Editorial

Buchbesprechung

Götz Hensel




Rolf Röber et al.:
Gentechnik – Möglichkeiten und Grenzen.

Taschenbuch: 153 Seiten
Verlag: Freie Akademie; Auflage: 1. Auflage (18. Juli 2012)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3923834292
ISBN-13: 978-3923834297
Preis: 15,00 EUR

Ungleich verteilt


Ein gut gemeintes Buch, das sich mit dem Für und Wieder der Gentechnik beschäftigt, krankt an der allzu einseitigen Auswahl der Autoren.

Im Juni 2011 tagten in der Frankenaka­demie Schloss Schney im oberfränkischen Lichtenfels die Gentechnik-Experten. Eingeladen waren sie von der „Freien Akademie“ – einem „von konfessionellen und politischen Institutionen unabhängigen Zusammenschluss von Personen, die sich die wissenschaftliche und kulturelle Auseinandersetzung mit Daseins- und Wertfragen unserer Zeit zum Ziele gesetzt haben“. Die damals gehaltenen Vorträge sind im vorliegenden Buch versammelt.

Gentechnik, speziell an Pflanzen, wird in den Medien kontrovers diskutiert. Trotz fehlender fundierter Information wird sie entweder verdammt oder in den Himmel gehoben. Diese Polarisierung galt es in Lichtenfels zu verringern und vor allem mit Fakten zu unterfüttern. Gelang dies? Das Spektrum der in Schney vertretenen Fachrichtungen war breit und spiegelte die in der Bevölkerung vorherrschenden Meinungen wieder. Allerdings auch hecklastig, denn einer ganzen Kohorte von Befürwortern der grünen Gentechnik hatten die Tagungsveranstalter lediglich eine einsame Kritikerin gegenübergestellt. Daher wird auch im vorliegenden Buch weitgehend Wohlwollendes zu den Grundlagen und den Chancen der umstrittenen Technologie abgedruckt; ferner wird das Thema philosophisch und literarisch aufgearbeitet. Lediglich die Münchener Biodiver­sitäts-Expertin Martha Mertens tanzt aus der Reihe und liefert auch kritische Töne. Doch für sie als Einzelkämpferin ist es natürlich schwierig, gegen die geballte Übermacht ihrer Kontrahenten anzukommen.

Die Einführung in die Genetik übernimmt Herausgeber Rolf Röber selbst. Der emeritierte Zierpflanzenbau-Experte aus Weihenstephan thematisiert die Grundlagen der Selektion von einer Wild- zur Kulturpflanze, von der Evolutionstheorie Darwins bis hin zur Genetik, begründet durch Gregor Mendel und den nach ihm benannten Abstammungsregeln.

Die Hannoveraner Gartenbau-Professorin Traud Winkelmann gibt im Folgenden eine anschauliche Einführung in die Grundlagen der pflanzlichen Gentechnik, die von Jörg Kleiber (ebenfalls Weihenstephan) auf die rote Gentechnik ausgeweitet wird. Laien allerdings dürfte es schwerfallen, Kleibers Ausführungen zu folgen. Immerhin nutzt er eine Vielzahl an Abbildungen, um Kompliziertes zu veranschaulichen.

Totschlag-Argument Welthunger

In den beiden nächsten Kapiteln geht der Pflanzenbiotechnologie-Professor Hans-Jörg Jacobsen (Hannover) auf die Probleme der Pflanzenproduktion sowie Chancen und Nutzen der grünen Gentechnik näher ein. Der Vorstand des Wissenschaftlerkreises „Grüne Gentechnik“ stellt deren Vor- und Nachteile, verglichen mit biologischem und konventionellem Anbau heraus und bringt das immer wieder genannte Totschlagargument, dass ohne den Einsatz von Gentechnik eine zukünftige Sicherstellung der Ernährung nicht zu stemmen sei.

Aber ist dies so? Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) gab 2011 eine Studie in Auftrag, deren Ergebnisse besagen, dass weltweit ein Drittel (!) der gesamten Jahres­produktion an Lebensmitteln vernichtet oder weggeworfen wird. Würde dies nicht geschehen, so könnte man schon jetzt knapp zwölf Milliarden Menschen ernähren. Ist also die grüne Gentechnik wirklich das alleinige Heilmittel gegen den Welthunger? Auf diese Frage geht Jacobsen nicht ein. Zudem fiel dem Rezensenten eine Doppelung einzelner Sachverhalte auf. Die Übertragung der Gene in die Pflanze zum Beispiel hatte doch bereits Winkelmann in ihrem Kapitel ausgeführt? Auch die Anfänge der Pflanzenzüchtung und die Auswirkungen des Klimas beziehungsweise des Ökosystems sind redundant.

Überholte Gegenargumente

Der Beitrag der Gentechnikkritikerin Mertens bedient all die Argumente, die sich mit den Risiken der Agrogentechnik befassen. Doch auch sie debattiert unsachlich – etwa indem sie nicht berücksichtigt, dass bisherige negative Erfahrungen meist auf der 1. und 2. Generation transgener Pflanzen beruhen. Dass diese längst vom Markt verschwundenen Organismen naturgemäß noch Fehler aufwiesen, ist bei der Einführung neuer Technologien nicht ungewöhnlich, jedoch längst korrigiert. Auch Mertens‘ Argument der Artenvielfalt-Problematik verfängt nicht. Bei welcher Sorten­einführung (egal ob biologischer oder konventioneller Landbau) wird denn auf Artenvielfalt geachtet? Dies ist kein spezielles Problem der Gentechnik.

Evelyn Klocke vom Quedlinburger Julius-Kühn-Institut erläutert, dass entgegen der landläufigen Meinung bereits eine Vielzahl unserer Lebensmittel mit Gentechnik in Berührung gekommen sind, dies durch undurchsichtige beziehungsweise fehlende Kennzeichnung aber nur selten erkennbar sei. Sie liefert Vorschläge, mit welchen Methoden Nachweise erfolgen könnten.

Mit eher philosophisch-abstrakten Beiträgen des „Freidenkers“ Jan Bretschneider sowie des Pädagogen und Autors Peter Reuther schließt das Buch, das als faktenbasierte Hinführung zum Thema durchaus taugt. Doch leider bleibt die Ausgewogenheit angesichts der einseitigen Auswahl der Autoren auf der Strecke.




Letzte Änderungen: 01.10.2013