Editorial

Buchbesprechung

Sigrid März




Werner Luttmann, Kai Bratke, Michael Küpper & Daniel Myrtek:
Der Experimentator – Immunologie.

Taschenbuch: 299 Seiten
Verlag: Springer Spektrum; Auflage: 4., vollst. überarb.
u. korr. Aufl. 2014 (28. April 2014)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3642418988
ISBN-13: 978-3642418983
Preis: 29,99 Euro (broschiert), 22,49 Euro (Kindle Edition).

Der Experimentator – Immunologie
Der Laboralltags-Erleichterer

Die Fernkopie per Fax ist längst von der E-Mail verdrängt; im Labor hingegen ist das FACS-Gerät zum wichtigsten Hilfsmittel des forschenden Immunologen geworden. Noch wichtiger ist dieses Buch.

Zehn Jahre nach dem Ursprungswerk ist die 4. Auflage des Immuno-Experimentators auf dem Markt, laut Verlag „vollständig überarbeitet und korrigiert“. Die Autoren, allesamt (ehemals) praktizierende Forscher, versprechen nicht nur Aktualität, sondern auch „Methodik untypisch feucht statt konventionell trocken zu vermitteln“.

Das gelingt ihnen mal mehr, mal weniger. Nach einer ausführlichen Beschreibung des Hauptakteurs der Immunologie (dem Antikörper) geht es über Zelltrennung nach Dichte, Größe oder Oberflächenmoleküle zur Durchflusszytometrie. Im zugehörigen Kapitel wird detailliert die Arbeit mit dem FACS-Gerät beschrieben, dem vielleicht wichtigsten Apparillo des forschenden Immunologen. Aufbau und Funktionsweise der Hardware werden dem Leser ebenso näher gebracht wie die bunte Welt der Fluorochrome und die abschließende Datenauswertung. Es folgen Kapitel über quantitative Immunoassays (ELISA & Co.), Lokalisationsmethoden und des Forschers Fluch (die Immunpräzipitation). Einblicke in die Welt des Western Blots sowie ein Abschnitt über das Leben und Sterben von Zellen fehlen nicht; neu ist ein Abstecher zum therapeutischen Einsatz von Immunzellen mit Schwerpunkt „dendritische Zellen“.

Editorial

Editorial

Experimentatoren: frischauf ans Werk! Foto: Wellcome Research Labs

Früher oder später muss sich jeder Forscher mit Statistik befassen. Der Experimentator Immunologie liefert Antworten auf statistische Fragen, die sich der Durchschnittsbiologe vermutlich noch nie gestellt hat. Neben vielen Formeln, Klammern und Bruchstrichen findet er Erklärungen zu Begriffen wie Fehler und Standardabweichung, was richtig und/oder präzise ist und natürlich, wann, warum und wie welcher Signifikanztest anzuwenden ist.

Nach Stimmung adhärierende Zellen

Bekannt ist die Experimentator-Reihe für saloppen Schreibstil und eine augenzwinkernde Sichtweise auf die experimentelle Arbeit von Wissenschaftlern. So stellen die Autoren fest, dass Zellen je nach „Stimmungslage“ mal mehr und mal weniger fest adhärieren. Ähnliches erfährt der Leser in dem amüsanten Abschnitt „Naturwissenschaften vs. Übernatürliches“. So mancher Forscher wird sich darin wieder erkennen. Bei allem Humor verlieren die Autoren jedoch nicht das Wesentliche aus den Augen und präsentieren ein angenehm strukturiertes, informatives Gesamtwerk. Der Laborneuling auf der Suche nach Grundlagen wird bei der Lektüre ebenso fündig wie der alte Hase mit langjähriger Experimentiererfahrung. Grau hinterlegte Boxen mit Exkursen und Tipps lockern die Texte auf, ebenso wie die dezent in schwarz-weiß gehaltenen Abbildungen mit Powerpoint-Charme. Laborklassiker wie die Zellzahlbestimmung mittels Neubauer-Zählkammer finden sich Seite an Seite mit modernen Techniken (etwa Microarrays).

Zu den umfassend vorgestellten Methoden erfährt der Leser das ‚Für und Wider‘ sowie die Grenzen ihrer Anwendung. Tabellarische Übersichten – beispielsweise zum Bindungsvermögen diverser IgGs an Protein A oder G – erlauben effizientes Nachschlagen. Ein jeder Laborsklave wird angesichts unzähliger 96-Well-Platten dankbar für praktischen Beistand in Form von Pipettierschemata und Berechnungshilfen sein. Und geht‘s doch schief, bietet die Fehler­suche Denkanstöße.

Wem das Druckwerk nicht ausreichend in die Tiefe geht, der findet methodisch sortierte Literaturhinweise am Ende eines jeden Kapitels. Neben aktuellen Schriften sind dort auch nostalgisch anmutende gelistet, zum Beispiel die Originalpublikation Oliver Lowrys (zum quantitativen Proteinnachweis) aus dem Jahre 1951. Herrlich.

Aktuelle und historische Schriften

Nur gelegentlich gleiten die Autoren in Kleinkariertheit ab – etwa wenn sie darauf hinweisen, dass ein mit dem Fluorochrom FITC gekoppeltes Protein XY mitnichten als FITC-XY bezeichnet werden sollte, da schließlich nach der Kopplungsreaktion die Isothiocyanatgruppe abhanden gekommen sei. Mal ehrlich: Wer läuft durchs Labor und fragt: ‚Haste mal das Fluorescein-Protein-XY-Konjugat zur Hand?‘

Einen groben Patzer hat die Rezensentin auch gefunden, gleich zu Beginn: In Abbildung 1.2 werden der variablen Domäne eines Immunglobulins G statt einer schweren und einer leichten gleich zwei schwere Ketten pro Antikörperhälfte angedichtet. Seltsam: In der 3. Auflage war die Abbildung noch einwandfrei. Dennoch ist der aktuelle Experimentator Immunologie ein hilfreiches Nachschlagewerk für den Laboralltag, mit allerlei Anekdötchen und reichlich Hintergrundinformationen.




Letzte Änderungen: 12.03.2015