Editorial

Das Allround-Talent

Durchflusszytometrie

Tanja Schlüter



Zum bloßen Zählen und Sortieren von Zellen ist das Durchflusszytometer viel zu schade. Denn es kann mehr. Was Sie alles damit anstellen können, erklärt Tanja Schlüter.

In Folge 61 von "Neulich an der Bench" (LJ 11/2005, Seite 78) lieferte das Durchflusszytometer den Beweis, dass meine mühevoll gezüchteten Zellen tatsächlich die waren, für die ich sie hielt, nämlich mikrovaskuläre Endothelzellen aus Prostatagewebe. Daher liebe ich das Durchflusszytometer. Die Durchflusszytometrie geht auf Wallace Coulter zurück, der bereits 1949 ein Patent zur Zählung von gelösten Partikeln anmeldete. Seit damals hat sich eine Menge getan. Insbesondere die rasante Entwicklung der Lasertechnik hat das Durchflusszytometer leistungsfähig gemacht. So analysiert mittlerweile jedes Standard-Durchflusszytometer bis zu 10 000 Partikel, respektive Zellen, pro Sekunde. Wobei schon eine deutlich kleinere Zahl für aussagekräftige Ergebnisse ausreicht.

Zellen im Gänsemarsch

Das Durchflusszytometer löst nicht alle Probleme des Zellanalytikers, aber doch eine ganze Menge. Jedenfalls dann, wenn diesen mit Fluoreszenz beizukommen ist. Dann kann sich der Analytiker dem so genannten, Fluoreszenz Activated Cell Sorting, kurz FACS-Durchflusszytometer, bedienen ("FACS" ist eine geschützte Handelsmarke der Firma Becton-Dickinson. Das Kürzel wird häufig auch als Synonym für die fluoreszensaktivierte Durchflusszytometrie benutzt). Hinter diesem Namen verbirgt sich ein Verfahren zur quantitativen Bestimmung fluoreszenzmarkierter Partikel.

Das Prinzip: Eine Einzelzellsuspension, markiert mit einem spezifischen fluoreszenz-gekoppelten Antikörper wandert durch einen Laserstrahl mit der Anregungswellenlänge. Die Zellen emittieren Licht, das proportional ist zur Menge ihrer gebundenen Antikörper. Außerdem lassen Lichtstreuung und Lichtbeugung eine Aussage zur Zellgröße und Zellgranularität zu. Die Daten werden an ein Auswerteprogramm weitergeleitet und in Diagrammen angezeigt.

(Fast) alles ist möglich

Mit einigen FACS-Geräten ist es möglich, fluoreszenzmarkierte Zellen nicht nur zu charakterisieren, sondern auch zu trennen. Diese FACS-Durchflusszytometer verpacken die Zellen nach dem Durchgang durch den Laserstrahl in winzige Flüssigkeitstropfen, die mit einer positiven oder negativen Ladung versehen sind. Die geladenen Zelltröpfchen lenkt ein elektrisches Feld ab und leitet sie in sterile Auffanggefäße. Auf diese Weise lässt sich eine gewünschte Zellpopulation aus einem Zellgemisch isolieren. Im Labor ist das ein aufwendiges Procedere und benötigt mehr Zeit als die Isolationsmethode mit paramagnetischen Beads (Heft 10/2005, Seite 78).

Zu den häufigsten und einfachsten, FACS-Anwendungen gehört die Analyse von Oberflächenstrukturen auf Einzelzellen. Man kann jedoch auch intrazelluläre Moleküle, wie DNA und RNA, nachweisen. Charakteristische Merkmale oder Veränderungen dieser Moleküle im Vergleich mit Kontrollzellen lassen sich dann für Zellzyklusanalysen und Apoptoseassays ausnutzen. In ähnlicher Weise kann mit Fluoreszenzfarbstoffen die Transfektionseffizienz kontrolliert werden. So kann man beispielsweise mit Green Fluorescent Protein (GFP), einem autofluoreszierenden Protein der Tiefseequalle Aequorea victoria, transfizierte Zellen von nichttransfizierten unterscheiden. Selbst den pH-Wert kann das Durchflusszytometer bestimmen. Hierzu benötigt man einen so genannten pH-abhängigen Fluorophor, also ein fluoreszierendes Molekül, das in die Liposomenmembran der Zelle eingelagert wird und je nach pH-Wert ein unterschiedliches Anregungsmaximum aufweist. Ein weiteres Feld eröffnet die Bead-Array Methode zur Quantifizierung von Molekülen. Hier werden Beads mit einem fluoreszenzmarkierten Antikörper bestückt und zum Beispiel mit Zellkulturüberstand oder Serum inkubiert. Mit dieser Methode können bis zu sechs unterschiedliche Antigene in einer Probe nachgewiesen werden, etwa Interleukine für die Allergiediagnostik.

Back to basics

Zuerst zu den einfachen Dingen des FACS-Forschers. Dazu gehört der Nachweis sogenannter CD-Marker von Blutzellen. Was das ist? Jede Zelle hat auf ihrer Oberfläche Moleküle. Cesar Milstein gelang es Mitte der 70iger Jahre erstmals, einen monoklonalen Antikörper gegen eines dieser Oberflächenmoleküle namens CD1 herzustellen. Danach wurden in kürzester Zeit so viele monoklonale Antikörper für weitere Oberflächenmoleküle entdeckt, dass die Immunologen ein System zur Standardisierung der Zelloberflächenmoleküle benötigten. Der Grundstein für diese CD-Nomenklatur, CD steht für Cluster of Differentiation, wurde 1982 auf dem 1st International Workshop and Conference on Human Leukocyte Differentiation Antigens (HLDA) in Paris gelegt. Mittlerweile ist die Zahl der CD-Moleküle auf 339 gestiegen, in der Regel handelt es sich dabei um membrangebundene Glykoproteine.

