Editorial

Neues Trägermaterial für die Proteinchromatographie

Für Mineraliensammler

Hubert Rehm



Ungetaggte Proteine reinigen? Oh mein Gott, nur das nicht! Für alle, die diesen Weg trotzdem gehen müssen, hat sich Hubert Rehm ein neues chromatografisches Trägermaterial angeschaut: Zeolite.

Der Proteinreiniger hat es nicht leicht - jedenfalls dann nicht, wenn er ungetaggte Proteine reinigen soll. Das kommt häufiger vor als einem lieb ist. Dann schaut man in seine Methodenschublade, wo jahrzehntealte Standardmethoden stauben: Gelfiltration, Ionenaustausch-Chromatographie oder - besser - präparative isoelektrische Fokussierung. Ansonsten herrscht gähnende Leere. Hat der Proteinreiniger dann gelfiltriert und fokussiert und trotzdem noch keinen brauchbaren Affinitätsliganden, dann steht er da und das Protein ist immer noch dreckig.

Was tun?

"Was jetzt?", fragt er sich. Hydrophobe Chromatographie? Ammoniumsulfatfällung? "Abgelutschte Methoden mit geringer Reinigungswirkung und niedrigen Ausbeuten", seufzt der Proteinreiniger und begibt sich erstmal in den Kaffeeraum, um mit der neuen Doktorandin zu flirten. Wenigstens hier verfügt er über vielfältige Methoden: ins Kino einladen, Essen gehen, lästern über den Prof, Komplimente drechseln, Fahrradausflug vorschlagen... Aber am nächsten Tag sitzt er wieder an der Bench, mit der Doktorandin ist es nichts geworden, und zur Proteinreinigung ist ihm auch noch nichts eingefallen.

Wir lernen daraus: Eine neue Chromatographiemethode wäre Proteinreinigern hochwillkommen. "Neu" meint: Eine Methode, die hohe Ausbeuten liefert und nach einem neuen Trennprinzip arbeitet. Die folgende Methode leistet das leider nur teilweise, aber in der Not frisst der Teufel ja Fliegen und der Forscher züchtet sie.

Es dreht sich um Zeolite. Hiroyuki Chiku und seine Kollegen behaupten, Zeolite eigneten sich als Trägermaterial für eine neue Art von Chromatographie.

Was sind Zeolite?

Es sind prominente Verbindungen. Es gibt Zeolit-Vereinigungen, eine International Zeolite Association und ganze Kongresse, die nur diesem Mineral gewidmet sind. Um ein Mineral handelt es sich: Zeolite sind kristalline Tectosilikate mit Poren und Kanälen in der Größe von 0,3 bis 3 Nanometern.

Zeolite bestehen aus AlO4- und SiO4- Tetrahedrons, die ihre Eckpunkte miteinander teilen. Die Strukturen sind negativ geladen. Die dazugehörenden Kationen wie Na+, K+ oder Ca2+ liegen, zusammen mit Wasser, in den Poren. Das Verhältnis (Si+Al)/O beträgt 1/2. Das Si/Al-Verhältnis kann während der Synthese oder später verändert werden. Es zeigt ungefähr die hydrophoben Eigenschaften von Zeoliten an. Je größer das Verhältnis, desto hydrophober ist der Zeolit und desto weniger Ionenaustauscher-Eigenschaften zeigt er.


Ein Wunderstoff

Zeolite dienen als Wasserenthärter, Entgifter (sie adsorbieren zum Beispiel Ammoniak und Schimmelgifte), Futterzusatz, Molekularsieb und Ionenaustauscher. Sie werden in Waschmitteln verwendet, befreien Auquarien von Algen und sind Bestandteil selbstkühlender Bierfässer. Ein wahrer Wunderwerkstoff.

Zeolite kommen natürlich vor - zum Beispiel in Hohlräumen von vulkanischem Gestein - sie können aber auch synthetisiert werden. Den natürlich vorkommenden Zeoliten hat man phantasievollen Namen gegeben wie Analcim, Chabasit und Mordenit. Auf deutsch heißen sie Siedesteinchen, weil beim Erhitzen das Wasser aus den Poren kocht und die Steine zu brodeln anfangen. Es gibt hunderte von verschiedenen Zeoliten und noch mehr Zeolit-Sammler.

Auch Horiyuki Chiku ist einer, denn er glaubt, daß sich Zeolite für die Chromatographie von Proteinen eignen.

Chromatographie besteht oft darin, daß die Proteine erst an die Säulenmatrix binden und dann wieder eluiert werden. Das ist auch bei Zeolit-Säulen so.

Die Bindung von Proteinen an Zeolite beruht nach Chiku et al. auf hydrophoben Wechselwirkungen, Coulomb’s Kräften und dem Ersatz von Wassermolekülen um die Al-Atome des Zeolits durch Aminogruppen des Proteins.

Unterhalb des isoelektrischen Punktes des Proteins, es ist hier positiv geladen, wirken zwischen Zeolit und Protein Coulomb-Kräfte. Der Zeolit wirkt also als Kationenaustauscher. Oberhalb des isoelektrischen Punktes - an dem das Protein negativ geladen ist - bindet das Protein über die Wechselwirkungen seiner Aminogruppen mit den Al-Atomen des Zeolits (Wassermoleküle werden durch die Aminogruppen verdrängt) und durch hydrophobe Wechselwirkungen. Die Bindung oberhalb des isoelektrischen Punktes wird durch Coulombsche Abstoßung geschwächt.

