Editorial

Die Sprengzünder Transformation

Transformation mit Schockwellen

Thorsten Lieke


Ihre Zellen wollen sich partout nicht transformieren lassen? Helfen sie doch einfach mit einer kleinen Sprengung nach.

Die Transformation von E. coli-Zellen oder Bäckerhefen ist ziemlich simpel. ­E. coli­ kann man leicht mit CaCl2 und einem kleinen Hitzeschock dazu überreden fremde DNA aufzunehmen. Bei Saccharomyces cerevisiae genügt in der Regel eine Kombination aus LiAc und einem Hitzeschock, um die Zellen für die Transformation gefügig zu machen.

Es gibt aber auch Bakterien, die wesentlich sturer sind und nicht im geringsten daran denken, wegen ein paar Ca2+- oder Li+-Ionen und einer etwas erhöhten Temperatur den Weg für fremde DNA frei zu machen. Zu diesen hartnäckigen Transformations-Verweigerern zählen zum Beispiel Salmonella typhimurium oder Pseudomonas aeruginosa. Bei diesen hilft meist nur ein heftiger Elektroschock mit einem Elektroporator. Elektroporations-Geräte sind aber recht teuer und die Durchführung der Elektroporation ist etwas umständlich.

Auf der Suche nach Alternativen kamen Wissenschaftler schon auf die unterschiedlichsten Ideen. Hierzu zählen zum Beispiel die Sonoporation, bei der man Ultraschall auf die Zellen einwirken lässt oder biolistische Methoden, bei denen man die DNA mit einer Genkanone in die Zellen hineinschießt. Auch mineralische Nanofasern oder Lasertechnik wurden schon eingesetzt, um DNA in Zellen einzuschleusen. Besonders praktikabel und laboralltagstauglich sind diese Verfahren jedoch nicht.

Sprengung

Sprengzünder eignen sich nicht nur um Sprengladungen in Minen zu zünden. Man kann mit ihnen auch Bakterien-Zellen transformieren.


Freigesprengter Weg

Eine indische Arbeitsgruppe um die Mikrobiologin Dipshikha Chakravortty hat sich deshalb eine neue Transformations-Methode ausgedacht, die auf den ersten Blick noch verrückter klingt als die bisherigen Alternativ-Verfahren. Auf den zweiten Blick ist sie jedoch äußerst clever und interessant: Die Inder fackeln nicht lange und sprengen den Weg für die DNA einfach mit einer Ladung Plastik-Sprengstoff frei (Prakash et al., Anal. Biochem., doi: 10.1016/j.ab.2011.08.038).

Das wesentliche Utensil, das für diese so genannte Schockwellentransformation nötig ist, ist tatsächlich ein Sprengzünder, der normalerweise überall eingesetzt wird, wo es richtig rumst, etwa in großen Erzminen oder bei Sprengungen in Steinbrüchen. Sprengzünder dieser Art wurden bereits in den siebziger Jahren entwickelt und funktionieren nach einem einfachen Prinzip. Eine elektrische Spannung, die in einem kleinen handlichen Apparat erzeugt wird, entzündet im Inneren einer angeschlossen, hohlen Zündleitung einen Explosivstoff mit dem das Leitungsinnere beschichtet ist. Die entstehende Flammenfront rast explosionsartig an das Ende der Zündschnur und löst dort eine Mikro-Schockwelle aus, die die Haupt-Sprengladung zündet.

Statt einer Sprengladung sitzt bei dem Transformationsapparat von Chakravorrty eine kleine hohle Metallkammer am Ende der Zündschnur. Dort warten die Bakterien in einem Kulturmedium mit zugesetztem CaCl2 auf die Ankunft der Mikro­schockwellen (siehe Abbildung). Diese werden jedoch nicht direkt in die Flüssigkeit geleitet (das gäbe eine ziemliche Sauerei), sondern auf eine hauchdünne (100 µm) Metallfolie, die als Deckel auf der Transformationskammer angebracht ist. Die Metallfolie überträgt die Schockwelle, die am Ende der Zündschnur austritt auf das Medium (und damit die Bakterien) und verhindert gleichzeitig, dass Verbrennungs-Rückstände in die Kammer gelangen.

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Sprengzünder mit Zündleitung und angeschlossener Transformationskammer.

Sehr effizient

Chakravortty, die drei Jahre als Post-Doc an der Universität Erlangen arbeitete, bevor sie 2006 eine Assistenz-Professur am renommierten Indian Institue of Science in Bangalore annahm, ist nicht die erste die versucht Mikrochockwellen für die Transformation von Zellen einzusetzen. Meist war die Transformationseffizienz bei ihren Vorgängern aber äußerst dürftig. Nicht so bei Chakravorttys Sprengzünder-Methode. Die Transformations-Effizienz ist mehr als doppelt so hoch wie bei dem Hitzeschockverfahren und etwas besser als bei der Elektroporation. Auch bei den schwerer zu transformierenden S. thyphimurium- oder P. aeruginosa-Zellen war die Transformations-Effizienz in etwa so hoch wie bei der Elektroporation. Darüber hinaus kann man die Sprengung mehrfach durchführen. Selbst nach der fünften Zündung konnte die indische Gruppe keine verringerte Vitalität der Zellen feststellen.

Wie schonend die Schockwellen-Transformation für die Bakterien ist, demonstrierten Chakravorttys Mitarbeiter mit einem einfachen Versuch. Sie gaben den Bakterien zu festgelegten Zeiten nach der Transformation durch Schockwellen oder Elektroporation frisches Medium zu. Tat das indische Team dies sofort nach der Transformation, war kein Unterschied in der Vitalität von Schockwellen- und Elektroporations-transformierten Zellen zu sehen. Warteten sie jedoch nur eine Minute mit der Medienzugabe, sank die Überlebensfähigkeit der elektroporierten Bakterien signifikant ab. Ließen sie die Bakterien zehn Minuten ohne neues Medium, war jegliches Lebenslicht in den elektroporierten Bakterien erloschen. Die Schockwellen-transformierten Bakterien zeigten sich von der langen Wartezeit auf das frische Medium hingegen völlig unbeeindruckt und wuchsen munter weiter.

Sprengmeisterkurs nötig

Die indische Spreng-Transformation scheint also durchaus eine interessante Alternative zu den bisherigen Transformationsverfahren zu sein. Allerdings könnte sie in deutschen Laboren an der Universitäts-Bürokratie scheitern. Hierzulande dürfen nur als Sprengmeister ausgebildete Personen mit Sprengzündern und Sprengladungen hantieren. Demnach müsste es in jedem Labor, das einen Sprengzünder für die Transformation benutzt, auch einen Sprengbeauftragten geben und die Mitarbeiter in den Laboren müssten einen Sprengmeisterkurs absolvieren.

Es wäre tatsächlich interessant zu sehen was Universitätsbürokraten einfällt, wenn plötzlich Sprengzünder in den Laboren auftauchen. Sie können es ja einfach einmal ausprobieren. Die Sprengzünder erhalten Sie von der Firma Dyno Nobel, deren Wurzeln bis zum ersten Unternehmen von Alfred Nobel zurückreichen, die nötige Transformationskammer kann sicher Ihre Instituts-Werkstatt herstellen.


Letzte Änderungen: 30.12.2011