Editorial

Konzentrationsbestimmungen mit dem Photometer II

Freiheit für den Taschenrechner!

von Cornel Mülhardt


Nur ein Dummi legt das Thema seiner Doktorarbeit im voraus fest. Denn allein Flexibilität zählt noch in den Zeiten wechselnder Fronten, Machthaber und Kriegsgründe, weiß Cornel Mülhardt – und der traut inzwischen nicht mal mehr seinem neuen Photometer...

Leute, seid flexibler! Auch in diesem Punkt können wir, wie so häufig, viel von den Amis lernen. Ging es vor dem Irak-Krieg noch darum, Amerika vor Massenvernichtungswaffen zu schützen, begann der Überfall selbst unter dem Motto Weg mit Saddam" und endete mit der Parole Freiheit für die Irakis". Heute, einige Wochen später, wird bereits angekündigt, dass die amerikanische Besatzung etwas länger dauern könnte - weil sonst die Freiheit (sprich Bewegungsfreiheit für die Amerikaner) nicht aufrecht erhalten werden kann. Vier Kriegsziele innerhalb von sechs Wochen, das ist Flexibilität (Massenvernichtungswaffen hat man ulkigerweise bis jetzt noch nicht gefunden, mit Ausnahme der amerikanischen, aber was kümmert uns unser dumme Geschwätz von gestern).


Zeit für eine Taxifahrer-Lizenz?

Was lernen wir heute daraus? Dass nur ein Dummi das Thema seiner Doktorarbeit im voraus festlegt! All diejenigen, die bereits seit zwei Jahren vergeblich versuchen, Licht in die Regulierung des Spaghettibolognese-Transporters zu bringen, sollten sich schleunigst an der US-Regierung orientieren – und ihr Thema an die aktuellen Bedürfnisse anpassen. Von denjenigen, die gerade vor den Trümmern ihrer Arbeit der letzten vier Jahre stehen, möchte ich mich an dieser Stelle verabschieden, es war nett, dass Sie meine Artikel gelesen haben, aber es wäre wirklich an der Zeit, dass Sie sich jetzt um eine Taxifahrer-Lizenz bemühen. So holt Flexibilität am Ende auch diejenigen ein, die sich ihr mit aller Gewalt zu entziehen versuchen.

Zurück zum Thema. Letztes Mal schrieb ich von den Ober- und Untergrenzen des Vertrauens, das man einem Photometer entgegenbringen kann. Einfluss auf die Genauigkeit der OD-Messung hat allerdings nicht nur die Konzentration der Nukleinsäuren in der Lösung. Auch der pH-Wert kann sich störend auswirken. Die Erklärung dafür ist relativ simpel: Für die Lichtabsorption sind hauptsächlich die Purin- bzw. Pyrimidinanteile der Nukleinsäurebasen verantwortlich, und das sind Heterozyklen mit konjugierten Doppelbindungen, in denen die Elektronen delokalisiert sind. Der pH-Wert beeinflusst die Ladung eines Moleküls, damit auch die Elektronenverteilung in den Heterozyklen und so deren Absorptionseigenschaften.

Leider findet man keine Daten, die Aufschluss über die Größenordnung der Veränderungen geben und mein Spieltrieb ging bislang noch nicht so weit, es selbst auszuprobieren (ich wäre daher dankbar für Erfahrungsberichte). Verblüfft war ich kürzlich, zu sehen, dass auch die Temperatur den Messwert verändern kann. Bei einer Verdünnung, die mit kaltem Wasser angesetzt war, wurde anfangs eine OD 0,190 gemessen, die nach einer Viertelstunde bei Raumtemperatur zu einer OD 0,150 wurde. Eine physikalische Erklärung dafür fällt mir nicht ein, abgesehen von einer höchst banalen: War vielleicht ganz einfach die Küvette beschlagen? Es wäre nicht das erste Mal, dass Experimente an Trivialem scheitern.


Bekanntes Biologenproblem: Formeln machen Mühe

Nun wären Sie also so weit, Sie haben erfolgreich gemessen und stehen nun in der Gegend rum, allein mit Ihrem OD-Wert. Wie macht man daraus eine DNA-Konzentration? Eigentlich eine einfache Angelegenheit, die trotzdem vielen Leuten gewisse Mühen bereitet. Die Formel dafür lautet c = OD x V x F, also Konzentration (in µg/ml) ist gleich gemessener OD-Wert mal Verdünnungsfaktor mal Multiplikationsfaktor. Den Verdünnungsfaktor müssen Sie berücksichtigen, weil Sie sich ja nicht für die DNA-Konzentration Ihres verdünnten Ansatzes interessieren, sondern für die der Ausgangslösung. Bei einer 1:100 Verdünnung lautet der Verdünnungsfaktor folglich 100.