Beim isoelektrischen Punkt, das Protein hat hier keine Nettoladung, spielen hydrophobe Wechselwirkungen die Hauptrolle. Daher binden Proteine in der Nähe ihres isoelektrischen Punktes an Zeolite, die hydrophobe Eigenschaften aufweisen, also ein hohes Si/Al-Verhältnis besitzen.

In der Tat war bisher das Problem mit der Zeolit-Chromatographie weniger die Adsorption von Proteinen als deren Elution. Mit anderen Worten: Wie holt man die Proteine wieder vom Zeolit herunter? Und das in nativer Konformation?


Proteine kleben fest

Proteine, die an ihrem isoelektrischen Punkt adsorbiert wurden, kleben so fest an dem Mineral, daß man sie weder mit hohen Ionenstärken (NaCl über 2.5 M) noch mit 8M Harnstoff, noch mit nichtionischen Seifen (Nonidet P-40, Triton X-100, Tween 20), noch mit pH-Änderungen ablösen kann. Selbst SDS wirkt nur in Konzentrationen über 0,2 % befreiend.

Hiroyuki Chiku verkündete nun in Analytical Biochemistry 318 (2003), Seite 80-85, dass sich die Proteine leicht ablösen, wenn man dem Puffer Polyethylenglykol (PEG) beigibt. Dies allerdings nur an ihrem isoelektrischen Punkt beziehungsweise bei pH-Werten oberhalb des isoelektrischen Punktes. Erstaunlich, nicht?

Es funktioniert nicht mit allen Zeoliten, lediglich mit der Sorte Na-BEA. Dieser Zeolit besitzt das höchste Verhältnis von Si/Al und die größten Poren (7,6 x 6,4 Angström).

Von Na-BEA können 70 % des absorbierten Proteins (BSA) mit 2,5 % PEG 20000 eluiert werden. Bei anderen Proteinen (Ovalbumin, Hexokinase und Cytochrome c) war die Elution weniger erfolgreich. Sie konnte allerdings etwas verbessert werden, indem man dem Elutionspuffer 2,5 M NaCl zugab.

Die Proteine können Sie wahrscheinlich in nativer Form eluieren. Zumindest DNA Polymerase ß und Lysozyme überstanden die Zeolit-Prozedur ohne Aktivitätsverlust. Es ist sogar so, daß man das Zeolit mit dem adsorbierten Protein autoklavieren kann und sich das Protein mit PEG immer noch herunterholen lässt. Das glaube ich jedenfalls den Materials & Methods entnehmen zu können. Die allerdings lesen sich so, wie die meisten Japaner bei wissenschaftlichen Vorträgen sprechen.

Wie wirksam ist eine Zeolit-Chromatographie bei der Reinigung eines Proteins aus einem Zellextrakt? Wie hoch sind Reinigungsfaktor und Ausbeute? Man weiß es nicht: Chiku et al. haben keine Zellextrakte chromatographiert, sondern nur mit einem halben dutzend Standard- Proteine gespielt. Sie haben auch nicht chromatographiert, sondern im Batch adsorbiert und desorbiert und überdies das Waschen vergessen.


Die Vorteile

Sie liegen (möglicherweise) in folgendem:
  1. Sie können die Probe in Salz oder Detergenz auftragen und erhalten bei der Elution mit PEG eine salz- und detergenzfreie Proteinlösung.
  2. Zeolite sind resistent gegen pH-und Temperatur-Extreme, Seifen und denaturierende Agenzien. Sie lassen sich leicht regenerieren.
  3. Sie können der neuen Doktorandin vorschlagen, mit Ihnen Zeolite sammeln zu gehen. Das wirkt originell, da kommt so schnell kein anderer drauf.
  4. Sie können das machen, was Chiku et al. vergessen haben: Aus einem Zellextrakt oder Plasma einige Proteine mittels Zeolit-Chromatographie reinigen und Ausbeute und Reinigungsfaktor angeben. Das müßte ebenfalls ein Paper in Analytical Biochemistry geben.

Die Nachteile
  1. Proteine aggregieren oft an ihrem isoelektrischen Punkt. Chiku et al. behaupten zwar, bei einer Zeolit-Chromatographie mache das nichts aus. Ihre experimentellen Belege dafür sind aber nicht überzeugend, d.h. nicht existent. Sie zeigen nur, daß man beispielsweise Ovalbumin am isoelektrischen Punkt wieder desorbieren kann, aber nicht, daß es vorher aggregiert war. Es wundert mich, dass das dem Referee nicht aufgefallen ist.
  2. Die Ausbeute kann, wenn Sie Pech haben, gering ausfallen.
  3. Sie müssen, wenn Sie ein bestimmtes Protein aus einem Extrakt reinigen wollen, dessen isoelektrischen Punkt kennen. Tragen Sie den Extrakt bei einem anderen pH auf, wird ihr Protein nicht oder schlecht adsorbiert. Keine Adsorption, keine Elution, keine Reinigung.

Immerhin, Zeolite sind billig, man braucht nicht viel (100 mg adsorbieren 3 mg Protein) und es geht schnell. Falls Sie also den isoelektrischen Punkt Ihres Proteins kennen, sie schon alles ausprobiert haben und ihnen das Wasser am Hals steht - warum nicht zum Zeolit greifen? Ich selber habe es noch nicht gemacht und lehne auch jede Verantwortung ab. Ich wäre Ihnen aber dankbar, wenn Sie mir die Ergebnisse Ihres Versuchs mitteilen würden unter: hr@laborjournal.de


Letzte Änderungen: 10.02.2005