Editorial

Bastelparadies
Produktübersicht: Aufrechte- und inverse Mikroskope

Alle Produkte im Überblick pdficon

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Auch der Chef der amerikanischen Gesundheitsbehörde (NIH), Francis Collins, hat Spaß mit dem Foldscope. Foto: Manu Prakash

Lichtmikroskope sind inzwischen bis ins letzte Detail ausgefeilte Präzisionsinstrumente. Aber auch Bastler haben an ihnen noch ihre Freude.

Antoni van Leeuwenhoek und Robert ­Hooke waren die ersten, die vor 350 Jahren Mikroorganismen und Zellen unter dem Mikroskop betrachteten. Das ­Leeuwenhoek-Mikroskop bestand aus einer einfachen Kugellinse, die der holländische Tuchmacher in eine Bohrung zwischen zwei Messingplatten einpasste. Die Objekte spannte er mit einer pinzettenartigen Mechanik auf der Rückseite der Linse in die Platte ein. Hielt er die Messingplatte dicht vor seine Augen, konnte er das vergrößerte Objekt durch die Kugellinse sehen.

Robert Hooke‘s Apparatur enthielt dagegen schon einige grundlegende Bauteile moderner Mikroskope. Der englische Universalgelehrte setzte zwei konvexe Sammellinsen mit einem entsprechenden Abstand in eine Holzröhre ein und erhielt so ein zusammengesetztes Verbund-Mikroskop. Die Linse auf der Seite des Versuchsgegenstandes diente Hooke als Objektiv, das ein reelles, vergrößertes Zwischenbild des untersuchten Gegenstands erzeugte. Das Zwischenbild betrachtete er durch die zweite Linse (Okular), die das Objekt wie eine Lupe weiter vergrößert.

In modernen Mikroskopen bestehen Objektiv und Okular jeweils aus einem Linsenpaar, ansonsten hat sich an diesem Grundprinzip nichts Wesentliches verändert.

Metall statt Holz

Im Laufe der Zeit ersetzten die Mikroskophersteller die Holzröhre jedoch durch einen Metalltubus, den sie in ein Stativ einbauten. Hooke‘s Kerzenlichtfunzel, die ihm als Objektbeleuchtung diente, tauschten sie durch lichtstärkere elektrische Lampen aus, zudem integrierten die Konstrukteure einen höhen- und seitenverstellbaren Objekttisch in die Stative, der die Objektträger fixiert.

Aufbauend auf den von Ernst Abbe in den 1870er Jahren gelegten theoretischen Grundlagen der Mikroskop-Optik verbesserten die Hersteller auch Schritt für Schritt das Auflösungsvermögen und die Bildqualität der Mikroskope. So erkannte Abbe zum Beispiel, dass sich die Auflösung mit zunehmendem Öffnungswinkel (Aperturwinkel) des Objektivs erhöht. Die meisten Lichtmikroskope sind deshalb mit einem Kondensor ausgestattet, der aus den Strahlen des Beleuchtungslichts mit Hilfe einer verstellbaren Irisblende (Aperturblende) einen Lichtkegel erzeugt, der den Aperturwinkel maximal ausfüllt.

Eldorado für Bastler

In aufrechten Mikroskopen ist das Objektiv von oben auf den Untersuchungsgegenstand gerichtet, die Beleuchtung erfolgt von unten durch den Kondensor. Genau umgekehrt ist die Anordnung beim inversen Mikroskop, das der amerikanische Mediziner John Lawrence Smith bereits 1852 vorstellte. Da man die Objekte hier von unten betrachtet, sind inverse Mikroskope besonders gut für die Beobachtung von Zellen in Kulturschalen geeignet, die man hierzu einfach auf dem Objekttisch platziert.

Aufrechte und inverse Mikroskope wurden inzwischen bis ins kleinste Detail perfektioniert und sind in verschiedensten Ausführungen und Preiskategorien erhältlich. Dennoch ist der Eigenbau von Lichtmikroskopen nach wie vor ein Eldorado für Bastler und Do-It-Yourselfer. In einschlägigen Foren und Fachzeitschriften finden Mikroskop-Schrauber so gut wie alles was ihr Herz begehrt − von der Bastelanleitung für simple Wassertropfen-Mikroskope, bis zum detaillierten Manual für den Aufbau eines ausgewachsenen Zwei-Photonen Laser Scanning Mikroskops (Rosenegger et al., PLoS ONE 9(10): e110475).

