Editorial

Ich hätt‘ da gern mal ein Problem

Proteinforscher-Netzwerk P4EU

Hüseyin Besir


Wenn man bei der täglichen Arbeit mit Proteinen in eine Sackgasse gerät, ist guter Rat teuer. Ein neu gegründetes Proteinforscher-Netzwerk soll helfen, Probleme mit Proteinen schneller zu lösen.

Die Core Facility für Proteinexpression und -reinigung am EMBL in Heidelberg hat den Auftrag, Proteine für Forscher zu exprimieren, denen dazu die nötige Zeit, Erfahrung oder die Gerätschaften fehlen. Oft steht sie Proteinforschern auch beratend zur Seite, wenn diese an der Expression eines Proteins verzweifeln oder bei anderen alltäglichen Problemen mit Proteinen nicht mehr weiter wissen.

Es gibt sehr viele Stellschrauben, an denen man bei der Proteinexpression und -reinigung drehen kann. Zu diesen gehören zum Beispiel die Wahl des richtigen Expressionssystems nebst Expressionsvektoren mit diversen Affinitäts-Tags und Fusionspartnern, optimale Wachstumsbedingungen, effektive Zellaufschlussmethoden und Reinigungsstrategien, aber auch Reinigungs- und Lagerpuffer sowie Qualitätskontrollen. Aus unserer Erfahrung mit hilfesuchenden Proteinforschern wissen wir, dass dabei immer wieder die gleichen Fragen auftauchen. Viele bitten dann zunächst die Kollegin oder den Kollegen im Nachbarlabor um Rat.

Wesentlich effektiver und besser wäre es jedoch, wenn man bei Fragen zur Proteinexpression und -reinigung auf ein Expertennetzwerk zugreifen könnte. Ein Netzwerk mit möglichst vielen Proteinfachleuten, die sich regelmäßig untereinander austauschen und nicht nur hin und wieder ihre Daten auf Konferenzen präsentieren, bei denen man technische und methodische Probleme bei der Proteinexpression und-reinigung selten ausgiebig diskutieren kann.


Positives Echo

In den USA gibt es zum Beispiel die Protein Expression Research Group als Teil des Netzwerkes für Core Facility Labore. In Europa fehlt bisher eine vergleichbare Initiative. Zwar entstanden auch hier einige Netzwerke, etwa für die Lichtmikroskopie und Durchflusszytometrie, aber keines für Proteinforscher.

Auf einem Meeting im Oktober 2009 in Hannover habe ich daher mit einigen Kollegen die Idee eines europäischen Netzwerks für Protein-Core-Facility-Labore diskutiert. Ermutigt durch die positive Resonanz erstellte ich daraufhin eine Liste mit etwa 30 europäischen Proteinlaboren, die zumeist im Auftrag der Forschungsgruppen ihrer Institute mit der Reinigung und Expression von Proteinen beschäftigt sind. Nach dem ersten E-mail-Kontakt erhielt ich ein durchgehend positives Echo von diesen Gruppen. Wir sammeln in einer Umfrage kontinuierlich Daten von interessierten Laboren. Einen entsprechenden Fragebogen finden Sie unter http://proteinexpression.limequery.org/42347/lang-en.

Ein Organisationskomittee, dem Malin Bäckström (Universität Göteborg), Hüseyin Besir (EMBL Heidelberg), Mario Lebendiker (Hebrew University of Jerusalem), Ray Owens (Oxford Protein Production Facility), Sabine Suppmann (MPI für Biochemie, Martinsried), Joop van den Heuvel (Helmholtz-Institut für Infektionsbiologie, Braunschweig), Renaud Vincentelli (AFMB / CNRS, Marseille) angehörten, traf sich schließlich am EMBL in Heidelberg. Das Komitee beschloss zunächst ein Meeting auf die Beine zu stellen, auf dem über die Ziele und Möglichkeiten eines europäischen Proteinforscher-Netzwerks diskutiert werden sollte.


Gründungstreffen

Das Treffen fand im Februar 2011 am Tag vor der Konferenz über die Produktion rekombinanter Proteine in Halle (Saale) statt. Die positive Stimmung und der Enthusiasmus der etwa 40 Teilnehmer bestätigten das Ergebnis unserer Umfrage. Alle Teilnehmer wünschten sich einen verstärkten Austausch und eine verbesserte Zusammenarbeit von Proteinlaboren, um die Arbeit mit Proteinen effektiver zu gestalten. Wir tauften unser Proteinforscher-Netzwerk schließlich auf den Namen: Protein Production and Purification Partnership in Europe (P4EU).

