, alle Angaben ohne Gewähr)




Letzte Änderungen: 09.12.2016