Das CD-System bietet insbesondere hämatologischen Forschern eine breite Auswahl an Oberflächenmarkern für Blutzellen. Welche spezifische Adulte- oder Vorläuferzelle Sie auch immer nachweisen möchten, in den Tabellen zur CD-Nomenklatur finden Sie mit Sicherheit etwas Passendes.

Natürlich sind auch Antikörper für die Durchflusszytometrie erhältlich, die nicht unter die CD-Nomenklatur fallen. So ist es mittlerweile gängige Praxis, auch Zellstrukturen innerhalb der Zelle anzufärben, man muss die Zellmembran hierzu permeabilisieren, damit die Antikörper ins Innere der Zelle gelangen können.


Fluoreszenzfeuerwerk

Mittlerweile gibt es eine große Auswahl an Fluoreszenzkonjugaten zur Antikörpermarkierung. Die Standardfluoreszenzfarben sind FITC (Fluoreszeinisothiozyanat), PE (Phycoerythrin) und PerCP (Peridin Chlorophyll). Die Wahl des Fluorochroms sollte sich an der Antigendichte auf den Zellen orientieren. So hat zum Beispiel PE eine höhere Fluoreszenzintensität als FITC. Außerdem ist es möglich, eine Probe mit verschiedenen Antikörpern anzufärben, die mit unterschiedlichen Fluoreszenzfarbstoffen konjugiert sind. Die eingesetzten Fluorochrome müssen dabei die gleiche Anregungswellenlänge, aber nicht die gleichen Emissionsspektren, aufweisen. Musste man sich früher noch mit drei unterschiedlichen Farben zufrieden geben, sind neuere Geräte in der Lage, zwölf unterschiedliche Wellenlängen zu erfassen.

Vertrauen ist gut,

Kontrolle jedoch unerlässlich. Da es je nach Zellart und Färbeprotokoll zu unspezifischen Bindungen der Antikörper kommen kann, müssen immer parallel Isotypenkontrollen durchgeführt werden. Darunter versteht man einen Antikörper des gleichen Subtyps wie der spezifische Antikörper, mit dem feinen Unterschied, dass die Isotypenkontrolle gegen ein Antigen gerichtet ist, das bei Säugern gewöhnlich nicht vorkommt, beispielsweise gegen Glucose Oxidase von Aspergillus niger. Viele Zellen zeigen auch eine gewisse Eigenfluoreszenz, die durch das Färben und möglicherweise Permeabilisieren noch verstärkt wird. Dies kann falsch positive Ergebnisse liefern. Die Isotypenkontrolle beugt dem vor. Bei der Auswertung der Proben wird die Isotypenkontrolle deshalb quasi als Leerwert abgezogen.

Die Vorteile der Durchlusszytometrie gegenüber der Immunfluoreszenz liegen auf der Hand. Für einfache Ja/nein- Aussagen reicht die Immunfluoreszenz vollkommen aus. Die Zählrate des Durchflusszytometers erlaubt dagegen genaue Aussagen zur Intensität der Fluoreszenz, die mit dem bloßen Auge nicht möglich sind. Selbst geringe Schwankungen der Fluoroszenzintensität werden erfasst und durch die angeschlossene Software ausgewertet. Auch der Faktor Zeit ist nicht zu unterschätzen. Sobald Sie sich einmal mit dem Gerät vertraut gemacht haben, was zugegebener Maßen deutlich länger dauert als die Einarbeitung am Fluoreszenzmikroskop, benötigt die eigentliche Messung nur noch zwischen 30 Sekunden und 5 Minuten (abhängig von der Konzentration der Zellen in der Suspension).

Einen kleinen Haken hat die Sache dennoch - zumindest bei Primärkulturzellen. Kurz erwähnt habe ich das schon in Heft 11/2005, als ich über Fibroblasten berichtete: Fibroblast ist nicht gleich Fibroblast und nicht jeder Antikörper liefert ein gutes Signal. Das gleiche gilt für epitheliale Zellen, die üblicherweise Cytokeratine bilden. Hier führt kein Weg daran vorbei, auszutesten, welches Cytokeratin von welcher Epithelzelle stammt, und welcher Antikörper ein verwertbares Signal produziert. Das ist eine kostspielige Angelegenheit, da Antikörperlieferanten selten Kleinstmengen zu Testzwecken anbieten. Gute Verbindungen zur Nachbar-Arbeitsgruppe und ein paar Pralinen können da helfen.

Aber auch aus anderen Richtungen können unliebsame Überraschungen erscheinen, etwa wenn sich ein als negativ eingestufter Antikörper plötzlich als positiv herausstellt. So bei uns geschehen mit einem Antikörper gegen alpha-Actin glatter Muskelzellen. Als dieser wunderschöne positive Signale bei Endothelzellen lieferte, und das auch noch reproduzierbar, begann die Literaturrecherche. Und siehe da, wir entdeckten eine Arbeit von Mc Douall, der 1996 in Microvascular Research berichtete, dass in mikrovaskulären Endothelzellen aus humanem Herzgewebe ebenfalls alpha-Actin nachzuweisen sei.

Das Durchflusszytometer bietet also viele Möglichkeiten. Selbst wenn das eine oder andere unerwartete Problem auftaucht, es ist meist ohne größere Frustrationen zu lösen.



Letzte Änderungen: 24.04.2006