Editorial

Sein oder nicht sein

Apoptosenachweis mit der Apo-qPCR

Thorsten Lieke


Herbst

Apoptose ist das griechische Wort für „abfallen“. So leise wie die Blätter im Herbst von den Bäumen fallen, verabschieden sich auch apoptotische Zellen.



Von der PCR gibt es inzwischen unzählige Varianten. Eine davon ist die qLM-PCR, mit der man apoptotische Zellen­ bestimmen kann.

Die PCR zählt zu den sensitivsten Nachweismethoden in der Diagnostik und Grundlagen-Forschung. Im günstigsten Fall reicht die genetische Information einer einzigen Zelle, um herauszufinden welche mRNA gerade translatiert wird oder welche Gene aktiv beziehungsweise reprimiert sind. Insbesondere wenn Gewebe-Biopsien oder Blutproben nur wenige Zellen liefern die man untersuchen kann, ist die PCR eine wahre Wunderwaffe.

Eine hierbei oft benutzte Variante ist die Ligation-mediated (LM)-PCR. Diese eignet sich besonders, um Sequenzen genomischer DNA zu ermitteln, Cytosin-Methylierungs-Muster offenzulegen oder ein in vivo-Footprint zu erstellen. Entwickelt wurde sie Ende der 1980er Jahre von Paul Mueller und Barbara Wold (Science, 1989, Vol. 246). Das Verfahren startet mit einer Spaltung der genomischen DNA in Fragmente von wenigen Kilo-Basenpaaren (kbp). In der Originalarbeit wird die Spaltung durch Reagenzien herbeigeführt, die auch bei der Sequenzierung nach dem Protokoll von Allan Maxam und Walter Gilbert zum Einsatz kommen. Es ist aber genauso möglich, die DNA durch UV-Licht zu fragmentieren.

Das Ende der doppelsträngigen Fragmente ist in der Regel nicht glatt (Blunt-End) sondern kohäsiv, das heißt ein Strang überlappt den anderen um eine variable Basenzahl. Die Überlappung wird durch Verlängerung des zurückhängenden Stranges egalisiert, so dass ein Blunt-End entsteht. Die T4-Ligase erkennt die glatten Enden und verknüpft (ligiert) sie mit den Enden von zugegebenen Oligo-Nukleotiden. Hierbei verwendet man Oligo-Nukleotide mit bekannter Sequenz, die sich als Dockingstationen für Primer eignen. Bei der PCR werden die verknüpften Fragmente zunächst denaturiert bevor die Primer an die ligierten Oligo-Nukleotide binden und die genomische (oft unbekannte) Sequenz schließlich amplifiziert wird.

Die Arbeitsgruppe von Catherine Cherry aus Melbourne, Australien, hat die LM-PCR so modifiziert, dass man mit ihr auch apoptotische Ereignisse innerhalb einer Zellpopulation ermitteln kann. (Hooker et al., Nucleic Acids Research, 2012, Vol. 40, No. 15 e113). Die Idee, Apoptose, das heißt den induzierten oder programmierten Zell­tod, mittels LM-PCR zu messen, liegt nahe, da im Verlauf der Apoptose Fragmente genomischer DNA entstehen.

Bei der Apoptose stirbt die Zelle aufgrund eines äußeren Signals bei dem ein Molekül an einen sogenannten Todesrezeptor bindet oder durch eine innere Signalkaskade, die in den Mitochondrien ihren Anfang nimmt. Typische Merkmale über die sich die Apoptose nachweisen lässt, sind Apoptose-Moleküle, die nur dann in der Zelle auftreten, wenn die Apoptose eingeleitet wird, sowie der Verlust der Zellmembranintegrität.

Dem Tod geweiht

Eine der endgültigsten Folgen des induzierten Zelltodes ist jedoch die Fragmentierung der nukleären DNA. Der Nachweis dieses Prozesses hat den Vorteil, dass Zellen, die sich in diesem Stadium befinden, garantiert dem Tode geweiht sind. Allerdings bringt die Aussage, dass in einem Konglomerat aus vielen verschiedenen Zellen Apoptose auftritt, wenig. Apoptose alleine zeigt nicht zwangsläufig Pathogenität an, auch alte und verbrauchte Zellen enden in der Apoptose. Mit einer üblichen LM-PCR wird man in einer Zellpopulation deshalb fast immer auch apoptotische Zellen finden. Der generelle Nachweis der Apoptose durch LM-PCR ist auch nicht neu, und wurde bereits 1997 von Staley, Blaschke und Chun eingesetzt (Cell Death & Differentiation, Vol. 4).

