Editorial

Klare Lösungen - Membranproteine solubilisieren

von Hubert Rehm


Cornel Mülhardt urlaubt und hat sein Amt für diese Zeit an Herrn Rehm abgegeben. Der zitiert aus seinem EXPERIMENTATOR, Proteinbiochemie/Proteomics 3. Auflage.

Integrale Membranproteine solubilisieren ist eine Lieblingsbeschäftigung von Rezeptorologen und Kanalarbeitern, von Forschern also, die in dieser Serie bisher zu kurz gekommen sind. Die Lieblinge des Kanalarbeiters etwa sind eingefleischte Nichtschwimmer, die dazu überredet werden müssen, sich ins wässrige Milieu zu begeben. Das heißt, reden nützt nichts. Darauf reagieren Membranproteine wie Menschen: Sie bleiben im Trockenen und der Schwimmlehrer kann sich Schaum in die Mundwinkel schwätzen.

Da hilft nur eines: Mit Gewalt ins Wasser stoßen. Leider reagieren die Proteine auch darauf menschlich. In Panik klammern sie sich an alles, was da kreucht und schwimmt, bilden Aggregate, die gehen unter und der Forscher bekommt nasse Augen.

Immer? Nicht immer! Manchmal gelingt es ihm, dem Membranprotein einen Schwimmring zuzuwerfen, mit dem es sich dann umgibt und fröhlich in den Wellen plätschert. Nun sind aber Membranproteine wählerisch in punkto Schwimmringe. Manche Proteine sind zu fett und passen nicht rein, manche paddeln so panisch, dass sie den Ring nicht zu fassen kriegen, andere bringen ihn mit spitzen Fingernägeln zum Platzen. Als Schwimmringe benützt der Forscher Seifen.

Was eine Seife ist, dürfte dem werten Leser klar sein, dennoch gestatte ich mir, den Begriff Seife" philosophisch zu unterbauen: Das Wesen einer Seife ist ein Gespaltenes. Da ist zum einen die Liebe zum Fett und zum anderen die Sehnsucht nach Wasser. Es diese Zwiespältigkeit, welche es der Seife ermöglicht, zusammenzubringen, was nicht zusammengehört: also Membranprotein und Wasser.


Wie packt die Seife das an?


Beim Solubilisieren lagern sich die Seifenmoleküle mit ihren hydrophoben Resten (die Liebe zum Fett) an die hydrophoben Stellen des Proteins an und verdrängen dabei teilweise die Phospholipide. Lagern sich genügend Seifenmoleküle an, geht das Protein in Lösung - oder auch nicht. Die gelösten (solubilisierten) Membranproteine sind Komplexe aus Seife, Phospholipid und Protein, wobei die Anteile der einzelnen Komponenten von der Zusammensetzung des Puffers abhängen: In der Regel liegt der Anteil Seife plus Phospholipid zwischen 10-50%.

Welche Probleme gibt es beim Solubilisieren von Membranproteinen? Es gibt nur zwei, Problem A und Problem B. Problem A: Das Protein geht nicht in Lösung, es aggregiert. Problem B: Das Protein geht in Lösung und denaturiert. Jedes Membranprotein benötigt andere Bedingungen, um in nativer Konformation in Lösung zu gehen, es sind Sensibelchen, die genau diese Seife und jenes Ion wollen und keine anderes - und wenn sie es ihnen verweigern, werden sie sauer. Kritisch ist die Seife und ihre Konzentration, aber auch der Puffer, der pH, die Ionen, die Ionenstärke oder die An- oder Abwesenheit von Liganden können eine Rolle spielen. Dasselbe gilt für die Art und Menge der Phospholipide und für das Protein-zu-Seife-Verhältnis. Jede Variable kann, keine muss entscheidend sein.


Jed Ding hat zwei Seiten

Zur Seife: Da sich die Seifen mit ihren hydrophoben Resten ans Protein anlagern, hat dieser Rest Einfluss auf dessen Konformation. Es g ibt drei Grundformen von hydrophoben Resten: Steroidgerüste, aliphatische Ketten und Phenylderivate.

Aber auch der wasserliebende Seifenteil ist wichtig. Seifen mit nichtionischem hydrophilem Anteil, z. B. Octylglucosid, sind milde zum Membranprotein und belassen es meist in der nativen Konformation und leider auch oft in der Membran oder im Aggregat. Ionische Seifen dagegen, wie Deoxycholat, unterbinden durch ionostatische Abstoßung die Aggregation - oder fördern sie, indem sie das Protein denaturieren. Jed Ding hat halt zwei Seiten.

Die Konzentration der Seife sollte größer sein als die kritische mizelläre Konzentration, denn die Membranlipide müssen sich in Mizellen einlagern können. Die obere Grenze der Seifenkonzentration liegt bei 2-3% (w/v); mehr macht wenig Sinn wegen Inaktivierung vieler Proteine und der Viskosität der Lösung.