Seit Oktober 2011 hat P4EU eine Webseite innerhalb des Portals des ­europäischen Strukturbiologieprojektes INSTRUCT (www.structuralbiology.eu/networks/p4eu), über die wir den Kontakt untereinander pflegen. Das Netzwerk sieht sich nicht als exklusiven Club. Die Mitgliedschaft ist jedoch an die Bedingung geknüpft, sich um das Erreichen der Ziele von P4EU zu bemühen und auch aktiv dazu beizutragen. Beitretende Labore sollten deshalb auch tatsächlich die notwendigen Ressourcen haben, die man Kollegen innerhalb des Netzwerks zur Verfügung stellen kann.

Die Ziele von P4EU sehen wie folgt aus:

  • Einfacher und direkter Kontakt mit Experten, wenn Probleme bei der Arbeit mit Proteinen auftauchen (innerhalb des Netzwerks und für Nichtmitglieder auch über das Forum auf unserer Webseite);
  • Weitergabe von eigenen Erfahrungen mit Geräten oder Methoden an Kollegen;
  • Erleichterter Austausch von Protokollen und Material innerhalb des Netzwerks und der Proteinforschergemeinde;
  • Kollaboration zur Entwicklung und Evaluierung von neuen Methoden/Geräten, auch bei Kooperationen mit industriellen Partnern;
  • Etablierung von Standards für die Charakterisierung und Qualitätskontrolle von Proteinen;
  • Benchmarking innerhalb des Netzwerks, um die Qualität der eigenen Arbeit mit anderen und dem aktuellen Stand der Technik zu vergleichen;
  • Weiterleiten von Kundenaufträgen an Kollegen im Netzwerk, wenn man eine Methode selbst nicht anbieten kann;
  • Nutzen des Netzwerks für die Weiterbildung der eigenen Mitarbeiter im Umgang mit neuen Methoden;
  • Organisation von regelmäßigen Meetings innerhalb des Netzwerks (zukünftig zweimal pro Jahr);
  • Praxis-Workshops für User und Mitarbeiter.

Einige dieser Ziele sind sicher einfacher und mit kleinerem Budget zu erreichen als andere. Bei größeren setzen Zeit und Geld, die man aus den bestehenden Ressourcen des eigenen Labors investieren kann, Grenzen. Ihre Umsetzung hängt nicht zuletzt davon ab, in welchem Ausmaß wir finanzielle oder logistische Unterstützung durch Fördergelder oder von Firmen erhalten. Da auch viele Firmenmitarbeiter fleißige Laborjournal-Leser sind, möchte ich an die Proteinfachleute in den Firmen appellieren, über eine Mitgliedschaft mit (möglichst) offenem Informationsaustausch und/oder Unterstützung unserer Initiative nachzudenken.


Proteinforscher-Netzwerk P4EU

Noch gibt es einige weiße Flecken auf der Karte des europäischen Proteinforscher-Netzwerks P4EU. Etwa 50 Proteinforscher sind ihm jedoch schon beigetreten.



Bereits 50 Netzwerker

Die Arbeit mit Proteinen wird künftig nicht einfacher, da die leicht zu erntenden (Protein)Früchte zu einem großen Teil abgegrast sind und immer mehr harte Nüsse, wie Multiproteinkomplexe oder Membran­proteine übrig bleiben, an die sich früher nur wenige Gruppen heranwagten. Ein ständiger Erfahrungsaustausch unter Proteinforschern, etwa über die aktuellsten Methoden der Proteinexpression und -reinigung, ist deshalb mehr denn je entscheidend für die erfolgreiche Arbeit mit Proteinen. Ganz nebenbei profitieren alle am Aufbau des P4EU-Netzwerk beteiligten Forscher von neuen, bereichernden Kontakten zu derzeit fast 50 erfahrenen Kolleginnen und Kollegen aus vielen Ländern Europas.

Wer sich diesen anschließen und dem P4EU-Netzwerk beitreten will, ist herzlich willkommen.




Letzte Änderungen: 28.04.2012