Editorial

Wer nicht sucht, der findet auch nichts

(29.7.15) Wieso prüfen nicht alle Journale ihre Manuskripte vor der Annahme mit den Methoden der Bildanalyse? Ein Kommentar.
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EMBO Press steht mit der Entscheidung, hauptberufliche Bildanalysten wie Jana Christopher zu beschäftigen, ziemlich alleine da (siehe das LJ-Online-Editorial vom 28.7.). Nur das Journal of Cell Biology und das Journal of Clinical Investigation verfolgen eine ähnliche Politik, und das bereits seit etwa 20 Jahren. Andererseits berichtete mir jemand von einem namentlich nicht genannten Journal-Editor, der zugab: „Ich schaue mir die Figures niemals an“.

Nature setzte sich letztes Jahr mit dem Disaster um das sogenannte STAP-Phänomen ordentlich in die Nesseln. Eine anderswo abgelehnte Studie über die zauberhafte Erzeugung totipotenter Stammzellen mit ein bisschen Zitronensäure erwies sich als erfunden (ich berichtete darüber mehrmals für Laborjournal und Lab Times, z. B. hier). Die Daten waren weitgehend manipuliert, offenbar von der Erstautorin Haruko Obokata, wobei die Rollen der Senior-Autoren wie Charles Vacanti (Brigham and Women's Hospital, Harvard) unklar blieben. Beide STAP-Publikationen mussten letztendlich zurückgezogen werden, trotz gewissen Widerstands von Nature.

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Wieso hat Nature nicht vorher hingeschaut?

Als der Skandal sich anbahnte, nahm die EMBO-Bildanalystin die STAP-Paper unter die Lupe und fand sofort mehrere Manipulationen. Warum hat man denn bei Nature nicht hingeschaut? Nach der STAP-Katastrophe spricht das Magazin von „Stichproben“ (Rate unbekannt) und davon, dass für eine umfassende Bildanalyse keine ausreichenden Ressourcen vorhanden seien.

Hauptberufliche Bildanalysten sollen für die Nature Publishing Group, einen der größten und umsatzstärksten Wissenschaftsverlage, nicht wirtschaftlich sein.

Und die Chef-Editorin von Cell, Emilie Marcus, redet gar nicht erst von Stichproben, sondern darüber, wie man am besten die massenhaft eintreffenden kritischen Hinweise auf Fehler in Cell-Publikationen filtern könnte (siehe hier und  hier). Der Eindruck drängt sich auf, dass man bei Cell nicht nur keine vorbeugende Bildanalyse betreiben will, sondern auch anonyme Hinweise zu bereits erschienenen Publikationen nur ungern weiterverfolgt.

Können die Journale nicht, oder wollen sie nicht?

Können sich die Journale besseres Hinschauen wirklich nicht leisten? Oder wollen sie einfach nicht? NPG veröffentlicht ihre Gewinne nicht; der Mutterverlag von Cell Press, Elsevier, gab für das Jahr 2013 eine Gewinnmarge von 39 Prozent an. Experten schätzen die tatsächlichen vorsteuerlichen Gewinnspannen der naturwissenschaftlichen Verlage auf 40 bis 50 %. Das ist vermutlich mehr als im Drogengeschäft. Wohltätige Spenden oder eine Crowdfunding-Kampagne, um Bildanalysten für NPG und Cell Press zu finanzieren, scheinen da nicht unbedingt angebracht.

Wie es aussieht, haben die meisten Journale wenig Interesse, die Integrität der Abbildungen in ihren Publikationen zu überwachen, vorbeugend oder auch nachträglich.

Vielleicht ist mancherorts von vornherein das Ziel, kein wissenschaftliches Fehlverhalten aufkommen zu lassen – indem man aus Prinzip nicht danach sucht. Augen zu und durch, den großen Gewinnen entgegen.

 

Leonid Schneider

Foto: (c) Hakase420/ Fotolia

 



Letzte Änderungen: 16.09.2015