So beschreibt etwa Adam Lynch von der Brunel University in London den Eigenbau eines inversen Mikroskops für Zeitraffer-Aufnahmen (PLOS One 9(8): e103547). Der Brite untersucht in seiner Doktorarbeit das Wechselspiel zwischen Wirt und Parasit am Beispiel der Süßwasserschnecke Biomphalaria glabrata und deren obligatem Parasit Schistosoma mansoni.

DIY-Zeitraffer-Mikroskop

Wie sich die Schnecke gegen den Parasit erwehrt, versucht Lynch unter anderem mit Zellmotilitäts-Studien herauszufinden. Das hierzu nötige Zeitraffer-Mikroskop konnte er sich aber nicht leisten − also baute er kurzerhand sein eigenes.

Dazu besorgte er sich drei Taschenlampen-förmige USB-Mikroskope mit 1,3 Megapixel-CMOS-Sensoren und einer 20- bis 400-fachen Vergrößerung. Die Enden der Mikroskope fixierte er in zylindrischen, höhenverstellbaren Plastikmöbelfüßen, die er in die entsprechenden Bohrungen einer zwei Zentimeter starken Bodenplatte aus Eichenholz steckte. Damit war das optische System des Lynch-Mikroskops bereits fertig. Ähnlich pfiffig konstruierte er auch den in eine Inkubationskammer integrierten Objekttisch. Hierzu stellte er eine rechteckige Plexiglasbox, inklusive Plexiglasboden, auf zwei rechts und links von den USB-Mikroskopen auf der Bodenplatte befestigten Vierkantleisten (ebenfalls aus Eichenholz) und einer als Rückwand dienenden Eichenholzplatte.

Die zwei Leisten und die Holzrückwand ließ Lynch etwa einen Zentimeter über die USB Mikroskope herausragen; die Kulturschale mit den Zellen für die Motilitäts-Experimente platzierte er genau über den drei USB-Mikroskopen auf dem Plexiglasboden der Box. Als Heizung verlegte Lynch ein mehrfach gefaltetes Heizkabel im Inneren der Plexiglasbox; die Regelung der Temperatur übernimmt ein Temperaturfühler, den er im Plexiglasboden einbaute.

Lynch maß mit seinem DIY-Mikroskop unter anderem die Migrations-Geschwindigkeit von B. Glabrata-Hämozyten. Die Ergebnisse verglich er mit publizierten Daten, die mit erheblich teureren, digitalen Forschungs-Mikroskopen erzielt wurden. Einen signifikanten Unterschied stellte er hierbei nicht fest. Natürlich kann sein Inverses Mikroskop in puncto räumlicher Auflösung und Probendurchsatz nicht mit kommerziellen Systemen mithalten. Da es aber wesentlich billiger ist und auch erheblich weniger Daten produziert, ist es insbesondere für Gruppen mit schmalem Budget interessant.

Faszinierende Kugellinsen

Kreative Bastler haben immer wieder auch die Kugellinsentechnik von Antoni van Leeuwenhoek aufgegriffen und verfeinert. So präsentierte zum Beispiel Rainer Wolf vom Biozentrum der Universität Würzburg vor einigen Jahren das Wolf‘sche Kugellinsen-Mikroskop (www.rainer-wolf-illusions.de/texte/ball-lens-microscope.pdf).

Ähnlich wie in van Leeuwenhoeks Urmodell erfolgt die Vergrößerung über eine winzige Glaskugel mit wenigen Millimetern Durchmesser. Die sphärische Linse ist in eine Bohrung im Zentrum einer ­rechteckigen Platte mit den Maßen eines Objektträgers eingepasst. Den Objektträger mit der aufgebrachten Probe legt man so auf die Platte, dass das Deckgläschen direkt über der Kugellinse positioniert ist und fixiert das Ganze an einem Ende mit einer Klammer.