Der Trick der Australier besteht jedoch darin, eine Kombination aus LM-PCR und quantitativer Real Time PCR zu verwenden (qLM-PCR), mit der sie die Apoptose in einer beliebigen Zellpopulation quantifizieren können. Dazu benötigen sie zwei Vergleichskurven. Die erste beschreibt, nach wie vielen Zyklen und bei welcher Menge eingesetzter DNA der Schwellenwert der Fluoreszenz-Intensität überschritten wird (Ct-Wert) und wann es zur Sättigung kommt. Die zweite ist eine Standardkurve die den Ct-Wert mit der Menge apoptotischer DNA in den Zellen verknüpft.

Alles zerlegt

Um eine Standardkurve für apoptotische DNA erstellen zu können, behandelte das australische Team Jurkatzellen mit Staurosporin. Dieses Apoptose-auslösende Reagenz führt zu einer nahezu hundertprozentigen Zelltod-Rate bei Jurkatzellen. Die Experimentatoren gingen deshalb davon aus, dass die in der qLM-PCR eingesetzte DNA ausschließlich aus fragmentierter genomischer DNA bestand.

Diese setzten sie in der qLM-PCR ein, die nach folgendem Schema abläuft: An die Fragmente wird ein doppelsträngiges Oligopärchen ligiert, das aus einem 24er- und einem 12er-Oligo mit bekannter Sequenz besteht. Das erste Erhitzen in der PCR auf 94°C führt zu mehreren Ereignissen. Die DNA denaturiert, die 12er-Oligos werden abgespalten und die durch Antikörper blockierte Polymerase nimmt ihre Arbeit auf. Zunächst schließt sie bei einer Temperatur von 72°C die Lücke, die durch den Wegfall der 12er-Oligos entstanden ist und synthetisiert ein komplementäres 24er-Polymer. In den anschließenden Denaturierungs- und Annealing-Runden dienen die ligierten 24er-Oligos als Primer, wodurch die aus der Apoptose resultierenden genomischen Fragmente amplifiziert werden.

Nach der Gelelektrophorese des PCR-Produktes ist auf dem Gel kein klares Bandenmuster zu erkennen, sondern ein Schmier, der die zahlreichen durch die Staurosporin-Behandlung entstandenen Fragmente unterschiedlicher Basenpaarlänge belegt. Die Australier führten die qLM-PCRmit verschiedenen Mengen (15 bis 15.000 Picogramm) apoptotischer DNA durch.

Anschließend erstellten sie daraus eine Standardkurve, bei der sie die Zahl der qLM-PCR-Zyklen gegen die Menge der hierbei eingesetzten apoptotischen DNA (in Picogramm) auftrugen. Die Standardkurve, verbindet also die Menge apoptotischer DNA (in Zellen mit vollständig fragmentierter genomischer DNA), mit dem Ct-Wert. Entscheidend ist, dass diese Methode auch dann funktioniert, wenn nur ein bestimmter Prozentsatz einer Zellpopulation apoptotisch ist. Die restliche intakte genomische DNA verfälscht das Ergebnis nicht.

Bleibt die Frage nach der Sensitivität der von den Australiern ApoqPCR getauften Methode. Hängt das Ergebnis von der eingesetzten Zellzahl ab, wo liegt die Nachweisgrenze und sind herkömmliche Nachweismethoden besser oder schlechter? Die Australier verglichen ihr Verfahren mit zwei klassischen Apoptose-Nachweismethoden. Dem TUNEL-Test (Terminal desoxynucleotidyl transferase-mediated dUTP Nick End Labelling), der auf Fluoreszenz-Markierung basiert und dem biochemischen Nachweis von Caspasen, die an der Weiterleitung des Apoptose-Signals in der Zelle beteiligt sind. Der Vergleich zeigt, dass die ApoqPCR deutlich empfindlicher ist als die durchflusszytometrische Messung TUNEL-positiver Zellen oder die ELISA-basierte Analyse der Caspase-Expression. Die ApoqPCR punktet insbesondere bei der Quantifizierug des ­Apoptose-Ausmaßes.

Wenige Zellen reichen aus

Ein weiterer Vorteil liegt in der geringen Zellzahl die nötig ist, um die apoptotischen DNA-Fragmente nachzuweisen. Die australische Gruppe startete mit tausend Zellen und verdünnte diese teilweise so weit, das nur noch 17 Zellen in der Probe übrig waren. Zwar erhöhte sich dadurch die Standardabweichung, die Mittelwerte blieben aber konstant. Es ist also nicht entscheidend, wie viele Zellen letztendlich eingesetzt werden, ausschlaggebend ist einzig und allein die Tatsache, dass apoptotische Zellen in den Proben vorhanden sind.

Dass die ApoqPCR-Methode nicht nur für in vitro-Experimente geeignet ist, demonstrierte die Gruppe mit Blutproben von gesunden Spendern und HIV-Patienten (das HI-Virus führt zur Apoptose von Blutlymphozyten). Das Team analysierte jeweils 1000 Zellen der jeweiligen Spender mit der ApoqPCR und fand dabei signifikant mehr fragmentierte DNA in den Proben der HIV-Patienten.






Letzte Änderungen: 14.11.2012