Zum Solubilisierungspuffer: Hepes-, Mops- und Tris-Puffer sind, falls mit dem Test verträglich, eine gute Wahl. Test? Na, irgendwie müssen Sie ja hinterher die Funktion ihres Proteins nachweisen. Für den Nachweis der Bindungsfunktion z.B. brauchen sie einen Bindungstest. Es ist übrigens nicht gesagt, dass mit einem Protein, das einen bestimmten Liganden bindet, auch sonst alles in Ordnung ist. Aber zurück zum Puffer. Die Konzentration sollte etwa 20 mM betragen, um genügend Pufferkapazität zu gewährleisten. Eine hohe Ionenstärke (0,1-0,4 M NaCl oder KCl) im Solubilisierungspuffer schadet selten; vor allem bei den ionisierten Seifen Deoxycholat und Cholat fördern hohe Konzentrationen von NaCl (bis 1M) die Solubilisierung. Also die Suppe kräftig salzen, Salz ist billig. Die Zugabe von Phospholipiden ist beim Solubilisieren unnötig, die Membranen liefern genügend endogene Phospholipide.


Seifen-Poesie

Phosphatpuffer (0,1-0,2M), die chaotropen Rhodanidsalze (0,2-0,4M) und Harnstoff (2-6M) verstärken die Solubilisierungskraft von Seifen, wobei Harnstoff mit nichtionischen Seifen Komplexe bildet. Chaps, vereint mit Guanidinchlorid, soll beim Solubilisieren von aggregierten Proteinen nützen, doch nichtionische Seifen fallen mit hohen Konzentrationen von Guanidinchlorid aus. Achtung: Rhodanid, Harnstoff und Guanidinchlorid wirken denaturierend.

Manchmal helfen Stabilisatoren wie 10-20% (w/v) Glycerin, 1mM DTT und 0,1-1 mM EDTA. Segensreich wirken auch die Proteaseinhibitoren PMSF, Bacitracin, Trypsininhibitor etc., denn Membranproteine sind in Lösung empfindlicher gegen Proteasen als in der Membran. PMSF hemmt Serin-Proteasen irreversibel durch kovalente Derivatisierung des aktiven Zentrums. Einmalige Anwendung reicht daher aus, zumal sich PMSF in wässriger Lösung schnell zersetzt.

Was ist noch wichtig? Das Protein/Seife-Verhältnis! Verhältnisse sind immer kritisch, die zwischen Seife und Protein sind es besonders. Nicht jede Seife passt zu jedem Protein und selbst wenn sie zueinander passen, gibt es ein optimales Massenverhältnis. Für Chaps liegt es zwischen 0,5 und 1,0, für Cholat zwischen 0,5 und 2,5, für Triton-X-100 zwischen 2 und 4. Daher die Faustregel: Seifenkonzentration 0,5-2% (w/v); Proteinkonzentration 2-5 mg/ml.


Schütteln ohne Schaum

Wie solubilisiert man nun? Sie inkubieren die fein suspendierten Membranen bei 4°C in Puffer mit der Seife. Die einen rühren dabei mit einem Teflonfisch, andere vortexen alle 10 min und wieder andere bemühen einen Überschlagschüttler. Schaumschlagen jedoch übt der Profi nur auf Kongressen und auch Beschallen kann die Probe denaturieren. Nach einer Stunde wird der Extrakt abzentrifugiert (1h bei 100 000 g oder mehr) und das Pellet, nach mehrmaligem Waschen, im gleichen Volumen Puffer resuspendiert. Messen Sie Überstand und resuspendiertes Pellet auf die gewünschte Aktivität.

Auf diese Weise führen Sie 2-3 Pilotexperimente durch: mit Triton-X-100, Cholat und Octylglucosid und dem Puffer, in dem Sie gewöhnlich ihre Aktivität messen. Scheitern diese Experimente, sollten Sie vielleicht besser auf ein anderes Projekt wechseln. Dies vor allem dann, wenn beim Extrahieren die (z.B.) Bindungsaktivität verschwindet und weder im Pellet noch im Überstand zu finden ist.


Der Adler und die Maus

Sie können es aber auch weiter probieren, mit anderen Seifen, anderen Ionen etc. Solubilisieren entbehrt nicht einer gewissen Poesie. Wie ein Adler schweben Sie in windigen Höhen und spähen nach dem Mäuschen, das sich nicht blicken lassen will, drehen einsam endlose Kreise zwischen Membranenmachen, Pipettieren, Rühren, Zentrifugieren, Suspendieren und dem Aktivitätstest. Manche nennen das stumpfsinnig, doch ist es nicht ein erhebendes Gefühl, eine Sache um ihrer selbst willen zu tun?




Letzte Änderungen: 08.09.2004