Banal, banal: Rechnen mit RNA und Absorptionsspektren

Der Multiplikationsfaktor ist ähnlich banal zu erklären: Eine Lösung mit 50 µg DNA pro ml liefert einen OD-Wert 1, folglich entspricht ein OD-Wert 0,1 einer Konzentration von 0,1 x 50 = 5 µg DNA. Weil OD 1 bei einzelsträngiger DNA einer Lösung von 33 µg/ml und bei einzelsträngiger RNA 40 µg/ml entspricht, lauten die Faktoren dementsprechend 33 bzw. 40. Der Unterschied zwischen den beiden Werten erklärt sich vermutlich dadurch, dass RNA sehr viel stärker als ssDNA zur Bildung von internen Basenpaarungen neigt, was Einfluss auf die Absorptionsspektren hat, der Wert 40 ist so gesehen ein Mittelwert aus den Absorptionsspektren aller gepaarter und ungepaarter Basen.

Bei Oligonukleotiden kann man mit einem Faktor von 20 µg/ml rechnen, obwohl dort der tatsächliche Faktor stark von der Nukleotidsequenz abhängt – der Absorptionsfaktor von Adenin ist circa doppelt so hoch wie der von Cytosin, folglich ist der Faktor für einen Poly-A-Primer ein ganz anderer als für einen Poly-C-Primer (die gute Nachricht lautet: Sie können maximal um Faktor 2 daneben liegen). Zum Glück können einem in der Praxis solche Unterschiede meistens wurscht sein. Wer's genauer wissen muss, der sei an die klassische Laborfachliteratur verwiesen.

Ein kleiner Tipp an dieser Stelle. Die neuen Photometer haben ja alle diese Funktion, dass man sich die Konzentration der Ausgangslösung errechnen lassen kann. Ich persönlich halte wenig davon, weil das erfahrungsgemäß eine zusätzliche Fehlerquelle ist; nichts ist besser, als sich die Rohdaten direkt anzuschauen - und Gott weiß, wie viele grobe Fehler in diesem Gewerbe gemacht werden, weil die Leute genau dieses nicht mehr tun, sondern den umgerechneten Daten der Geräte blind vertrauen. Das bedeutet allerdings nicht, dass man sich das Leben schwer machen muss, es genügt, ein wenig Pfiffigkeit an den Tag zu legen. Statt OD 0,44 mal Verdünnungsfaktor 50 mal Faktor 50 zu rechnen, wofür die meisten bereits einen Taschenrechner brauchen, reicht es, die Verdünnung richtig zu wählen, um sich das Leben leichter zu machen. Hat man zuvor 1:200 verdünnt, dann lautet die Rechnung OD 0,11 x 200 x 50 = 1100 µg/ml = 1,1 mg/ml. Der gemessene OD-Wert und die errechnete Konzentration unterscheiden sich nur durch die Position des Kommas, was auch den Rechenschwachen erlaubt, ganz ohne Rechner aus dem Messwert die Konzentration abzuleiten. Im Laufe der Zeit geht einem diese Konversion dann so ins Blut über, dass man auf die Rechenfunktion des Photometers bequem verzichten kann.


Genug jetzt: Kommen wir zur Lagerung von staubigen Bakterien

Genug davon, denn der verbleibende Platz reicht gerade aus, um meine Frage nach der Lagerung von Bakterien durch Lyophilisierung von vor einigen Monaten noch einmal aufzugreifen. Der Aufruf hat eine ungewöhnliche Flut von Leserantworten ausgelöst (für die ich mich herzlich bedanken möchte), deren Tenor im Großen und Ganzen lautete Natürlich kann man Bakterien lyophilisieren", und tatsächlich handelt es sich dabei um eine klassische Konservierungsmethode der Mikrobiologen, die so all die süßen kleinen Mikroben, die so kreuchen und fleuchen, für die Nachwelt erhalten. Im Klonierungslabor spielt die Methode allerdings so gut wie keine Rolle – aus gutem Grund. Der apparative Aufwand ist nicht unerheblich (Hochvakuumpumpe, eventuell Kältefalle und anderes mehr), die Aufbereitung recht langwierig (ein halber Tag, ganz grob gerechnet, mit etlichen Manipulationen), die Flexibilität mäßig (die Proben werden sauerstofffrei in Glasampullen gelagert; das Öffnen verpflichtet zum Anzüchten) und der Erfolg nicht immer garantiert (einige Leser äußerten sich zu diesem Punkt nicht sehr positiv).

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Lyophilisierung offensichtlich ein eindrückliches Erlebnis ist (special thanks für die teils sehr farbigen Schilderungen), aber in die Hand von Leuten gehört, die das regelmäßig machen und eine entsprechende Routine besitzen, dort aber durchaus seine Daseinsberechtigung hat (wo bekäme ich sonst meine Trockenhefe zum Brotbacken her!). Wen die Details interessieren, der kann sich in der mikrobiologischen Literatur schlau machen, mir haben die Mikrobiologischen Methoden" von Eckhard Bast weitergeholfen.

In diesem Sinne wünsche ich ein fröhliches Warten auf die Pfingstfeiertage! Post bitte an: cornel.muelhardt@web.de




Letzte Änderungen: 08.09.2004