Editorial

Buchbesprechung

von Astrid Liebmann




Adolf Faller & Michael Schünke:
Der Körper des Menschen:
Einführung in Bau und Funktion

Broschiert: 840 Seiten
Verlag: Thieme, Stuttgart; Auflage: 15.,
überarb. Aufl. (REV). (9. April 2008)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3133297155
ISBN-13: 978-3133297158
Preis: 27,95 EUR

Klein, aber oho!

Die eierlegende Wollmilchsau ist noch nicht gezüchtet, aber ein vergleichbares Buch gibt es längst – meint jedenfalls unsere Rezensentin.

Vorab die Fakten: Die 15. Auflage des „Faller & Schünke“ umfasst auf 840 Seiten die wichtigsten Informationen übers menschliche Skelett, das Gefäß- und Nervensystem sowie über die Haut und die sonstigen inneren und äußeren Körperregionen. Das Buch enthält vier Ausklapptafeln in Postergröße zum Herausnehmen und hat in bisher 42 Amazon-Kundenrezensionen ausschließlich vier oder fünf (von maximal fünf) Punkten erhalten. Nachfolgend im O-Ton eine Auswahl der bei Amazon.de geäußerten Kundenmeinungen zum 1966 erstmals aufgelegten Anatomieklassiker: „Ein absoluter Goldgriff“; „die absolute Basis meines Examens“; „echt genial nur zum empfehlen“; „Es ist selbst als Laie nicht möglich, keinen Lernerfolg zu verbuchen.“ Amazon-Kundin „Alchemilla“ schwärmt gar: „Ich hatte es stets in der Handtasche um bei jeder Gelegenheit darin zu stöbern“; hingegen gibt User „Fuerst“ zu Bedenken: „Auch mit diesem Buch bekommt man natürlich nicht gleich den Titel zum Dr. der Medizin.“ Wie wahr. Was aber begeistert an diesem anscheinend famosen Buch derart?


Praktisches Format ...

Zum ersten: Es ist klein, obwohl viel drin steckt. Der „Faller“ kann somit – dank seines Taschenbuchformats – sowohl als praktisches Nachschlagewerk am Arbeitsplatz als auch als mobiler Begleiter in Alltag und Freizeit dienen (wie weiter oben bereits von Handtaschenbesitzerin „Alchemilla“ erwähnt).

Wieviel Information tatsächlich in den gut 800 Seiten steckt, wird erst nach mehrseitiger Lektüre klar: Schrittweise dringt der Autor (Michael Schünke; der Buchbegründer Adolf Faller ist bereits 1989 verstorben) zu den relevanten Informationen vor. Anfänglich schneidet Diplombiologe und Anatom Schünke nur oberflächlich und bringt kurze, allgemeine Informationen ans Tageslicht; dann jedoch dringt er seziermesserartig in immer tiefer gelegene Schichten vor und geht erst am Ende in die komplizierten Details. Dieses obduktionsartig anmutende Vorgehen des Kieler Hochschullehrers hat eine beinahe beispiellos übersichtliche Gliederung des Inhalts zur Folge.

Im Wortsinne unblutig, dafür aber von unschätzbar verständnissteigerndem Wert sind die klaren, übersichtlichen Abbildungen. Im Verbund mit dem zumeist schwafelfreien Text stellen sie Sachverhalte plastisch und anschaulich dar. Und selbst wenn die Synapsen im Leserhirn an manchen Textstellen kein begeistertes Feuerwerk zünden – die Abbildungen im „Faller“ erleichtern das Verstehen komplexer Inhalte ungemein.


... und eingängiger Stil

Die für medizinische Literatur ungewohnt luftige und eingängige Sprache überrascht. Lange, verschachtelte Sätze hat der Autor weitgehend vermieden; Fachwörter bekommen – wenn sie nicht ohnehin im nachfolgenden Text detaillierter beschrieben werden – an Ort und Stelle eine kurze Übersetzung. Das erspart lästiges Nachschlagen in weiteren Büchern beziehungsweise eine Internetsuche. So manchen Fremdwortfetischisten – und welcher angehende Mediziner ist das nicht? – mag diese Bevorzugung des unverblümten deutschen Klartextes eher abschrecken; praktisch gesehen ist‘s natürlich ein Riesenvorteil. Vor allem humanbiologische Laien, aber auch Fortgeschrittene, die nicht immer eine Erklärung oder Übersetzung zu einem Fachbegriff parat haben, werden am „Faller“ Freude haben.

Sollten sich die neurologischen Erregungsleitungen mancher „Faller“-Nutzer partout nicht aktivieren lassen, so bringen vielleicht die regelmäßig auftauchenden Fallbeispiele und Praxisbezüge deren lahme Axone zum Klingeln. In diesen Beispielen erklärt Schünke, der im Hauptberuf Professor am Anatomischen Institut der Uni Kiel ist, den angehenden Jungärzten und Rettungshelfern beispielsweise, was die auf den Stirnseiten der Krankenhausbetten angebrachten Zick-Zack-Muster mit dem menschlichen Herz und seinen (Fehl-)Funktionen zu tun haben.

Die nach der Lektüre im Kurzzeitspeicher befindliche Information kann der Leser mittels prägnanter Zusammenfassungen am Ende eines jeden Kapitels bequem ins Mittelzeitgedächtnis kicken.


Ein Hauch von Kritik

Etwas Kritik verdient die thematische Auswahl der vier beigelegten Falttafeln: Anstatt der „tastbaren Knochenpunkte“ hätten Autor und Verlag besser eine Darstellung der Muskulatur mitgeliefert. Deren genaue Kenntnis dürfte für die meisten medizinischen Praktiker wichtiger sein als Knochen zu befummeln. Die drei anderen Themen (Skelett, Gefäßsystem, Nervensystem) hingegen gehen in Ordnung.

Im Buch ist nahezu alles Wesentliche enthalten; nur vereinzelt befriedigt die Themenwahl nicht vollends. So wurde zum Beispiel auf die Hirnnerven sehr genau eingegangen (und diese beim Lesen des betreffenden Kapitels auch strapaziert), während grundlegendere Dinge – als Beispiel sei der Aufbau von Biomembranen genannt – nur knapp beschrieben sind. Trotzdem ist das Buch eine gelungene Reise in den Körper des Menschen und erlaubt seinen Lesern, zumindest physiologisch gesehen, sich selbst besser zu verstehen.

Also, flugs in den Buchladen gespurtet und einen „Faller & Schünke“ erworben? Vorsicht! Denn wie Amazon-Leserrezensent „Stefan“ weiß: „Gehört man zu denen, die sich lieber mit Halbwissen vollstopfen mit dem man angeben kann, dann ist man mit dem Buch am falschen Weg.“

Wie wahr! Wir hätten es nicht schöner ausdrücken können.


Letzte Änderungen: 23.02.2011