Für die Fokussierung des Objekts drückt man am anderen Ende Objekträger und Platte mit zwei Fingern zusammen, wodurch sich der Abstand zwischen Kugellinse und Objekt minimal verändert. Das Auflösungsvermögen des Wolf‘schen Kugellinsenmikroskops ist bemerkenswert hoch und liegt bei etwa einem Mikrometer.

Origami-Mikroskop

Ganz ähnlich funktioniert auch das Foldscope, das Manu Prakashs Team von der Stanford Universität vorstellte (Cybulski et al., PLoS ONE 9(6):e98781). Die Herstellung des Foldscops ist aber etwas unkonventioneller: Prakash‘s Gruppe faltet das Mikroskop nach Art japanischer Origamis aus Papier. Was sich zunächst anhört, wie die verrückte Idee eines Hippies, der unter der heißen Sonne der kalifornischen Wüste zuviel Marihuana geraucht und sich den Kopf mit Musik der Grateful Dead zugedröhnt hat, funktioniert tatsächlich.

Das Foldscope besteht aus fünf auf einem Papierbogen vorgestanzten Bauteilen, die man wie bei einem Papierflieger-Bausatz zunächst aus dem Bogen herauslöst und anschließend mit wenigen Handgriffen faltet und zusammensetzt. Das Design des Faltmikroskops ist an das Kugelmikroskop von van Leeuwenhoek angelehnt: Als Basisträger dient ein Papierstreifen mit einem rechteckigen Ausschnitt in der Mitte, der von zwei senkrechten und vier waagrechten Schlitzen flankiert wird. Die zweite Mikroskop-Komponente, ein in der x- und y-Achse beweglicher Papierschieber, wird durch die vertikalen Schlitze in den Basisträger eingeschoben. Die Kugellinse ist in zwei kleinen rechteckigen Papierstreifen integriert, die über die Mitte des Schiebers gefaltet und fixiert werden. Für die Beleuchtung sorgt eine kleine LED, die zusammen mit einer Knopfzelle auf der Unterseite eines Papierstreifens angebracht ist, der als Boden des Origami-Mikroskops dient. Mit vier Laschen wird dieser in den waagrechten Schlitzen des Basisträgers eingeklinkt.

Vier Varianten

Nach dieser kurzen Bastelarbeit ist das Papier-Mikroskop bereits einsatzbereit. Den Objektträger platziert man hierzu in der rechteckigen Aussparung des Basisträgers und beobachtet das vergrößerte Objekt durch die Kugellinse, indem man das Foldscope dicht vor ein Auge hält. Zur Fokussierung zieht man an den beiden Enden des Papierschiebers, wodurch sich die Linse in Richtung Objektträger bewegt. Die Kugellinse vergrößert die untersuchten Proben 140- bis 2180-fach und erzielt eine maximale Auflösung von etwa 800 Nanometern.

Prakash‘s Team hat vier Varianten des Foldscopes entwickelt, die durch leichte Modifikationen der Kugellinsenanordnung und der Beleuchtung für Hellfeld-, Dunkelfeld und Fluoreszenz-Mikroskopie sowie für die Mikroskopie mit Linsenarrays geeignet sind.

Mit dem Papiermikroskop, dessen Materialkosten nur wenige Cent betragen, will der gebürtige Inder Kindern und interessierten Laien für wenig Geld einen einfachen Zugang zur Mikroskopie und damit zum Mikrokosmos der Natur ermöglichen. Das Foldscope ist jedoch weit mehr als ein Spielzeug und könnte sich auch bei Feldforschungen oder der schnellen Analyse von Krankheitserregern bewähren.

Noch aber sucht Prakash nach Wegen, wie er das Origami-Mikroskop vermarkten kann. Diesen Schritt haben die Aufrechten und Inversen Lichtmikroskope, die Sie auf den nächsten Seiten in großer Zahl finden, bereits hinter sich.

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(Erstveröffentlichung: H. Zähringer, Laborjournal 05/2015, Stand: April 2015, alle Angaben ohne Gewähr)




Letzte Änderungen: 05.05.2015